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Jackie Leven: Live Or Die – Live in Bremen, 1999 & 2004 (Review)
Artist: | Jackie Leven |
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Album: | Live Or Die – Live in Bremen, 1999 & 2004 |
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Medium: | 4-CD-Box | |
Stil: | Singer/Songwriter, Folk, Rock |
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Label: | MIG music | |
Spieldauer: | 202:49 | |
Erschienen: | 26.04.2024 | |
Website: | [Link] |
„Jackie war ein wunderbarer Mann mit einem enormen Intellekt - sein Ableben ist sehr traurig und hinterlässt eine riesige Lücke in der Größe eines Schotten, durch die eine Menge Trauer fallen wird. Jackie sagte mir, dass Traurigkeit Gutes bewirkt - ich hoffe, dass diese Traurigkeit das lange vermisste Bewusstsein für einen so einzigartigen Menschen wecken wird. Es gibt so viele seiner Texte, die geeignet sind, an ihn zu erinnern, aber die letzten Zeilen von "Main travelled roads" sind vielleicht am passendsten: 'Ewig ist der Krieger, der Schönheit in seinen Wunden findet'.“ (Kommentar eines Freundes von JACKIE LEVEN unter einem Artikel zu seinem Tode am 14. November 2011 bei 'the arts desk.com')
„Ihm ging es immer um die Kunst, die Liebe zur Literatur, um Gedichte, Songs, das Leben. Um die Geschichten in den Liedern, die kleinen Begebenheiten und großen Gefühle. Das große Ganze. Zorn, Schmerz, Trauer und Trost mischten sich in seinen Liedern mit prallem Leben, purer Lust und unwiderstehlichem Charme und Humor.“ (Nachruf vom 17. November 2011 zum Tod von JACKIE LEVEN im 'Tagesspiegel')
Würde man eine Rangliste mit den sympathischsten, ehrlichsten, unnachahmlichsten, aufgeschlossensten, unterhaltsamsten und die Wahrheit sowie die Liebe (inklusive den Sex) unerbittlich verteidigenden Musikern aller Zeiten erstellen – der schottische Ausnahmemusiker (der eigentlich auch einen BOB DYLAN textlich wie musikalisch mit einigen seiner Werke locker hätte in den Sack stecken können) JACKIE LEVEN müsste sie anführen. Ergänzte man diese Charakteristik noch durch 'zynisch', dann stünde er unmittelbar neben FRANK ZAPPA, auch wenn die Musik der beiden Welten voneinander trennt.
Und in diesem Falle darf der Redakteur dieses Artikels tatsächlich auch auf eigene Live-Erfahrungen zurückgreifen, die er bereits in einem Kommentar kurz vor Levens Tod noch im Gästebuch unter unserer Seite hinterließ, als er auf die Review von Kollegen König zu „Jackie Leven – Live At Rockpalast“ einging und feststellte: „Ich habe schon einmal die Ehre gehabt, Leven live zu erleben - und war komplett fertig danach! Der Mann hat eine Ausstrahlung und eine Art, die ihresgleichen sucht. Nachdem ich mich mit ihm dann auch noch eine knappe Stunde unterhalten hatte, wusste ich: 'Genau diese Musiker sollte die Welt suchen - nur finden tun sie die weltfremden Außenseiter!“
Nun also gibt es dank des rührigen 'MIG Music'-Labels eine besonders feine Live-Box unter dem Titel „Live Or Die – Live in Bremen, 1999 & 2004“ dieses Ausnahmemusikers, der die Bühne nicht nur zum Singen, sondern auch zum Erzählen von lauter kleinen, spannenden Geschichten rund um sein extrem ereignisreiches Leben voller Höhen und Tiefen nutzt, zu erstehen, die sich durch jede Menge Liebe zum Detail und eine feines 12-seitiges Booklet auszeichnet.
Aber auch die Antwort von Kollegen König war beachtlich und sagt im Grunde alles über diese beiden Live-Aufnahmen (gemeinsam mit dem Pianisten und Freund Michael Cosgrave) aus, die einen in dieser Box – allerdings mit einem jeweils extrem aufmerksamen Publikum und in großartiger Klangqualität – erwarten: „Ich habe Leven bislang zweimal erlebt, das erste Mal inmitten einer Meute, die sich bei seinem Konzert die ganze Zeit unterhalten hat. Das sind die Momente, in denen man sich fragt, ob man für einen Mehrfach-Mord wohl straffrei ausgeht. Das zweite Mal vor ein paar Monaten. Allein mit Michael Cosgrave. Da war er mehr der Geschichtenerzähler. Und das kann er wirklich unnachahmlich. Auch wenn Lokalitäten und Publikum schwierig zu bewältigen sind. Ein Unikat, das für den Moment das ganze Musik-Business wegblendet, und pure Magie auf die Bühne bringt.“
Genau 5 Monate später meldete sich ein Leser ('Jöhrschi') unserer Seiten mit dem traurigen Kommentar zu Wort: „...die schönen Geschichten zwischen begnadeten Liedern auf seinen Touren, die ich in den letzten 18 Jahren erleben durfte, werde ich vermissen. Leven ist an Krebs gestorben. Ein ganz speziell sympathischer Typ; ich werde ihn vermissen. Seine Musik wird mich weiter begleiten.“
Eigentlich reichen diese drei Kommentare aus, um das halbwegs zum Ausdruck zu bringen, womit einen Leven wieder und wieder live verzauberte, genauso wie auf den jeweils zwei CDs pro Konzert umfassenden Bremen-Aufnahmen aus den Jahren 1999 und 2004.
Nur eigentlich gibt’s dann doch noch viel mehr zu erzählen – ob man(n) frau(s) liest, entscheidet ab hier jeder für sich...
JACKI LEVEN, der ehemalige DOLL BY DOLL-Frontmann, jedenfalls erschien auf der Bühne immer in einer Art 'Penner-Outfit' mit wirren Haaren und mitunter so gekleidet, dass es einem fast wehtat, diese wunderbare, sich jeglicher Mode widersetzende Erscheinung, die alle großen Modemacher in den Suizid getrieben hätte, plötzlich singend wie erzählend einen in die höchsten Singer/Songwriter-Horizonte zu entführen.
Doch nicht nur diese unangepasste Erscheinung war offensichtliches Statement – sondern ebenso die Tatsache, dass er seine Konzerte zwar lang gestaltete (und leider gerade bei dem 'Rockpalast'-Auftritt einer zeitlichen Begrenzung unterworfen war), aber grundsätzlich keine Zugaben gab, da Zugaben eben 'nur solche Idioten wie Robbie Williams' gaben.
Genau das hören wir auch am Ende dieser wunderschönen 4-CD-Box „Live Or Die – Live in Bremen, 1999 & 2004“, wenn er sich vor seinem letzten, diesem Live-Doppel-Konzert-Pack seinen Namen verleihenden Song von seinem Publikum verabschiedet. Leider ein Abschied für immer – denn das Leven-Leben musste sich sieben Jahre später dem unerbittlichen Gevatter Tod beugen, der den Krebs in den Singer/Songwriter gepflanzt hatte und wild wuchern ließ.
Aber auch hier sollten wir noch einmal den Kollegen König zu Wort kommen lassen, der selbst dafür einen mehr als passenden Kommentar hinter- und dabei auch ein ganz bestimmtes Presseerzeugnis nicht gerade gut dastehen ließ: „Während Spiegel-online einen von Respekt und Anerkennung gezeichneten Nachruf veröffentlichte, der zurecht mit bewegenden Kommentaren versehen wurde, ist das Postulat der FAZ-Redaktion ein schlechter Witz. Hier trifft Ahnungslosigkeit auf Inkompetenz und Mangel an Gespür. Wer DOLL BY DOLL als 'Möchtegern-Punkband' bezeichnet, dürfte eigentlich bestenfalls Kaffeeholer für die Mitarbeiter der Apotheken-Rundschau sein. Hätte der Depp besser Jöhrschi um Rat gebeten ...“
Unser JACKI LEVEN, der zu Leb- wie Todeszeiten höchste Anerkennung unter unserer Seite genießt, zupfte oder schlug seine akustische Gitarre, wenn er sich bei seinen Liedern begleitete, voller Leidenschaft, aber immer mit höchster Zärtlichkeit, die gleichermaßen neben der Achtung für das Leben auch die Achtung für das Instrument, das ihn begleitete, offenbarte. Er war ein rundum exquisiter Musiker, der sich nie selber, aber seine Musik und Texte immer absolut ernst nahm und in den Mittelpunkt stellte, während er zudem seine provokanten wie traurigen oder lustigen und sogar ferkeligen Texte dem hoffentlich der englischen Sprache mächtigen Publikum in Bremen zum Besten gab.
Seine Gänsehaut-Stimme schaffte es in einigen Songs sogar, ganz tief – bis in „In The Ghetto“-Bariton-Abgründe eines ELVIS PRESLEY – ihren ungewöhnlichen Weg einzuschlagen, um dann wieder in himmlischen Höhen brillant abzudriften. Unglaublich. Bei dieser Unglaublichkeit fällt einem im Grunde nur eine einzige Bezugsgröße ein: SCOTT WALKER.
Vielleicht sitzen ja Jackie & Scott gerade auf ihrer dunklen Gewitterwolke, weil der liebe Gott sie mal wieder wegen Ungehorsams in die Ecke gestellt hat, und lachen sich über uns kaputt – weil wir nicht begreifen wollen, dass beide Musiker eben einfach unbegreiflich sind, wir aber immer wieder versuchen, ihnen irgendwie auf die Schliche zu kommen. „Live Or Die – Live in Bremen, 1999 & 2004“ ist ein herrlicher Ansatz dafür!
FAZIT: Mit „Live Or Die – Live in Bremen, 1999 & 2004“ gibt es eine wundervolle Erinnerung an eine der bewegendsten Singer/Songwriter aus Schottland: JACKIE LEVEN, ein Schotte, der den typisch schottischen, schwarzen Humor mit seiner Art, seinen Geschichten und Musik kombiniert und noch dazu mit der nachdenklichen Traurigkeit eines SCOTT WALKERs vereint. In der 4-CD-Box (im Jewelcase), die – typisch MIG music – in bester Aufnahme-Qualität und liebevoller Gestaltung mit zwei kompletten Bremer Konzerten, bei dem der im Jahr 2011 viel zu früh verstorbene Musikers noch 2004 (übrigens auch das Jahr, während dem er im Rockpalast auftrat) von Keyboarder MICHAEL COSGRAVE begleitet wird. Welch wunderbare Hinterlassenschaft einer Persönlichkeit, die jeden Raum ein wenig mehr leuchten lässt sowie sie die Bühne betritt und zu singen und erzählen beginnt.
PS: Schade, dass all das, was ich hier schreibe, ich Jackie nicht persönlich sagen konnte – auch wenn ich einiges davon in einem ausgiebigen Gespräch mit ihm im Dresdner 'Beatpol' zum Ausdruck bringen durfte. Etwa 15 Jahre später gibt mir diese Review nun die Möglichkeit dazu – und ich bin sehr dankbar dafür. Genauso wie für das Album „The Peace Comes Dropping Slow“ von ihm, das er, nachdem wir erst gemeinsam einen Stift suchen mussten, weil der, den ich mitgebracht hatte auf dem Booklet nicht richtig schrieb, für mich mit den Worten „Kossi % With Love. Jackie x“ signierte. Und gerade stehen mir in Erinnerungen während dieser letzten Worte wieder Tränen in den Augen...
- 1-3 Punkte: Grottenschlecht - Finger weg
- 4-6 Punkte: Streckenweise anhörbar, Kaufempfehlung nur für eingefleischte Fans
- 7-9 Punkte: Einige Lichtblicke, eher überdurchschnittlich, das gewisse Etwas fehlt
- 10-12 Punkte: Wirklich gutes Album, es gibt keine großen Kritikpunkte
- 13-14 Punkte: Einmalig gutes Album mit Zeug zum Klassiker, ragt deutlich aus der Masse
- 15 Punkte: Absolutes Meisterwerk - so was gibt´s höchstens einmal im Jahr
- CD 1 = Concert 1999 Club Moments = (45:53):
- Intro
- Stranger On The Square
- Jackie talking about football (soccer)
- Call Mother A Lonely Field
- Jackie talking about Andy White (Irish singer)
- Looking For Love
- The Crazy Song
- Jim O'Windygates
- I Saw My Love Walk Into Clouds
- CD 2 = Concert 1999 Club Moments = (49:25):
- Marble City Bar
- Universal Blue – Poortoun
- Jackie talking about city life
- Single Father
- Jackie talking about his son Simon
- Men In Prison
- Jackie talking about St. Kitts & Nevis
- Gylen-Gylen
- CD 3 = Concert 2004 Broadcasting Hall Radio Bremen = (58:14):
- Single Father
- Butterfly
- My Philosophy
- Fly
- Alvis Green
- Alvis Green
- Glen Matlock is drinking...
- Empty In Soho Square
- A Little Voice In Space
- Classic Northern Diversions
- CD 4 = Concert 2004 Broadcasting Hall Radio Bremen = (49:17):
- Little Brown Box
- Little Brown Box
- Poortoun
- Certain German Places
- Exit Wound
- Call Mother A Lonely Field
- Tied-Up House
- Live Or Die
- Gesang - Jackie Leven
- Gitarre - Jackie Leven
- Keys - Michael Cosgrave
Interviews:
-
keine Interviews