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Tobias Werner aka Albinobrothers: Listen! 29 Prayers 2010 – 2019 (Review)

Artist:

Tobias Werner aka Albinobrothers

Tobias Werner aka Albinobrothers: Listen! 29 Prayers 2010 – 2019
Album:

Listen! 29 Prayers 2010 – 2019

Medium: Download/3-LP-Set/3 CDs
Stil:

Blues, Psyche, Folk, Country, Indie, Kraut

Label: Krakenduft Records
Spieldauer: 119:18
Erschienen: 20.01.2023
Website: [Link]

Wie bitte? Ein Album – oder besser drei fett gefüllte LP's – mit gleich 29 Gebeten? Oder sind das Stücke, die man anbeten sollte? Oder, oder, oder…
TOBIAS WERNER und/oder bzw. aka die ALBINOBROTHERS loten mit ihrem 3-LP-Set „Listen! 29 Prayers 2010 – 2019“ nicht nur musikalische, sondern auch vinyle Grenzen aus, welche diese Vinyl-Ausgabe in Kleinstauflage genauso wertvoll macht, wie die Band-Beschreibung unter ihrer Bandcamp: „ALBINOBROTHERS sind wie alter Whiskey, wie eine frisch geschliffene Klinge – ein erfahrener Rausch...“.

In den Jahren von 2010 bis 2019 veröffentlichte das, nennen wir es mal sehr ungewöhnliche und zugleich extrem eigenartige TOBIAS WERNER-Kollektiv aus Berlin insgesamt drei Alben:
* „Albinoblues“ (2010);
* „Gift“ (2016);
* „Blue Boys Gets Below“ (2019).

Drei Alben, die ihre ganze Schönheit aus der Kraft dieser ruhigen und zugleich mitunter hypnotischen Musik, die dem Blues genauso nahe steht wie dem folkigen Kraut und der Schönheit, welche dem Wahnsinn die Hand reicht.
Alle drei Alben sind nun auf den drei LP's zu finden, die sich liebevoll in „Listen! 29 Prayers 2010 – 2019“ vereinen und die eine extrem umfangreiche Danksagung, eingeleitet mit den Worten: „Dieses Album würde nicht existieren ohne...“, auf der Rückseite erhielt. Liest man sich die Namen genauer durch, dann gibt es hier Künstler zu entdecken, deren Prägung, die wie eine Aura über den Songs schwebt, man garantiert auch auf diesen insgesamt zwei Stunden Musik erkennt. Hier nur einige der ALBINOBROTHERS-'Dankesträger': Klaus Kinski, Ernst Jünger, E.A. Poe, Hieronymus Bosch, H.P. Lovecraft, Flaming Lips, Syd Barrett, Nina Hagen… Größtenteils Künstler, die wir mit den finsteren, durchaus auch wahnsinnigen Seiten des kreativen Schöpfertums in Verbindung bringen...

...Gleiches gilt in diesem Sinne auch für TOBIAS WERNER & ALBINOBROTHERS und die wunderbar verspielt-verkopften 29 Musik-Gebete der vergangenen 20 Jahre, die der Hörer nach so viel mitunter zähfließend-psychedelischer Faszination (Man muss sich drauf einlassen, ansonsten gilt: Radio anschalten und weiter die Äther-Ohrale-Verblödungsmaschinerie akzeptieren!) vielleicht selber anbetet, ob er nun an Gott oder gar nichts glaubt, selbst wenn man doch tatsächlich unter den bereits erwähnten Danksagungen im hinteren Teil sogar Jesus Christus entdeckt.

Das erste Album des Dreierpacks, der „Albinoblues“, lebt fast ausschließlich von akustischen Gitarren, die einen zwischen Folk und Blues, etwas Country und ganz viel Verträumtheit mit auf eine Saiten-Reise nehmen, genauso wie wir sie von solch großen Namen wie NEU!-'Katzenmusiker' MICHAEL ROTHER und JOHN FAHEY oder – als Kind des Ostens ein zwingender Vergleich – dem großartigen RALF KOTHE, der mit seinen „Gitarrenballaden“ in der DDR sehr erfolgreich war, kennen.

„Albinoblues“ besticht zudem durch ausgezeichneten Sound, bei dem die Gitarre kristallklar aus den Boxen tönt, man mitunter das Umgreifen und Ziehen entlang des Gitarrenhalses oder das Schlagen auf den Resonanzkörper klar und deutlich hört.
Zudem wird es mit dem einzigen gesungenen Stück „Lucky Punch“ schwer psychedelisch samt Schlagzeugbegleitung von Uwe Gerstenberger, der zuvor schon bei „The Fortuneteller“ mit in Aktion trat. Unweigerlich muss man an den von PINK FLOYD verstoßenen SYD BARRETT (Danksagung beachten!) und dessen solistisch so verzweifelt klingende Alben denken, wozu auch der geheimnisvolle englische Text von dem Mann mit den Lederhandschuhen beiträgt.
Danach klingt mit „Mutter“ das für alle Freunde guter Gitarrenmusik schwer beeindruckende Album fragil und etwas traurig aus, selbst wenn das Stück zum Ende hin noch einmal etwas Tempo aufnimmt.

Sechs Jahre später folgt dem „Albinoblues“ das „Gift“ und macht seinem Namen alle Ehre.
Kurios schon die 'giftige' Doppeldeutigkeit, auch weil sich unter den Stücken von TOBIAS WERNER immer englisch- und deutschsprachige Titel befinden. Nehmen wir den englischen Titel, dann ist dieses Album wahrhaftig ein echtes 'Geschenk'...
...Bleiben wir beim Deutschen, dann ist es toxisch. Und diese psychedelischen Klangwelten von „Gift“, die ihren Einstieg über den „Albinoblues – Part II“ finden und der „Mutter“ des ersten Albums nun den „Vater“ hinzufügen, haben wirklich alles zwischen giftig und großartig zu bieten. Dieses Mal wird allerdings zur Gitarre deutlich mehr (oft schräg) gesungen, gewispert, geflüstert, gedroht und immer wieder taucht das giftige „f***“-Wort auf. Der barrettsche Geist lebt definitiv auch auf „Gift“, genauso wie die Desert-Sounds der amerikanischen Giganten HOWE GELB bzw. GIANT SAND oder WILCO.
Manchmal taucht wiederum ein Schlagzeug in den Stücken auf und verleiht den Songs mehr Druck. Selbst Grillen dürfen ausgiebig auf „Slickbean“ zu einem Banjo zirpen. Das ganz große Finale ist dann mit „The Salvation“ erreicht – ein Song, der passend zum 'göttlichen' Text („Fuck the net and fuck the nation / It's a feast, a celebration / Thank you, Lord, for the salvation.“) sogar mit einer fetten Orgel das diesmal deutlich psychedelischere und ziemlich schräge Album abschließt.

Auf dem letzten Album von „Listen! 29 Prayers 2010 – 2019“, dem 2019er „Blue Boys Gets Below“, wird es gleich zu Beginn extrem finster. Erstmals überwiegen nun auch die gesungenen Songs.
Vieles erscheint so, als würde man dem Wahnsinn verfallen sein und besagter SYD BARRETT erscheint wie das kreative Brüderchen von TOBIAS WERNER, so als würden beide ihren in Noten und Worte gegossenen Wahnsinn zu einem puren Klangerlebnis ausbreiten, das dem Hörer eine Zwangsjacke anlegt und knapp 40 Minuten lang vor der Anlage fesselt.

Statt Grillenzirpen gibt’s diesmal Vogelgezwitscher und wir glauben uns sogar in dem frühen Floyd-Universum von „Green Is The Colour“ wiederzufinden. Doch das Psychedelische und der Wahnsinn steigern sich immer mehr, um im letzten gesungenen Song „The Stag“ mit dem Satz: „The stag is dead“, apokalyptisch zu explodieren, bis uns das Instrumental „Ohio Blue Tip“ vorsichtig an die Hand nimmt, sogar eine Maultrommel erklingen lässt und uns bedächtig aus dem einerseits dritten Album und andererseits dieser gigantischen Trilogie „Listen! 29 Prayers 2010 – 2019“ von TOBIAS WERNER, die nicht umsonst sogar im Albumtitel etwas Predigendes enthält, entlässt. Zwar sind wir nicht dem Wahnsinn eines verrückten Diamanten verfallen, aber wir haben ihm mithilfe unserer Ohren und Augen direkt ins Gesicht geschaut, ein Gesicht, das wohl große Ähnlichkeit mit der Gestalt auf dem 3-LP-Cover hat. Da hilft nur noch Beten und dabei „Listen! 29 Prayers 2010 – 2019“ zu genießen.

FAZIT: Zeit zum Beten?! Auf jeden Fall wenn es um eine Album-Trilogie von TOBIAS WERNER AKA ALBINOBROTHERS, vereint in „Listen! 29 Prayers 2010 – 2019“, einer 3-LP-Ausgabe mit allen Werken der Jahre 2010 bis 2019 – also „Albinoblues“ (2010), „Gift“ (2016) und „Blue Boys Gets Below“ (2019) – geht, die von ihrer ganzen Aura und dem Mut zum musikalischen wie textlichen und gestalterischen Wahnsinn sich zwischen SYD BARRETT und GIANT SAND bewegt, egal, ob einen nur Gitarrenklänge oder eine breitere, psychedelische Instrumentierung mit eigenartigem bis abgefahrenem Gesang erwartet. TOBIAS WERNER lotet (sogar freakige) Grenzen aus und überschreitet sie ansatzlos. Eine echte Entdeckung für alle, denen Musik der besonderen Art, die sich experimentell locker in einen höllischen Kochtopf, der ständig überzubrodeln scheint, setzt und daraus minimalistische Klangwelten entstehen lässt, die sich – um es mit Werners Worten auszudrücken – „wie alter Whiskey, wie eine frisch geschliffene Klinge – und ein erfahrener Rausch...“ entfalten. Grandios und einzigartig!

Thoralf Koß - Chefredakteur (Info) (Review 2644x gelesen, veröffentlicht am )

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  • 1-3 Punkte: Grottenschlecht - Finger weg
  • 4-6 Punkte: Streckenweise anhörbar, Kaufempfehlung nur für eingefleischte Fans
  • 7-9 Punkte: Einige Lichtblicke, eher überdurchschnittlich, das gewisse Etwas fehlt
  • 10-12 Punkte: Wirklich gutes Album, es gibt keine großen Kritikpunkte
  • 13-14 Punkte: Einmalig gutes Album mit Zeug zum Klassiker, ragt deutlich aus der Masse
  • 15 Punkte: Absolutes Meisterwerk - so was gibt´s höchstens einmal im Jahr
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Tracklist:
  • LP 1 = Albinoblues (2010) = (34:36):
  • Seite A (16:25):
  • Stringed (3:51)
  • If He Would Be A Finger – He Would Be A Thumb (4:32)
  • Life = Oxydation (3:43)
  • Out Of The Grey (Into The Black) (4:19)
  • Seite B (18:11):
  • The Fortuneteller (3:06)
  • Troglodyte (3:58)
  • Albinoblues (4:25)
  • Lucky Punch (3:23)
  • Mutter (3:19)
  • LP 2 = Gift (2016) = (47:11):
  • Seite C (23:40):
  • Albinoblues (Pt. II) (5:27)
  • Morgellons (5:21)
  • Dagger (4:04)
  • Slickbean (5:23)
  • Dust (3:23)
  • Seite D (23:31):
  • Dance Upon The Gallows (2:45)
  • The Ugly Bassgod (Pt. II) (2:30)
  • Vater (4:22)
  • Star Of Rhodesia (3:42)
  • Coralbrain (5:12)
  • The Salvation (4:50)
  • LP 3 = Blue Boy Gets Below (2019) = (37:31):
  • Seite E (21:10):
  • Sortie Sentimental (8:22)
  • Layin'traps (4:05)
  • Watching Birds (3:50)
  • Albinoblues 68 (5:53)
  • Seite F (16:21):
  • Slidin'on A Prepared Guitar (1:18)
  • Stains (3:33)
  • Another One (3:41)
  • The Stag (4:07)
  • Ohio Blues Tip (3:42)

Besetzung:

Alle Reviews dieser Band:

Interviews:
  • keine Interviews
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