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The Mysterines: Afraid Of Tomorrows (Review)

Artist:

The Mysterines

The Mysterines: Afraid Of Tomorrows
Album:

Afraid Of Tomorrows

Medium: CD/LP/Download
Stil:

Rock, Grunge, Post Punk, Psychedelia

Label: Fiction Records
Spieldauer: 44:54
Erschienen: 21.06.2024
Website: [Link]

Als die MYSTERINES 2022 ihr Debüt-Album „Reeling“ auf dem legendären Label „Fiction Records“ veröffentlichten, war die Band aus Liverpool bereits auf dem Next-Big-Thing-Karussell unterwegs und wurde beispielsweise vom Management gar vom europäischen Festland ferngehalten, um zunächst die Karriere der Band im UK und in den USA vorantreiben zu können. Als sie dann auch bei uns spielen 'durften', stellte sich heraus, dass dem Quartett dieser sicherlich karrierefördernde Aktivismus fast schon unangenehm war. So zeigten sich die Frontfrau und Bandgründerin Lia Metcalfe und ihre Jungs für eine britische Band auf dem Weg an die Spitze erstaunlich unblasiert und legten Wert darauf, festzuhalten, dass es ihnen gar nicht darum gegangen sei, mit dem Album „Reeling“ in die Charts zu kommen, sondern über die Studioproduktion ihren Live-Sound optimieren zu können. Die Live-Präsentation sei nämlich das, was der Band am Herzen liege – und der Grund dafür, warum das Projekt schon 2014 als Live-Band ins Leben gerufen wurde.

Das nun vorliegende zweite Album „Afraid Of Tomorrows“ ist aus einem anderen Holz geschnitzt als besagtes Debüt-Album. Nicht etwa, weil Metcalfe als Texterin ihren nachtschattigen Poesie-Dystopien versöhnlicher angegangen wäre, sondern weil die Band sich musikalisch mehr Freiraum nahm als auf dem Debüt und der Songstruktur, den Arrangements und der Soundgestaltung eine gesteigerte Bedeutung zukam. Definitiv ging es dieses Mal nicht mehr nur darum, den Live-Sound im Studio zu optimieren.


Thematisch geht es – wie schon der Titel vermuten lässt – um das Verarbeiten von Zukunftsängsten, Traumata, Neurosen und Verlusten, wobei die Musikerin in der Vergangenheit bereits betonte, dass sie ihre Seele dem Teufel verkauft habe und ergo gar nicht anders könne, als in der Düsternis am Rande des Abgrundes entlang zu lavieren, was die teils harsche Wortwahl ihrer Texte erkläre, in denen Blut, Schweiß und Tränen eine große Rolle spielen. Wie ernst ihr diese Aussage ist, erklärt indes die inhärenten Blues-Themen, die sich bis heute in der Musik der MYSTERINES wiederfinden.

Besonders ist ist zudem auch diesmal der Umstand, dass die Tracks bei aller Düsternis und Desolation vor allen Dingen auch immer eine kämpferische Note besitzen – beispielsweise die polternd rockende Single-Auskoppelung „Sink Ya Teeth“ oder der unerbittliche Grunge-Drone „Goodbye Sunshine“, aber auch der als Low-Fi-Folknummer angelegte Titeltrack. Im ganzen emotionalen und psychischen Chaos, das Metcalf mit ihren Lyrics zum Ausdruck bringt, gibt es ihrer Aussage nach jedoch immernoch Raum für „grenzenlose Liebe“ (wenn auch nur im Dunkeln).


Musikalisch indes ging die Weiterentwicklung weit weniger linear voran als die der lyrische Seite. Lead-Gitarrist Callum Thompson bemerkte hierzu, dass die MYSTERINES das Schreiben von Songs als eine Art Unterhaltung betrachten, zu der jeder seinen Beitrag leiste. Genau das zeichnet dieses Album aus. Der geradlinige Grunge-Rock-Sound, der noch das Debüt-Album definierte, wurde in struktureller, stilistischer und arrangementtechnischer Hinsicht dieses Mal aufgebrochen und erweitert.
Alle Songs bieten einen über die eigentliche Songbasis hinausgehenden produktionstechnischen Mehrwert, der sich durch dramatische Intros, Outros, Zwischenspiele, Dénouements oder dynamische Akzente auszeichnet. On Top gibt es dann rhythmische Spielereien durch in das Klangbild integrierte Perkussion-Elemente wie Shaker, Tambourines oder Rhythmusmaschinen sowie zusätzliche psychedelische Gitarreneffekte (und natürlich Soli), aus Samples oder Field-Recordings konstruierte Sound-Effekte und ein Sounddesign, das die Möglichkeiten einer kontrollierten Studioproduktion über das bloße Einfangen einer Live-Präsentation stellt. Besonders deutlich wird das dadurch, dass die Vocals klar und präsent im Zentrum der Produktion stehen und nicht etwa im druckvollen Band-Sound eingemischt wurden, wofür der Indie-Spezialist John Congleton in Los Angeles als Produzent hinter den Regeln saß. In Perfektion kling das aus den Single-Tracks „Stray“ oder „Sink Ya Teeth“ heraus, in denen alle Elemente effektiv zusammengeführt werden.


Andererseits sind die MYSTERINES Meister darin, mit pulsierenden Bassläufen wie in „Another Another Another“ oder schmirgelnden Grunge-Drones a la „Goodbye Sunshine“ Spannungen aufzubauen, die interessant aufgelöst werden. Neu ist auch der verstärkte Einsatz von akustischen Gitarren in der zweiten Album-Hälfte, was zu hymnischen Rock-Songs wie „Junkyard Angel“, Syd-Barrett-Psychedelia bei den Songs „Hawkmoon“ und „Inside A Matchbox“ oder eben zu dem bereits erwähnten Lagerfeuer-Singalong des Titeltracks „Afraid Of Tomorrows“ führt. Auch Keyboards wie das Mellotron in der elegischen Psychedelia-Dreampop-Hymne „So Long“ oder die Orgel in „Another Another Another“ gab es ebenfalls noch nicht zu hören, was die Musik deutlich zugänglicher macht.

Insgesamt beeindruckt „Afraid Of Tomorrows“ durch die musikalische Offenheit, mit der sich die MYSTERINES dem Material zuwenden, ohne sich dabei verbiegen oder gar verleugnen zu müssen. Auch wenn das Album nun in Los Angeles eingespielt wurde, haben die MYSTERINES ihre künstlerische Bodenhaftung und britische Identität offensichtlich keineswegs aufgegeben, da immer ihre Musik im Mittelpunkt steht.

FAZIT: Besonders angenehm fällt das zweite Album "Afraid Of Tomorrows" der MYSTERINES dadurch auf, dass Laura Metcalfe und ihre Jungs offensichtlich nicht darauf aus sind, mit großer Geste einen stadiontauglichen Nachfolger für ihr Debüt-Album zu erschaffen, sondern sich im Rahmen ihrer Möglichkeiten musikalisch weiterzuentwickeln und sich dabei auf Experimente und Wagnisse einlassen, anstatt den bisher eingeschlagenen Weg konsequent weiter zu verfolgen. Sie suchen also ihren Weg in neuen Herausforderungen anstatt in der Optimierung ihrer Fähigkeiten.

Ullrich Maurer (Info) (Review 1324x gelesen, veröffentlicht am )

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Wertung: 12 von 15 Punkten [?]
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Tracklist:
  • The Last Dance
  • Stray
  • Another Another Another
  • Tires Animal
  • Jesse You're A Superstar
  • Hawkmoon
  • Sink Ya Teeth
  • Junkyard Angel
  • Goodbye Sunshine
  • Inside A Matchbox
  • So Long
  • Afraid Of Tomorrow

Besetzung:

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