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Interview mit Jolly (02.04.2011)

Jolly
Die amerikanischen Progrocker JOLLY sind eine mehr als außergewöhnliche Band. Sie machen auf ihrem zweiten Album "The Audio Guide To Happiness (Part 1)" nicht nur ausgesprochen gute Musik, sondern verwenden auch sogenannte binaurale Töne (Erläuterung), um das Gehirn des Hörers unbewusst zu stimulieren. Alles nur ein guter Marketing-Gag oder steckt doch mehr dahinter? Wir baten Keyboarder Joe Reilly zum Interview.

Hallo Joe. Glückwunsch erstmal zu eurem neuen Album "The Audio Guide To Happiness (Part 1)", das wirklich beeindruckend geworden ist. Wie du dir sicher vorstellen kannst, habe ich einige Fragen zu eurem Konzept. Die erste ist ein bisschen ketzerisch, aber nicht als Angriff zu verstehen. Dieser ganze Kram über binaurale Töne und ihre Effekte - ist das nicht eigentlich nur eine Marketing-Sache? Zumindest könnte es ja zumindest als Anreiz, das Album zu kaufen, funktionieren, einfach nur um die Effekte zu erleben, die ihr bewerbt.

Kein Problem. Ich denke, dass alles, was man in der Musikindustrie macht, teilweise Marketing ist, weil schließlich alles, was ein Musiker mit sich trägt, sei es die politische Einstellung oder das Lieblingseis am Stiel, in den Markt gebracht wird. Ein Problem entsteht meiner Meinung nach erst, wenn man wenn etwas macht, an das man nicht glaubt oder wo man eigentlich anderer Meinung ist, einfach nur um des Marktes Willen. Unser Songwriting und unsere Liveauftritte sind also genauso Marketing, wie die binauralen Töne, aber wir glauben an all diese Dinge und wollen sie auch wirklich machen.

Ok, ich denke ja auch selber, dass mehr da hinter steckt. Wie seid ihr also auf die Idee gekommen, Progressive Rock mit diesen Tönen zu kombinieren?

Unser Sänger Anadale kam schon sehr früh in der Bandgeschichte damit an. Meist findet man binaurale Töne in Entspannungsmusik, wir dachten also, dass es interessant wäre, sie mit Rockmusik zu verbinden und zu sehen, was dabei heraus kommt.

Wenn man sich bei Wikipedia über dieses Phänomen informiert, erfährt man etwas über jemanden namens Heinrich Wilhelm Dove, der es als erster entdeckt hat. Wie stark habt ihr seine Forschungen studiert und welche anderen Personen sind wichtig, wenn man sich über das Thema informiert?

Das einzige Mal, dass ich jemals etwas über Doves Forschungen gelesen hab, war in einem Akustikkurs, als ich Maschinenbau an der Universität studiert habe. So weit ich weiß, hat er das Konzept der binauralen Töne entdeckt, nachdem scheinbar Schläge zu hören sind, wenn jedem Ohr Töne in leicht abweichender Frequenz zugeführt werden. Aber es war Gerald Oster, der Pionierarbeit dahingehend geleistet hat, diese Töne in kognitive und neurologische Forschung einzubringen. Ich habe mehr und mehr darüber gelesen, als wir uns dafür entschieden haben, binaurale Töne zu verwenden. Da ich einen wissenschaftlichen Hintergrund habe, war ich von den Forschungen, die dort gemacht wurden, sehr fasziniert.

Im Promoblatt ist von ausführlichen Forschungen an und Fragebögen von mehr als 5.000 Teilnehmern zu lesen. Wie kam es dazu und habt ihr diese Forschungen selber gemacht? Oder mit wem habt ihr da zusammengearbeitet?

JollyNein, die Forschungen haben wir nicht selber gemacht, ich kenne ja auch keine 5.000 Leute. Die wissenschaftliche Seite des Albums war in gewisser Weise eher ein Zufallsprodukt. Wir waren an binauralen Tönen interessiert und hatten zudem das Gefühl, dass unsere Musik dynamisch ist und eine Vielzahl von Emotionen hervorrufen kann. Wir wollten diese Konzepte miteinander verbinden und wollten sehen, wie wir unsere Musik dazu bringen können, einen medizinischen Effekt zu haben und bei den Leuten Freude zu produzieren. Wir wollten es aber auch auf Reaktionen und Feedback von Testpersonen basieren lassen, so ähnlich, wie Firmen, die Kundenumfragen machen, wenn sie ihre Produkte entwickeln. Meine Schwester ist Universitätsprofessorin und ein paar ihrer Kollegen bekamen Wind von unserer Musik und der Idee, die wir hatten. Daher kamen dann die Forschungen. In gewissem Maße waren wir noch involviert, aber sie haben die ganze Arbeit mit Fragebögen und Datensammlung gemacht.

Auf dem Album ist ein Warnhinweis abgedruckt. Ist der ernst gemeint? Und wenn ja, wie und warum können binaurale Töne gefährlich sein?

Ich beginne diese Antwort damit, zu betonen, dass binaurale Töne nur dann erfahren werden können, wenn man mit Kopfhörern hört. Diese Warnung gilt also nicht, wenn man unsere Musik durch normale Lautsprecher hört. Das sollte man wissen, nicht dass die Leute sich weigern, unsere Musik zu kaufen, weil sie Angst vor binauralen Tönen haben. Es heißt, dass binaurale Töne Menschen, die an Epilepsie leiden, beeinflussen können. Schlaganfälle können durch abnormale neurologische Impulse ausgelöst werden und es gibt Studien, die vermuten lassen, dass die Synchronisierung der Gehirnwellen, die durch diese Töne verursacht wird, den Schlaganfallsreflex triggern kann. Das gleiche wurde für Menschen mit Herzproblemen gezeigt. Im Hinblick auf Autofahren und die Arbeit an schweren Maschinen ist die Befürchtung die, dass gewisse binaurale Tonfrequenzdisparitäten dazu benutzt werden, Tiefschlaf zu produzieren. Deshalb warnen manche Experten die Leute davor, damit sie mit dem Auto nicht die Klippe herunterstürzen oder ihre Finger im Schredder verlieren.

Ein großartiger Song wie "Joy" macht auch ohne irgendwelche binauralen Töne glücklich, eben weil er einfach ein großartiger Song ist. Als gute Songschreiber und Musiker braucht man also keine binauralen Töne, um den Hörer glücklich zu machen. Wie können die Töne denn einen Song noch unterstützen, der eh schon sehr gut ist?

Ich stimme zu, ein Song wie "Joy" "braucht" keine binauralen Töne. Und der wissenschaftliche Aspekt unseres Album ist auch nicht der Versuch, etwas aufzuwiegen; die Musik steht für sich selbst. Ich würde euren Lesern sagen, dass sie es einfach ignorieren sollen, wenn sie von diesem Konzept abgeschreckt sind. Auch abseits der wissenschaftlichen Aspekte des Albums, macht es eine generelle Aussage über die Kraft von Musik und die therapeutische Rolle, die sie in unserem Leben spielen kann. Andererseits können binaurale Töne aber eine verbesserte Erfahrung schaffen, die über die von guter Musik hinaus geht. Ihr könnt es ja einfach mal vergleichen, wie es ist, über Kopfhörer und Lautsprecher zu hören. Lasst uns wissen, was ihr fühlt, wir wollen ständiges Feedback.

Kann es sein, dass Musiker manchmal unbewusst oder unwissentlich binaurale Töne in ihre Musik einfließen lassen oder ist das etwas, das man nur ganz bewusst, willentlich und mit einem gewissen wisschenschaftlichen Wissen machen kann?

Einfache binaurale Töne in Musik einfließen zu lassen erfordert kein spezielles Wissen. Man kann sich im Internet welche anhören, sie sind zwar wirklich nervig, aber werden sehr hypnotisch. Wir verwenden verschiedene Typen von Tönen auf dem Album, um bestimmte Emotionen zu fördern, aber ihre grundsätzliche Einbeziehung erfordert nichts Spezielles. Sie werden aber bewusst eingefügt, ein Künstler kann sie also nicht unwissentlich hinzufügen. Allerdings wäre ich nicht überrascht, wenn dieser Bieber-Bengel seiner Musik Crack beimengen würde...

Ok, ich würde dann jetzt gerne mehr über die Musik an sich sprechen. Ich habe eure Musik als eine Mischung aus DREAM THEATER, RIVERSIDE und TOOL beschrieben. Kannst du diese Beschreibung teilen?

Ich habe schon öfter solche Vergleiche und auch ein bisschen Musik all dieser Bands gehört, ich kann da also schon zustimmen. Es ist definitv eine Ehre, mit solchen Bands, die so viel in ihren Karrieren erreicht haben, verglichen zu werden. Ehrlich gesagt habe ich aber von keiner dieser Bands viel gehört, also ist es vielleicht ihnen oder uns gegenüber nicht fair, wenn ich mich dazu äußere.

Gibt es Bands oder Musiker, die du als einflussreich für JOLLY bezeichnen würdest?

Hauptsächlich Bands der Rock- und Grunge-Ära der 90er: RADIOHEAD, SMASHING PUMPKINS, SOUNDGARDEN, ALICE IN CHAINS, STONE TEMPLE PILOTS und A PERFECT CIRCLE. Außerdem ein paar Pop- und New Wave-Künstler wie TEARS FOR FEARS, DEPECHE MODE, MICHAEL JACKSON und GEORGE MICHAEL. Ich höre außerdem gerne Filmmusik und seit neuestem auch viel Vocal Jazz (BILLIE HOLIDAY, ELLA FITZGERALD), das ist für mich wie düsterer Pop.

Was ist denn der musikalische Hintergrund der einzelnen Bandmitglieder? Ich frage, weil das Album technisch nahezu perfekt und hoch professionell klingt. Ich schätze mal, da stecken ein paar Jahre Erfahrung im Musik machen hinter.

Das ist schön zu hören, danke für das Kompliment. Ehrlich gesagt ist niemand von uns musikalisch ausgebildet oder ist da auf eine Schule gegangen. Ich bin noch nicht einmal sicher, ob einer von uns jemals Unterricht bekommen hat. Wir haben alle einfach sehr früh angefangen, unsere Instrumente zu spielen und waren alle begeistert davon. Wir haben aber auch sehr viel Wert darauf gelegt, das Album auf technische Weise aufzunehmen und zu produzieren.

Der meiner Meinung nach beste Song auf dem Album ist gleichzeitig der härteste, ich rede natürlich von "The Pattern". Was denkst du über die Nummer?

"The Pattern" resultiert aus einer intensiven Schreibsession, in der wir einige Tage sehr viel daran gearbeitet haben, ihn zu strukturieren. Meine Reaktion danach war erstmal "Der ist glaube ich ganz gut!?". Es ist erstaunlich, wie die Dinge sich dann drehen. Ein paar Teile des Songs haben wir bei den Aufnahmen dann überarbeitet, aber in seiner finalen Form hat der Song meine Erwartungen wirklich übertroffen.

Kannst Du erklären, warum das Album in vier Phasen aufgeteilt ist? Warum ist das wichtig und warum sind die Songs in dieser bestimmten Reihenfolge?

JollyDas ganze Album ist als psychologische Reise durch das emotionale Spektrum mit dem ultimativen Ziel, Zufriedenheit zu erreichen, zu verstehen. Die Phasen repräsentieren Meilensteine auf diesem Pfad. Die Reihenfolge der Songs chronologisiert, wie der Hörer den verschiedenen emotionalen Aspekten, die vorgestellt werden, positiven wie negativen, ausgesetzt wird. Sie ist wichtig für die Wahrnehmung des Hörers und dafür, diese Aspekte zu verstehen. Das repräsentiert für uns wahre Zufriedenheit.

Ich schätze mal, dass der zweite Teil des Albums schon aufgenommen und fertig gestellt ist. Warum habt ihr nicht beide Teile als Doppel-CD veröffentlicht?

Wir hatten das Gefühl, dass es zuviel zu verdauen wäre, wenn man alles zusammen veröffentlicht hätte und dass dies die Aufmerksamkeit für die Songs reduziert hätte. Wir wollten, dass die Leute mit den ersten beiden Phasen gut vertraut sind, bevor sie die zweite Hälfte hören.

Teil eins kommt in einem schmalen Digipak und hat schon alle Texte und die Tracklist von Teil zwei abgedruckt. In welcher physischen Form wird denn dann Teil zwei veröffentlicht?

Da sind wir uns noch nicht sicher, hoffentlich in einer Cornflakes-Packung mit einem Überraschungsspielzeug und einem aufgedruckten Labyrinth auf der Rückseite!

Wenn man davon ausgeht, dass die beabsichtigten Effekte erst eintreten, wenn man alle vier Phasen hört, scheint es eher kontraproduktiv zu sein, die beiden Teile zu unterschiedlichen Zeitpunkten zu veröffentlichen - die Leute können diese Effekte ja nicht erleben, wenn sie nur Teil eins hören oder liege ich da falsch?

Du hast damit recht, dass das Erreichen des Glücklichseins am Ende von Teil zwei erfolgen soll. Trotzdem denke ich nicht, dass die separate Veröffentlichung zwangsläufig kontraproduktiv ist. Ich denke man kann sagen, dass der Weg das Ziel ist. Manchmal kann uns das Licht am Ende des Tunnels an wirklich bedeutungsvollen Dingen auf dem Weg vorbeiführen. Zum Beispel wenn ein Kind das Gitarrenspiel lernen will und ein Buch kauft, auf dem auf der ersten Seite Noten auf der E-Seite zu spielen stehen und auf der letzten "Stairway To Heaven" besteht die Gefahr, dass er oder sie die Zwischenschritte nicht gut gebraucht und direkt dazu übergeht, sich an dem Song abzurackern. Wenn man es aber dahingehend aufteilt, dass Buch eins mit Noten auf der E-Seite anfängt und bis zu Basis-Akkorden reicht und Buch zwei von den Basis-Akkorden bis zu "Stairway" reicht, dann hat das Kind bessere Möglichkeiten, das Ziel zu erreichen. Okay, okay, das erklärt es vielleicht nicht so wirklich, aber der Vergleich ist doch nicht schlecht, oder?

Passt schon, ich weiß, worauf du hinaus willst. Könnt ihr die binauralen Töne eigentlich in einem Konzert reproduzieren oder ist das unmöglich?

Wir haben darüber diskutiert. Zur Zeit benutzen wir keinen binauralen Töne in Konzerten, aber es gibt eine andere Art von Tönen, die isochronische Töne heißen, mit denen ähnliche Effekte erzielt werden können, auch ohne die Verwendung von Kopfhörern.

Ihr habt im Vorprogramm von RIVERSIDE gespielt - wie war's? Und wo habt ihr mit ihnen gespielt?

Es war großartig! Beide Bands (RIVERSIDE und PURE REASON REVOLUTION) waren wirklich tolle Leute und sehr einladend. Wir haben in der Turbinenhalle in Oberhausen und im Colos-Saal in Aschaffenburg gespielt.

Gut, eine mehr oder weniger philosophische Frage zum Schluss. Angenommen, dass diese binauralen Töne in der Lage sind, die Menschen stark zu beeinflussen, könnten sie ja in gewisser Weise eine gefährliche "Waffe" sein. Eine Regierung, die ihre Bürger zufrieden und glücklich halten will, um sie einfach ruhig zu stellen, könnte ja das Radio und das Fernsehen benutzen, um binaurale Töne zu senden. So ähnlich wie Regierungen, die dem Trinkwasser Fluoride zufügen, damit die Leute keine Karies bekommen. Was denkst du über diesen fiktiven Gedanken? Ist doch eine nette Geschichte, für eine Verschwörungstheorie, oder?

Ich bin nicht so für Verschwörungstheorien, aber das wäre echt eine gute Geschichte. Am Ende des Films würden die Leute anfangen, ihre Kopfhörer zu verbrennen, um sich von der kontrollierenden Regierung zu befreien. Zwar bekommt dann jeder Karies und Zahnfleischentzündung, aber immerhin sind sie dann frei.

Genau. Dann mal danke fürs Beantworten meiner Fragen, die letzten Worte gehören dir.

Danke dir und musikreviews.de für das Interview. Wenn die Leser mehr über uns wissen wollen, sollen sie www.jollyband.com besuchen oder uns über jolly@jollyband.com emailen. Wir interagieren gern mit unseren Fans.

Jolly

JOLLY loves you.

Andreas Schulz (Info)
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