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Lloyd Cole: On Pain (Review)
Artist: | Lloyd Cole |
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Album: | On Pain |
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Medium: | CD/LP/Download | |
Stil: | Synth-Pop, Sophisticated-Pop, Singer/Songwriter |
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Label: | earMUSIC/Edel | |
Spieldauer: | 37:28 | |
Erschienen: | 23.06.2023 | |
Website: | [Link] |
Mit "Rattlesnakes" von 1984 hat LLOYD COLE eines der besten Debütalben überhaupt auf der Habenseite - und auch ohne seine schottische Jugendband The Commotions glänzte der Brite in den Jahrzehnten danach mit stets zumindest guten, oft brillanten Platten. Dass er neben dem feinen Gitarren-, Sophisticated- und Folk-Pop seiner stärksten Solowerke auch ein Faible für elektronische Musik hat, wussten Eingeweihte schon länger, etwa durch die Zusammenarbeit mit Krautrock-Pionier Hans-Joachim Roedelius. Für nicht ganz so informierte Freunde des Singer-Songwriters LLOYD COLE indes war die Hinwendung zu einem melancholischen Synth-Pop auf "Guesswork" vor vier Jahren eine Überraschung - und nicht für alle eine willkommene.
Diese Fans müssen jetzt ganz stark sein. Denn auch der Nachfolger "On Pain" bietet acht keyboardbasierte Lieder, die dem Jingle-Jangle-Sound (irgendwo zwischen The Smiths und The Go-Betweens) aus Coles Anfangsjahren und auch dem gediegenen Country- und Folkpop der mitteren Karrierephase (etwa auf "Music In A Foreign Language" von 2003 oder auf "Broken Record" von 2010) beherzt Goodbye sagen. Es dauert nur die ersten paar Sekunden des Openers und Titelsongs - und schon ist klar, dass "Guesswork" keine Eintagsfliege in einer stilistisch durchaus wechselvollen Laufbahn dieses großen Musikers war. Und LLOYD COLE steht dazu - mehr als das, er sieht "On Pain" als logische Fortsetzung einer künstlerischen Entwicklung. Die erneute Artpop-Ausrichtung ist also nicht etwa nur den Beschränkungen der Pandemie geschuldet.
"Viele Jahre gab es bei mir eine Abgrenzung: Wenn ich singe auf einem Album, dann sollte es nicht so elektronisch sein", sagt Cole im Interview für "Musikreviews". "Das hatte ich 1993 bei 'Bad Vibes' mal anders gemacht, und es war ein Desaster. Aber je älter ich wurde, desto mehr habe ich elektronische Musik gehört, ich hatte sie schon immer gemocht. Heute höre ich zum Beispiel nicht mehr The Smiths oder Morrissey, die ich in den 80ern geliebt habe – sondern eher den späten Scott Walker, oder derzeit eine amerikanische Komponistin namens Kali Malone, die kaum Melodien produziert, sondern fast nur noch Sound."
Sound statt Melodie - so weit lässt es LLOYD COLE auf "On Pain" dann doch nicht kommen, da war er auf früheren elektronischen Experimentier-Werken schon unverfrorener. Er wollte aber auch diesmal "ein Album machen, das der Musik ähnelt, die ich selber hören mag". Mit dem Vorgänger "Guesswork" als Startpunkt wollte der Songwriter "in alle Richtungen extremer zu werden. Das minimalistische Zeug sollte noch minimalistischer werden, das poppige Zeug noch poppiger, das abstrakt klingende Zeug noch abstrakter."
Coles 16. Studioalbum ist mit einer Laufzeit von gut 37 Minuten ein kompaktes Werk, und es ist eines, das man sich erschließen muss mit seinen intensiven Keyboard-Schwaden, den elektronischen Rhythmen und teilweise verfremdeten Vocals, die ihre Künstlichkeit gar nicht verleugnen wollen. Im Kern ist diese Platte jedoch purer LLOYD COLE: die latente Schwermut und Weltklugheit in dieser dunklen warmen Stimme und den bittersüßen Melodien, die smarten, auch mal rätselhaften Lyrics - auf "On Pain" muss man dies als mitgealterter Fan keineswegs missen. Es ist eben nur anders verpackt.
So gelingt es dem Wahl-Amerikaner LLOYD COLE bereits zum zweiten Mal in Folge, einen reifen, hoch artifiziellen Homestudio-Sound zu erschaffen, der mal an Scott Walker ("Wolves"), mal an den älteren Peter Gabriel ("More Of What You Are") und am häufigsten an seine Glasgower Kollegen The Blue Nile erinnert. Deren schönstes, für viele auch bestes Album "Hats" (1989) schimmert in fast allen aktuellen Cole-Songs durch – und er freut sich über den Vergleich: "Ja, diese Musik war für mich sehr inspirierend. Und daher habe ich überhaupt kein Problem damit, wenn meine aktuellen Sachen mit ‚Hats‘ verglichen werden – das ist für mich ja immerhin die beste Platte überhaupt von einer schottischen Band."
Rein textlich ist "The Idiot" der wohl spannendste Track von "On Pain". Hier geht es "um zwei Menschen, die sich gegenseitig retten vor einem fast sicheren Tod", sagt LLOYD COLE. Gemeint sind David Bowie und Iggy Pop, die sich nach dem Drogen-Horror Mitte der 1970er Jahre in Berlin zusammentaten, um in der damaligen Mauerstadt zu regenerieren - und um letztlich legendäre Platten wie "Low" und "Heroes" beziehungsweise "The Idiot" und "Lust For Life" zu erschaffen. "Bowie war davor ja schon mal leblos in seinem Haus gefunden worden, und Iggy Pop lebte zeitweise auf der Straße", erzählt Cole. "Es ist einfach eine schöne Sache, dass beide dann 1976/77 zusammen lebten und sich gegenseitig retteten." Das Lied mit dem staunenden Refrain "How are we still alive?" berührt sicher nicht nur Verehrer der beiden Rock-Ikonen.
Auf "On Pain" beweist LLOYD COLE also erneut, dass er mit Hilfe einiger weniger guter Freunde (Neil Clark, Blair Cowan, Joan Wasser/Joan As Police Woman, Dave Derby, Chris Hughes) so komplexe wie zugängliche Klangbilder auch aus Keyboards und Computern generieren kann. Das Ziel bleibe doch letztlich dasselbe: "Ich will das Leben von anderen Menschen bereichern, so wie die Musik mein Leben bereichert hat." Und damit sei er "definitiv noch nicht fertig", habe bereits "einige tolle Ideen für mein nächstes Projekt" in der Schublade. So fit und selbstbewusst, wie sich der passionierte Golfspieler und Radfahrer LLOYD COLE derzeit präsentiert, darf man von ihm noch einige bereichernde Alben erwarten.
FAZIT: Nach dem von der Kritik gefeierten, manche Fans aber irritierenden Album "Guesswork" bleibt LLOYD COLE diesem Kurswechsel treu. Auf "On Pain“ sind wieder überwiegend Keyboard-Sounds statt jangelnde oder folkige Gitarren zu hören. Im Kern aber macht der Brite, was man seit 40 Jahren von ihm gewohnt ist: klugen, melodischen, immer etwas schwermütigen Pop der Extraklasse. Es mag ein langer Weg sein von den juvenilen Songs mit den Commotions auf dem längst legendären Debüt „Rattlesnakes“ bis zu den eleganten Synth-Pop-Tracks seiner neueren Alben - aber es lohnt sich, diesen Weg weiterhin mitzugehen.
- 1-3 Punkte: Grottenschlecht - Finger weg
- 4-6 Punkte: Streckenweise anhörbar, Kaufempfehlung nur für eingefleischte Fans
- 7-9 Punkte: Einige Lichtblicke, eher überdurchschnittlich, das gewisse Etwas fehlt
- 10-12 Punkte: Wirklich gutes Album, es gibt keine großen Kritikpunkte
- 13-14 Punkte: Einmalig gutes Album mit Zeug zum Klassiker, ragt deutlich aus der Masse
- 15 Punkte: Absolutes Meisterwerk - so was gibt´s höchstens einmal im Jahr
- On Pain
- Warm By The Fire
- I Can Hear Everything
- The Idiot
- You Are Here Now
- This Can't Be Happening
- More Of What You Are
- Wolves
- Gesang - Lloyd Cole
- Gitarre - Neil Clark
- Keys - Lloyd Cole, Blair Cowan, Mark Frith, Neil Clark, Chris Hughes
- Sonstige - Joan Wasser, Renee Lo Bou, Dave Derby (Backing Vocals)
- Antidepressant (2021) - 12/15 Punkten
- On Pain (2023) - 12/15 Punkten
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keine Interviews
Kommentare | |
Matthes
gepostet am: 04.03.2024 User-Wertung: 13 Punkte |
Hi,
sehr schöne, zutreffende Kritik! Danke für die Hintergründsinfo zu "The Idiot" (ich dachte, es ist ein Lied über meinem Sohn und mich ha ha...). Habe Lloyd Cole als Ü-50 vor ein paar Monaten in Köln zum ersten Mal Live erlebt: kann die nächste GElegenheit kaum erwarten. "Wolves", was für ein grandioses Stück. Danke für die Tipps für Scott Walker. Matthes |