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Katy Kirby: Blue Raspberry (Review)

Artist:

Katy Kirby

Katy Kirby: Blue Raspberry
Album:

Blue Raspberry

Medium: CD/LP/Download
Stil:

Singer/Songwriter, Folk, Pop, Country-Liebeslieder

Label: ANTI-/Indigo
Spieldauer: 38:13
Erschienen: 26.01.2024
Website: [Link]

„Diese Platte ist viel persönlicher, als ich es beabsichtigt hatte. Ich war in einer Phase, in der ich mit meiner Art zu schreiben experimentierte, und was dabei herauskam, war ein Song über eine Frau, über eine imaginäre Frau – ich dachte nicht, dass ich als oder über mich selbst schreibe, aber diese Art von Songs kamen immer wieder heraus, mit Fragmenten von sich überschneidenden Texten, die sich wie Perlen auf einer Schnur miteinander verbinden. Sie schienen dieselbe Welt zu bewohnen.“ (Katy Kirby)

Gut zu wissen, welche Verwandlung in KATY KIRBY während der Aufnahme von „Blue Raspberry“ vor sich ging. Denn immerhin war der dem Album seinen Titel verleihende Song der erste für dieses Album, als die gute Katy sich wohl noch als 'reine' Frau fühlte, um kurz darauf festzustellen, dass sie mental ihrer eigenen biologischen Prägung nicht mehr folgen wollte oder konnte und entdeckte, dass sie sexuell 'queer' ausgerichtet ist – also so gesehen eine bunte biologische Wundertüte voller nicht klar definierten Geschlechtsidentitäten: „'Blue Raspberry' ist der älteste Song auf der Platte. Ich fing an, ihn zu schreiben, etwa einen Monat bevor mir klar wurde, dass ich queer bin.“

So entstanden – übrigens schwer beeindruckende, zugleich wunderschöne, allerdings mitunter deutlich zu melancholische – Songs, geschrieben in völlig unterschiedlich mentalen Situationen, aber trotzdem in einem Körper, der noch dazu nackt auf dem LP-Cover und dem LP-Einleger präsentiert wird.

Am Anfang des Albums nimmt die Stimme der amerikanischen Songwriterin einen sofort gefangen und die schönsten Erinnerungen an eine FEIST oder FIONA APPLE kommen auf.
Doch musikalisch gibt’s trotzdem einen Haken, der sich bis zum Ende des Albums immer stärker breitmacht. Nennen wir den 'Haken' einfach einmal übertrieben Melancholie.

Kirbys Stimme liegt fast durchgängig im Vordergrund und die Musik tritt so gesehen in den Hintergrund und hat zwar begleitende, aber keine eigenständige, die Songs verfeinernde Instrumentalwirkung. Sie bedient breit gefächert den Gesang, dabei trägt das Album selbst rein instrumental unglaublich viel Potenzial in sich, da zusätzlich auch immer wieder Streicher und Bläser zum Einsatz kommen. Trotzdem tut das dem Gesamteindruck des Albums nicht gut, denn Kirbys Stimmlage bewegt sich auf die Dauer trotz vielfältiger Intonation auf einer Ebene, hinzu kommen die größtenteils auf ruhig-melancholisch bis hin zu nachdenklich getrimmten Songs, aus denen, wenn es mal etwas flotter zugeht, solch ein Song wie „Cubic Zirconia“ regelrecht hervorsticht.

Insgesamt allerdings klingt das Album ähnlich wie die Situation, in der sich die queere Musikerin derzeit befindet: Sie hat sich einfach noch nicht wirklich gefunden und ist auf der nachdenklichen Suche nach genau dem Weg, der für die ehemalig tief religiöse KATY KIRBY nunmehr vorbestimmt ist. Und der Hörer darf oder muss sie perspektivisch dabei auf „Blue Raspberry“ begleiten.

Es gibt aber auch immer wieder ein paar besonders beeindruckende Momente, wie im Eröffnungssong der LP-B-Seite „Party Of The Century“, der viel zu kurz geraten ist, aber durch eine feine Streicheinlage des Cellos begeistert und auch der männliche Hintergrundgesang setzt eine angenehme vokale Zusatznote zum daraufhin wieder sehr weinerlich wirkenden Gesang des folgenden Songs „Alexandria“.

KATY KIRBY spricht bei ihren Songs von 'Country-Liebesliedern' und knüpft damit zugleich an ihr hoch gelobtes Debüt-Album „Cool Dry Place“ an, bei dem sie sich zugleich von ihrer strenggläubigen evangelischen Erziehung befreite: „Es gibt eine Tradition der Sehnsucht in Country-Liebesliedern. Normalerweise gefallen mir die männlichen Sehnsuchtsliebeslieder besser. Doch ich dachte darüber nach, was ich an einer Frau lieben würde, wenn ich in sie verliebt wäre. Vor allem, wenn sie jemand wäre, den ich nicht anfassen könnte, nach dem ich mich aber sehne.“

Nun also folgt dieser Loslösung auch ihre sexuelle Befreiung. Und selbst ein leichtes Funk-Appeal der FEIST-Marke in „Drop Dead“ schafft es da nicht, diese insgesamt bedrückende Grundstimmung des Albums zu vertreiben.

Ein wirklicher Genuss ist leider – trotz all dieser Hintergründe – „Blue Raspberry“ auf Dauer nicht, obwohl das LP-Cover mehr Leben und Lust verspricht, als uns auf den insgesamt 11 Songs dann erwartet. Leider klingt zudem die Produktion der LP etwas verwaschen und nicht so klar – doch auch das könnte durchaus Absicht sein, wenn die Musikerin nicht nur auf der Suche nach sich selbst, sondern auch nach der neuen Ausrichtung ihrer Musik, die für sie nun den richtigen Weg darstellt, ist.

Nunmehr trifft also Folk auf oft Orchestrales und natürlich die poetischen Selbstfindungstexte, denen noch immer eine Form von Unsicherheit und Trauer anzuhören ist. Optimismus klingt anders – aber dieser Hoffnungsschimmer leuchtete ja selbst auf Kirbys Debüt nicht sonderlich hell. Musik für die schattigen und in sich gekehrten Momente, denen man sich durchaus auch gerne, aber nicht zu inständig hingibt.

FAZIT: Das schwere zweite Album, nachdem KATY KIRBY mit ihrem Debüt viel Anerkennung erhielt und stellenweise richtig abräumen konnte. Vielleicht hätte die Musikerin, die sich während der Aufnahmen zu „Blue Raspberry“ bewusst wurde, dass sie queer ist, sich einfach mehr Zeit für sich und den Nachfolger ihres Debüts lassen sollen. Hat sie aber nicht und so ist ihr zweiter Album-Versuch ein insgesamt zu ruhig und melancholisch ausgefallener Tonträger geworden, der uns auch textlich eine Musikerin auf der Suche nach ihrem Weg präsentiert, der trotz breit angelegter Streicher und Bläser den Fokus eindeutig auf Kirbys Stimme richtet. Doch die hat nicht wirklich das zu bieten, was man bei den nachdenklichen, ruhigen und oft melancholischen Songs atmosphärisch erwartet, sodass mitunter eine gewisse Weinerlichkeit – die eigentlich nach der Queer-Erkenntnis nicht angebracht sein sollte – sich auf „Blue Raspberry“ breitmacht.

Thoralf Koß - Chefredakteur (Info) (Review 1445x gelesen, veröffentlicht am )

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Tracklist:
  • Seite A (20:43):
  • Redemption Arc (3:21)
  • Fences (1:40)
  • Cubic Zirconia (4:04)
  • Hand To Hand (3:46)
  • Wait Listen (4:33)
  • Drop Dead (3:19)
  • Seite B (17:30):
  • Party Of The Century (2:40)
  • Alexandria (4:48)
  • Salt Crystal (3:21)
  • Blue Raspberry (4:41)
  • Table (2:00)

Besetzung:

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