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Interview mit Heaven Shall Burn (03.05.2013)
Mit „VETO“ melden sich HEAVEN SHALL BURN mehr als eindrucksvoll zurück und es ist wohl nicht übertrieben, wenn man vom bisher besten Album der Thüringer Band spricht. Selbst die Bild-Zeitung wurde auf die Band aufmerksam, wenngleich die Kollegen von der Regenbogenpresse keinen blassen Schimmer zu haben scheinen, worum es der Band so geht. Ein paar Tage vorher rief Gitarrist Maik Weichert an und nahm sich genug Zeit, alle Fragen ausführlich zu beantworten. Dabei geht es nicht nur um das neue Album, sondern auch um Wutbürger, wildgewordene Frauenhorden und eine gewisse Band aus Südtirol.
Hallo Maik, wie geht es Dir?
Mir geht’s gut, ja. Ein bisschen aufgeregt, am Freitag kommt die Platte, da schaut man ja schon immer nach jedem Review, mit jedem guten Review schwillt die Brust und mit jedem schlechten Review wird der Buckel größer. Das ist bei jedem Musiker so, wer da was anderes behauptet, der lügt.
Also liest du tatsächlich die Reviews, die über euch geschrieben werden?
Was meinst du?
Es gibt ja viele Musiker, die sagen, dass sie das gar nicht interessieren würde und sie das gar nicht erst lesen…
Ach so, ja, ne ne, das interessiert mich sehr, besonders die schlechte Reviews, die konstruktiv sind. Das hat uns schon oft vorangebracht als Band. Das muss man ehrlich sagen. Da wäre man ja auch blöd, wenn man solche Hinweise nicht auch mal überdenkt, da haben wir schon oft was gefunden, wo wir im Nachhinein gesagt haben, dass wir das was hätten verbessern können.
Ein Großteil der Reviews zu „VETO“ fällt aber recht positiv aus, oder?
Also, wir haben noch nie so viel positive Resonanz auf eine Platte bekommen. Bei den Reviews, die richtig negativ sind, merkt man auch, dass das die Art von Journalist ist, die sich selbst darstellen wollte und nicht die Band. Da sind dann so handwerkliche Fehler drin, wie dass „Valhalla“ nicht als Coversong erkannt wird oder solche Sachen. Das disqualifiziert sich dann schon ein Stück weit selber.
Hast du denn schon genug Abstand zur Platte, um sie in eigenen Worten zu beschreiben?
Nee, überhaupt nicht. Ich hab die Platte jetzt bestimmt schon tausend Mal gehört, vom Songwriting bis zum Checken der CD aus dem Presswerk. Natürlich kann ich sie beschreiben, aber das wird dann auf keinen Fall eine objektive Beschreibung sein. Und schon gar keine kritische.
Aber dass es euer bislang abwechslungsreichstes Album ist, würdest du auch selber sagen, oder?
Das beginne ich zu spüren, ja, das kann man schon unterschreiben. Das Gefühl wird sich auch noch verstärken. Wenn man mich da fragt, sage ich immer, dass der Unterschied zu früher ist, dass die Abwechslung früher innerhalb der Songs stattfand, da war dann ein Death-Metal-Riff, dann kam was Hardcoriges, dann kam ein Thrash-Metal-Riff und vielleicht noch was Doomiges und das alles innerhalb eines Songs. Jetzt ist das eher so, dass es einen Thrash-Song gibt, einen Death-Metal-mäßigeren oder einen melodischeren Song, also dass die Songs an sich ein bestimmtes Thema haben, nicht verschiedene musikalische Themen innerhalb der Songs. Dadurch hört sich das eher nach Abwechslung an. Das ist schon ein bisschen ein anderes Rezept diesmal.
Ich hab das Gefühl, dass das Album insgesamt ziemlich hart ausgefallen ist. Eure Musik ist ja nicht per se unkommerziell, aber es ist im Vergleich zum Vorgänger auf keinen Fall kommerzieller geworden. Müsst ihr da manchmal der Versuchung widerstehen, auch mal ein bisschen kommerzieller zu werden oder gibt es diese Versuchung bei euch gar nicht?
Ich bin sowieso komplett erstaunt, wie weit man mit so harter Musik kommen kann. Ich hätte nie im Leben gedacht, dass wir im deutschsprachigen Teil Europas mit so harter Musik so einen Status erreichen können. Wir haben letztes Jahr auf irgendwelchen Festivals zwischen Kraftklub und Beatsteaks gespielt. Das finde ich schon erstaunlich. Aber eine Versuchung gibt es da eigentlich nicht, weil wir mit HEAVEN SHALL BURN auch keine kommerziellere Musik machen können. Das ist gar nicht drin, ohne dass das Qualitätslevel sinkt, zumindest bis jetzt nicht. Ich denke schon, dass wir auf der neuen Platte melodischer geworden sind, aber gleichzeitig sind die härteren Teile auch härter geworden, das stimmt. Ich denke, es hat sich in beide Richtungen entwickelt.
Ich finde, dass der Sound wesentlich besser geworden ist, als auf „Invictus“. Im Promozettel sagt ihr ja auch selber, dass ihr euch die Kritik da zu Herzen genommen habt. Könnt ihr die Kritik denn auch nachvollziehen?
Ja, absolut. Das ist so ne Sache, die ich vorhin meinte. Das hat uns der Tue Madsen schon beim Mixen gesagt: „Leute, ich mach euch das, wenn ihr das so wollt, aber das ist zu viel, glaubt es mir.“ Wir wollten es nicht glauben und nach zwei Jahren schleichst du dann mit hängendem Kopf ins Studio zurück und sagst „Ja, du hast Recht gehabt“, es ist immer das Gleiche. Das auf jeden Fall. Wenn man einen einzelnen Song von der Platte hört, klingt der ultrabrutal und echt krass, aber die Platte auf Kopfhörern über die komplette Distanz durchzuhören, das ist nicht möglich. Auch ich schaff das nur an einem guten Tag. Da wollten wir zu viel, das ist das typische, klassische überproduziert. Da haben wir ganz bewusst einen kleinen Schritt zurück gemacht und da ist weniger auf jeden Fall mehr. Das war Kritik, die auch berechtigt war und die haben wir uns auch zu Herzen genommen.
Was habt ihr denn konkret anders gemacht im Hinblick auf den Sound?
Wir haben uns noch etwas mehr Mühe beim Einspielen gegeben und alles noch genauer eingespielt. Was heute heißt, dass man die Songs in noch kleinere Stücke zerteilt und einmal mehr mit dem Computer drüber schaut. Das sind einfach die Sound- und Produktionsstandards heutzutage. Und auch beim Mastern auch wir den Loudness-Button auch nicht so fest gedrückt, das war auch eine ganz entscheidende Sache.
Es gibt ja zwei Mixe, einmal den von Tue Madsen und einen von Colin Richardson. Warum?
Warum? Nun ja, wer hat, der kann, ne? Irgendwie hatten wir noch Geld übrig und Colin Richardson hatte uns geschrieben, dass er Bock hätte, die Platte zu mixen, ob wir denn schon jemanden haben. Das ist natürlich der Ritterschlag, wenn sich so jemand meldet. Wir waren schon immer riesengroße Fans von ihm, aber „never change a winning team“, also wollten wir Tue Madsen da auch nicht rauskicken und da haben wir einfach gedacht, dass wir das zwar nicht als Competition sehen, aber man kann ja einfach mal schauen, das kann ja nicht schaden. Am Schluss kamen dann zwei so coole Mixe raus, dass wir uns gar nicht richtig entscheiden konnten und jetzt veröffentlichen wir sie beide, also ohne Mehrpreis für den geneigten Fan. Ich sag mal, deine Mutter oder meine Oma wird da auch keinen Unterschied hören, also jemand, der sich in der Musik und der Materie nicht auskennt, aber für Leute, die auf Studiosounds und Produktionen stehen und da interessiert sind, gibt es schon einige Sachen zu entdecken, was bei dem jeweiligen Mix anders gemacht wurde.
War denn von vorne herein klar, dass der Madsen-Mix der offizielle ist und der Colin-Mix nur so ein Bonus?
Das war eigentlich nicht klar. Das hat sich dadurch geklärt, dass in England dieses riesengroße Schneechaos war und wir dadurch leider nicht hinfliegen konnten, um die Platte mit ihm zu mixen. Colin war auch im Studio eingeschneit und konnte da nicht weg und wir nicht hin und nur Internet ging. Wir haben dann gesagt, mach doch die Platte einfach, wie du denkst, bring so viel rein von dir wie du willst, du hast ja eh gerade nix zu tun. Aber dadurch steckt natürlich auch viel weniger von unseren Ideen da drin, da konnten wir uns bei Tue Madsen sehr viel mehr einbringen, dadurch ist das dann sozusagen der Hauptmix geworden. Aber es werden ja beide Mixe innerhalb kürzester Zeit auch im Internet kursieren, da kann sich jeder für seinen Liebling entscheiden.
Gab es abgesehen von der Verbesserung des Sounds noch andere Zielsetzungen für das neue Album oder habt ihr einfach drauf los geschrieben und habt geguckt, was dabei herauskommt?
Bei den Sachen, die wir verbessern wollten, hatten wir auf jeden Fall den Sound auf dem Schirm. Dass wir coole Songs schreiben wollen und möglichst noch bessere Songs als früher, das hat man natürlich immer vor. Aber das müssen letztlich die Leute entscheiden, das kann man nicht beeinflussen. Aber bei den Sachen, die wir beeinflussen können, lag das Hauptaugenmerk in Sachen Veränderung auf jeden Fall auf dem Sound.
Gab es Diskussionen über das Coverartwork? Das ist ja im Hinblick auf die Aussage und des ersten Song des Albums durchaus passend, aber wirkt für eine Band wie euch erst einmal ein bisschen ungewöhnlich.
Wir haben da schon drüber diskutiert. Alle fanden das Bild cool, aber Überlegungen, ob man nicht doch was Besseres findet oder noch ne coolere Idee hat, gibt es immer. Aber ich bin ja auch der künstlerische Leiter der Band, wenn man es mal in der Theatersprache betrachten will und insofern kommen da doch die meisten Ideen von mir und allen hat dann am Ende das Cover mit der Godiva am besten gefallen. Sonst hat man ja ein Artwork für ein paar tausend Euro, jetzt haben wir eines, das ein paar Millionen wert ist und das ist ja auch künstlerisch eine ganz andere Qualität. Und es ist mal was anderes. Ganz lustig war, dass wir das Cover auf dem Höhepunkt des Pferdefleischskandals veröffentlicht haben und alle Leute gedacht haben, das wäre so ein HSB-typischer Gag und das Cover überhaupt nicht ernst genommen haben. „Das ist doch niemals das echte Cover, das kann doch nicht sein, nacktes Menschenfleisch auf einem Pferd, is klar.“ In der Phase hatten wir dann doch ein bisschen Stirnrunzeln, weil wir Angst hatten, dass das nicht ganz ernst genommen wird. Aber sonst wird das Cover ganz gut angenommen. Es gibt natürlich auch Leute, denen das gar nicht gefällt, aber gerade im Metal hat die Verwendung von klassischen Bildern oder bekannten Gemälden auch eine Tradition.
Wen musstet ihr da um Genehmigung fragen?
Der Mann (der Maler John Collier - d. Verf.) ist ja schon lange genug tot, dass man da eigentlich keine Genehmigung braucht. Aber um an einen optimalen Scan heranzukommen, haben wir uns dann doch mit der Galerie in Coventry, in der das Bild hängt, in Verbindung gesetzt und haben da einen sehr sehr guten Scan von dem Bild bekommen und haben den dann lizensiert. Im Endeffekt sind das die gleichen Kosten, wie wenn du ein Artwork bei einem Künstler in Auftrag gegeben hättest.
In dem Song „Godiva“ heißt es übersetzt „wann wirst du wieder reiten“. Ist das dahingehend zu verstehen, dass es heutzutage zu wenig Widerstand und Protest gibt?
Ja, genau. Wann wird einfach mal wieder jemand aus der herrschenden Elite, der die Macht dazu hat, das Wort ergreifen, etwas sagen und tun, während er die Macht hat und nicht immer nur hinterher? Darum geht es auch in dem Song „Die Stürme rufen dich“, dass viele Machthaber erst immer zum Gutmenschen oder Weltverbesserer mutieren, wenn sie die Macht abgegeben haben. Al Gore, Jimmy Carter oder in Deutschland Heiner Geißler und Norbert Blüm. Die labern jede Talkshow voll mit ihren Weltverbesserungsvorschlägen, aber als sie selbe im Ministerrang waren oder an der Regierung beteiligt, kam da gar nichts. Das ist so dieses „when will you ride again“, dass mal wieder jemand, der auch die Macht in der Hand hat, sich solcher Aufgaben annimmt und sich dieser Verantwortung bewusst ist.
Da geht es ja auch um soziale Ungerechtigkeiten und den Widerstand dagegen. Wie würdest du das Konfliktpotenzial diesbezüglich in Deutschland sehen? Im Grunde genommen ist es ja noch recht ruhig bei uns, in Frankreich gehen die Leute viel schneller auf die Straße und dann knallt es da viel eher, während es in Deutschland seit Jahren relativ ruhig ist und nicht abzusehen ist, dass da auch mal ein Aufstand von den Benachteiligten kommt.
Wer war das? Tucholsky oder irgendjemand hat gesagt, dass in Deutschland wegen schlechten Wetters die Revolution in der Musik stattfand. Das passt eigentlich ganz gut. Bei McDonalds gibt es Burger für 99 Cent, RTL sendet durchgehendes Programm – warum soll in Deutschland jemand rebellieren? Den Leuten geht es einfach noch viel zu gut und es gibt auch einfach diese Tradition nicht. Der Deutsche ist so hörig und vertraut darauf, dass das schon alles in Ordnung ist und dass das alles so gut ist. Schau dir das doch mal an: 50 oder 60% der Bevölkerung würden Angela Merkel zur Kanzlerin wählen und davon sind mindestens 40 oder 50% der Leute, die sie wählen würden, garantiert nicht das Klientel, für das sie Politik macht. Und trotzdem findet das so statt. Da sind die Deutschen ganz gut konditioniert , das hat in Spanien, Italien und Frankreich, also den romanischen Ländern, schon eine ganz andere Tradition, dass da Politikern oder der Staatsmacht gegenüber, wenn etwas nicht passt, direkt gegenüber aufgetreten wird. Das ist eine direktere Form von Demokratie.
Wie glaubst du denn würde die Reaktion der Machthaber bei uns in Deutschland ausfallen, wenn die Proteste dann doch mal lauter und stärker würden oder wenn überhaupt mal Protest käme? Würde es dann auch so wie in eurem Song „Fallen“ passieren?
Ja ja, natürlich, klar. Das gibt es ja schon, das hat man ja bei der 68er-Bewegung zum Beispiel bei Rudi Dutschke gesehen. Der war ja wirklich dabei, die Leute zu infizieren und viel Macht in die Hand zu bekommen, weil die Leute angefangen haben, ihm zu glauben und zu folgen. Der wird dann halt von einem „Verrückten“ über den Haufen geschossen, mit dem natürlich niemand irgendwas zu tun hat. Solche Sachen passieren dann natürlich, so reagiert dann eine machthabende Elite, wenn ihre Macht bedroht wird. Da bin ich der Überzeugung, dass das heutzutage auch wieder so sein würde. Da sind dann bestimmte Politiker, die liegen in irgendwelchen Hotels in Badewannen oder man findet Kinderpornos auf deren Computer.
Der Begriff „Wutbürger“ ist eigentlich lächerlich, oder?
„Wutbürger“ ist so ein bisschen ein Running Gag bei uns in der Band, wenn sich mal einer aufregt, wird er gleich zum Wutbürger degradiert. Der Begriff selber ist ja eher so eine Art Verharmlosung, in Bürger steht ja auch dieses Bieder-bayrische, dieses Gehorsame mit drin. Und trotzdem hat er Wut, macht dann am Ende aber doch nichts, sondern reißt nur das Maul auf, wenn derjenige, den es angeht, nicht da ist oder nicht die Rute in der Hand hat. Das ist eigentlich schon eine Tautologie.
Wir haben ja dieses Jahr wieder Bundestagswahl. Hattet ihr das im Kopf, als es um das Album ging, zum Beispiel beim Albumtitel?
Beim Albumtitel hatten wir das nicht im Kopf, aber das würde natürlich passen. Wir überlegen aber, ob wir einen der Songs mit einer bestimmten Thematik vielleicht noch um die Wahl herum als Video verwursten. Das könnte man schon zum Thema machen?
Was erwartest oder erhoffst du von der Wahl?
Was ich mir von der Wahl erhoffe? Am liebsten wäre es mir natürlich, wenn die FDP nicht in den Bundestag kommt. Es ist halt die Frage, was man sich von der Wahl oder was man sich von seinem Leben erhofft. Bei der Wahl ist es wie in der Fußballbundesliga, wer da Deutscher Meister wird verändert in deinem Leben auch nicht wirklich was. Die Form von Demokratie die in Deutschland gerade stattfindet oder in westlichen Systemen, die sogenannte freiheitlich-demokratische Grundordnung, hat mit der eigentlichen Idee vom Grundgesetz in der Ausführung eigentlich nicht mehr so viel zu tun, das finde ich schade. Das dient eigentlich nur der Legitimation der herrschenden Verhältnisse im Moment. Ich würde auch im Grundgesetz durchaus eine direktere Form der Demokratie wünschen, mit mehr Bürgerentscheiden und solche Sachen. Schau doch mal als das letzte oder vorletzte Mal Landtagswahlen in Baden-Württemberg oder Bundestagswahlen waren, die Leute in Stuttgart hatten doch keine Ahnung, wie teuer dieser scheiß Bahnhof auf einmal wird. Und dann sollen sie mit ihrer Wahl von vor fünf Jahren entschieden haben, dass in fünf Jahren wenn der Bahnhof zu teuer ist, das immer noch so stattfinden soll? Das ist so eine Legitimationskette, die viel zu lang gezogen wird, wo dann für mich keine Legitimation mehr da ist. Ich rede da so ein bisschen geschwollen, weil ich ja Jurist bin und mich an der Uni mit Verfassungsrecht befasst habe, deshalb das alles jetzt ein bisschen technisch, das soll nicht irgendwie bildungsbürgerlich herüberkommen.
„You Will Be Godless“ ist eine Abrechnung mit der katholischen Kirche. Glaubst du, dass der neue Papst, der sich bislang ja eher bodenständig gezeigt hat, irgendwas ändern wird?
Das ist immer die Frage, was der ändern wird. Die westliche Welt erhofft sich da immer irgendwelche neuen Impulse zur Ökumene oder zur Frage der Verhütung oder zur Sache mit den Kinderschändungsskandalen in der Kirche oder zum Zölibat oder irgendwas, aber das sind gar nicht die Probleme, die die katholische Kirche als Weltkirche zu behandeln hat. Jetzt ist ein Südamerikaner Papst geworden und das nicht ohne Grund, denen laufen die Leute scharenweise weg in Südamerika, in Afrika ist die katholische Kirche rasant am Wachsen und dort sind Fragen zu klären, die die katholische Kirche interessiert. Was nun mit Kondomen oder der Ökumene in Europa ist, das sind überhaupt keine Fragen, die die katholische Kirche als Machterhaltungssache auf dem Schirm hat. Da erwarte ich überhaupt keine Veränderung. Und im positiven Sinne, was wir als positivere Form bewerten würden, wird sich in der katholischen Kirche auch nur was ändern, was dem Machterhalt dient, nur wenn es gar nicht mehr anders geht, wird sich was verändern, aber das ist dann der Mechanismus, der schon über hunderte von Jahren erprobt ist.
Wenn man neutestamentliche Aspekte des christlichen Glaubens betrachtet, Dinge wie Nächstenliebe und die damit verbundenen Respekt, Toleranz oder auch Demut, da ist der christliche Glaube ja eine gute Sache, wenn man es in die Richtung auslebt. Viele christliche Organisationen, die sich christlich nennen, scheinen gar nicht verstanden zu haben, worum es geht, oder?
Ganz genau, darum geht es ja in dem Song „Antagonized“. Da geht es um Walter Schilling, den Pfarrer der sich in der DDR um Jugendliche gekümmert hat, die nicht systemkonform waren und genau der hat diese Tugenden, diese Gebote verinnerlicht und als ehrlicher, nicht profitorientierter oder machtorientierter Christ gehandelt und hat auch nach der Wiedervereinigung gegen soziale Missstände weiter aufbegehrt. Der hat mich wirklich beeindruckt, das ist jemand der so verfahren hat, dass das im Alltagsgeschäft der Kirche… auch der evangelischen Kirche übrigens, wenn man da verschiedene Sozialträger anschaut oder irgendwelche Altenheime oder Krankenhäuser, wie da Gelder veruntreut werden, wie das Arbeitsrecht mit Füßen getreten wird, von einer zur Nächstenliebe verpflichteten Organisation, das ist dann schon im negativen Sinne beeindruckend.
Wenn es Kritik an Religion geht, dann geht es dann doch meistens, auch bei anderen Bands, bei Metalbands vor allem auch, um die uns bekannte Kirche. An Islamkritik traut sich keiner richtig ran.
Ganz klar, da traut sich niemand ran, weil es die Sache wahrscheinlich nicht wert ist, da mal irgendwo seinen Kopf aufgespießt zu sehen oder irgendwo abgeschossen zu werden. Das ist ganz klar, das sehe ich auch als Tabu, das nur ganz schwer anzupacken ist, das muss ich ehrlich zugeben.
Wer ist denn bei euch die Leseratte, die mit den ganzen ungewöhnlichen Themen und Personen ankommt, um die es in euren Texten dann auch geht?
Also, das bin ich, ich schreibe auch die ganzen Texte.
Hast du nicht manchmal das Gefühl, dass es auch Perlen vor die Säue ist, wenn man sich so viel Mühe mit den Inhalten macht? Oder merkt ihr doch, dass sich eure Fans besonders viel mit den Texten beschäftigen?
Das Feedback ist auf jeden Fall viel, viel größer, als ich das am Anfang der Bandkarriere erwartet hätte. Es gibt viele Leute, die sich darauf einlassen, sogar viele Leute, die HEAVEN SHALL BURN nur wegen dieser Texte schätzen und musikalisch eigentlich überhaupt nichts mit uns anfangen können aber uns trotzdem respektieren und konsumieren, weil sie auf die Texte gespannt sind und damit etwas anfangen können. Oder mit Aktionen die wir starten oder gut finden. Genau so gibt es natürlich einen Haufen Leute, die sich für die Texte nicht interessieren und HEAVEN SHALL BURN nur aus musikalischer Sicht genießen, das funktioniert ja auch auf dem Level, das ist schon klar. Aber trotzdem würde ich diese Leute nicht als Säue bezeichnen, die da Perlen missachten.
Mehr deutschen Text als in „Die Stürme rufen dich“ gab es bislang bei euch nicht. Wäre das was für die Zukunft, mal noch mehr mit deutschen Texten zu arbeiten oder war das jetzt eher eine Ausnahme?
Also ich glaube, es war eher eine Ausnahme. Wenn ein guter deutscher Text unterkommt, der auch funktioniert, dann kann das sicherlich auch nochmal passieren in der Zukunft, aber es ist wirklich verdammt schwer, gute deutsche Lyrics zu schreiben, mit denen ich dann auch am Ende zufrieden bin. Da ist es auf Englisch schon um einiges leichter und da müsste dann wirklich auch die Qualität stimmen, dass das stattfindet. Ich denke, es wird in Zukunft auf jeden Fall Englisch weitergehen.
Wie kam es zu der Zusammenarbeit mit Macbeth, die in "Land Of The Upright Ones" Soli beisteuern?
Die sind ja aus der Gegend hier und sind in der Gegend um Erfurt und in Thüringen beheimatet und das ist eine Band, zu der wir auf jeden Fall aufschauen. Ne echte Metalband mit richtig gestandenen Metallern, die auch nicht nur dumm labern sondern zu DDR-Zeiten auch in den Knast gegangen sind und sich mit der Polizei angelegt haben, um Metal zu leben und zu spielen. Das ist nicht nur dummes Gesülze, wie es auf T-Shirts oder Kutten steht bei Manowar oder so, sondern die leben wirklich und haben für Metal auch schon gekämpft und haben das bewiesen. Insofern ist das natürlich eine Band, zu der man auf jeden Fall riesig aufschaut und die bei uns hier in der Gegend auch so ne Art Vorbilder sind, vor denen jeder Respekt hat. Deswegen war das auch eine Riesenehre, dass die auf der Platte für uns mitspielen.
Wer ist bei euch der größte Blind Guardian-Fan?
Oh, das sind unser Sänger und ich, ich glaube das hält sich die Waage. Unser Sänger verehrt Hansi Kürsch wahnsinnig wegen seines Gesangs, schon seit Urzeiten. Blind Guardian war für mich eine der ersten Livebands die ich gesehen habe und seitdem sind wir Riesenfans von denen. Ich war auch wahnsinnig aufgeregt, da anzurufen und zu fragen wegen des Covers. Aber ich kann das Klischee nur bestätigen, dass sind so megacoole, nette Typen, die auch wahnsinnig professionell arbeiten, da bin ich einfach nur begeistert und muss lobhudeln ohne Ende.
Ihr hättet aber ja gar nicht um Erlaubnis fragen müssen, ihr habt am Song ja nix verändert…
Nein, wir haben am Song nichts verändert, aber natürlich war es uns wichtig, da noch diesen einen Stein draufzusetzen und Hansi selber mit dabei zu haben und da braucht man natürlich die Erlaubnis. Aber das schießt natürlich auch die True-Metal-Polizei ins Aus, die sich da aufregt, wenn man von Hansi selber gleich Absolution quasi im Song erteilt bekommt. Das ist dann schon ein eindeutiges Statement, denke ich.
Und warum musste es ausgerechnet „Valhalla“ werden?
Das war eine relativ spontane Entscheidung. Natürlich hätte man auch „Mirror Mirror“, „Journey Through The Dark“ oder keine Ahnung, da gibt es natürlich etliche Hits, die man hätte verbraten können. Aber „Valhalla“ hat uns besonders in der Liveversion gefesselt, die es von diesen Wacken-Aufnahmen gibt, die es auch auf Youtube gibt. Aber das ist ja auch extra populär geworden, man kann das super mitgrölen und auch die Gitarrensoli in dem Song haben uns gereizt und das hat dann am Ende den Ausschlag gegeben. Aber wenn man unbedingt einen Hit covern will, da ist Blind Guardian natürlich ein unerschöpfliches Reservoir.
Gab es auch negative Stimmen zu dem Cover oder waren die Leute durchgehend begeistert?
Also, bis jetzt ist es ja nur in Reviews gehört worden. Da gab es bisher nur durchweg positive Sachen bis auf ein, zwei Leute, die den Song an sich scheiße fanden, aber den nicht als Blind Guardian-Cover erkannt haben. Da gab es in den USA ein, zwei Reviews wo sich die Leute ein bisschen blamiert haben, aber ansonsten war das Feedback super und ich bin gespannt, was die Fangemeinde sagt, vor allem die eingeschworenen Blind Guardian-Maniacs, was die dazu sagen.
Wer hatte eigentlich die Idee zu dieser supergeilen Deluxe-Box, die auch so ein fantastisches Preis-Leistungs-Verhältnis hat? Sind das Ideen, die von euch selber kommen oder vom Label oder vielleicht von Impericon?
Das haben wir uns gemeinsam mit dem Label überlegt, was man den Fans maximal für das Geld, was man zur Verfügung hat, anbieten kann. Die kostet jetzt im Handel jetzt um die 30 € und das ist auch schon hart an der Grenze zu dem, was man den Leuten zumuten kann, aber dafür gibt es auch Value for money, da ist schon einiges drin und das ist wirklich eine supercoole Sache. Ich finde das schon gut, dass durch den Druck durch das Internet und die Downloads die Labels auch gezwungen sind, den Leuten was für ihr Geld zu bieten. Das finde ich auch als Fan recht positiv.
Ich habe euch 2011 in Wacken gesehen. Gab es eigentlich Ärger für die Aktion mit den Shirts (nachzulesen hier)?
Oh ja, da gab es Megaärger. Erstens war die Security nicht so sehr begeistert, weil wir das vorher nicht abgesprochen hatten. Die hatten ja auch allen Grund, ärgerlich zu sein, zumal die uns auch den Arsch gerettet haben und da megaprofessionell gehandelt und gut reagiert haben. Und der größte Ärger war natürlich, dass da tausend Mädels vorkamen und wir nur 200 T-Shirts hatten, die nach drei Minuten weg waren. Dann standen vor dem Backstageeingang noch so 300, 400 Mädels, die sich verarscht gefühlt haben. Dann musste unser Tourmanager auf den Zaun klettern und sagen, dass die Shirts alle sind, da ist er fast von einer aufgebrachten Frauenmeute gelyncht worden. Hinterher hat er dann erzählt, dass er nicht sicher war, ob er das geil finden soll oder ob er zu Tode erschrocken war. Das war schon etwas kritisch. Wir haben dann natürlich auch tonnenweise Emails von Mädels, die sich beschwert haben gekriegt und wir haben dann in die Bandkasse gegriffen, Shirts nachgedruckt und haben dann allen Mädels, die sich beschwert haben, ein Shirt hinterhergeschickt. Das kann man auch auf Youtube sehen, wie wir die noch verschickt haben. Da haben wir dann noch Ehrenrettung betrieben. Sympathische ostdeutsche Chaoten, die über nichts nachdenken und auf einmal auf einer Wacken-Bühne stehen – da passiert dann so was.
Ihr hattet bei dem Auftritt auch alle diese dunkelroten Hemden an, wodurch ihr auch so ein bisschen uniformiert ausseht. Ist eine Uniform etwas, das zu euch passt, so aus dem Selbstverständnis heraus?
Im Moment ziehen wir die roten Hemden nur noch zu ganz besonderen Anlässen an, also wenn es ein richtig besonderes Konzert ist. Mittlerweile rennen wir aber auf der Bühne herum, wie wir wollen. Sicher wird es in Zukunft aber auch wieder eine Phase geben, wo wir das alle anziehen. Das ist so ein Trademark, das wir nicht ständig haben. Dass wir da alle uniformiert auf die Bühne kommen das passt einfach gut zum Bühnenbild und verstärkt auch die Einheit der Band, wo es bei uns ja keinen einzelnen Star gibt sondern wir da wirklich als Gruppe funktionieren, das ist da der Gedanke.
Warum sieht man euch dieses Jahr nur wenig auf den großen Festivals in Deutschland?
Wir hatten auch mal Bock ein paar kleinere Sachen zu machen, auch im Ausland. Auch um diesem langweiligen Trott von ein Jahr spielen, ein Jahr nicht spielen, ein Jahr spielen, ein Jahr nicht spielen zu durchbrechen. Da haben wir auch einfach mal Bock, das Party.San zu spielen, das passt dann bookingpolitisch nicht, wenn man im gleichen Jahr Wacken, Summer Breeze oder With Full Force spielt.
2010 habt ihr auch auf dem With Full Force gespielt und da ist auch eine Band namens Frei.Wild aufgetreten. Hättet ihr 2013 ein Problem damit, mit der Band auf dem gleichen Festival zu spielen?
Kein Scheiß, es gab bisher erst einen einzigen Journalisten, der mich das gefragt hat. Ich hab gedacht, das werde ich in jedem Interview gefragt, als die Interviewzeit losging, aber bis jetzt ist das Thema irgendwie gar nicht auf den Tisch gekommen. Ich denke wir hätten uns auf den Standpunkt gestellt und würden das auch in Zukunft so machen, dass wir keinen Fußbreit wegen irgendjemandem weichen. Wenn dann soll sich Frei.Wild verpissen, aber wir verpissen uns doch nicht wegen Frei.Wild oder wegen der paar Deppen, die da wegen denen vor der Bühne herumstehen. Ich hab mich auch 2010 mit dem Frei.Wild-Sänger backstage ziemlich lange unterhalten. Er hat jetzt auf mich keinen schlimmen Eindruck gemacht sondern war total nett und freundlich. Ich hatte jetzt nicht den Eindruck, dass er der Mastermind hinter dieser ganzen Promo-Kampagne ist, um es mal so auszudrücken. Ich denke, die Band macht einfach nur, was das Management sagt und das ist halt die komplette Onkelz-Masche und es funktioniert deshalb so gut, weil es eine Win-Win-Situation ist. Die Leute, die sich über Frei.Wild aufregen können sich profilieren und Frei.Wild selber hilft es auch weiter, deshalb ist das eine Spirale, die immer weiter geht. Ich denke gerade in Sachen gegen Faschos kämpfen und gegen rechte Gewalt etwas zu tun, da gibt es größere Baustellen, als eine Band die auf der Bühne steht und „Nazis raus“ brüllt. Das ist eine Sache, wo jeder ohne besonders Schaden zu nehmen oder sogar noch Nutzen daraus zu ziehen, da mal seine Meinung abgeben kann und deshalb hackt jeder auf Frei.Wild herum und Frei.Wild nutzt das auch noch. Wie gesagt, eine Win-Win-Situation. Rein musikalisch hat die Band die Aufmerksamkeit nicht verdient.
Wie ordnest du denn das Verhalten der Band in Bezug auf die Vorwürfe der Rechtslastigkeit ein? Sie versuchen ja nicht so richtig, das zu widerlegen, sondern kommen immer wieder mit den gleichen Argumenten, zumindest wenn man es in der Mainstream-Presse liest. Das sind halt immer die gleichen Fragen und immer die gleichen Antworten.
Natürlich, das muss ja zweideutig bleiben. Bei den Konzerten stehen sie ja auf der Bühne und brüllen „Nazis raus“ und die Fans machen das auch. Das ist auch nur ein Feigenblatt sagen andere Leute, Nationalismus und rechts sein hat ja nichts mit Nazis zu tun. Ich rege mich eher über solche Sachen auf, da hab ich mich auch mit dem Sänger drüber unterhalten, dass er in einem Song Karl Marx, Hitler und Mussolini gleich setzt. Das ist für mich als philosophisch und politisch interessieren Menschen ein vollkommenes Unding, was dazu führt, dass ich das überhaupt nicht ernst nehmen kann. Ich hab auch noch nie auf Italorock gestanden, weder auf Adriano Celentano noch auf Frei.Wild. Die Leute sollen sich auch mal bewusst machen, dass Deutschland ja gar nicht gemeint ist, wenn die von national reden. Die werden hier nur völlig abgemolken, aber mit einer Masche, die aus einer ganz anderen Situation entstanden ist. Das ist ja eher ein Projektionsproblem, so eine psychologische Sache.
Nochmal zu euch, wie sehen die Tourplanungen aus, wann geht es auf Headlinertour?
Auf Headlinertour wird es ab November gehen. Wir sind ja jetzt halbwegs vor der Festivalsaison und spielen jetzt ein paar große Releaseshows in Leipzig, Wien und Zürich. Dann gehen die Festivals los und deshalb machen wir die Tour im November und Dezember.
Macht ihr euch auch schon Gedanken über das Bühnenbild und so was?
Ja, natürlich. Für die Festival- und Releaseshows haben wir uns schon ein bisschen was ausgedacht, da probieren wir ein paar Sachen aus und je nachdem wie das klappt werden wir davon auch was für die Tour integrieren.
Ihr könntet ja eine nackte Frau auf einem Pferd über die Bühne reiten lassen.
Haha, gut, das wäre mit unserer Vegetarier- und Veganer-Schlagkante ein bisschen schwer zu vereinbaren, den Reitsport noch zu fördern. Aber über nackte Frauen können wir mal nachdenken.
Welche Chartplatzierung erwartet ihr für „Veto“?
Da müssen wir gar nicht tiefstapeln. So wie die Kampagne angelegt ist, wäre es schon eine Enttäuschung, wenn es nicht in die Top 10 geht. (letztlich ist es Platz 2 geworden! - d. Verf.)
Siehst du euch so langsam auf dem Karrierehöhepunkt?
Du, wir haben uns schon vor fünf, sechs Jahren auf dem Karrierehöhepunkt gesehen und konnten uns nicht vorstellen, dass das noch irgendwie weiter geht. Alles was jetzt kommt ist seit ein paar Jahren komplette Zugabe, da machen wir uns gar keine Gedanken mehr drüber. Ich sagte ja eingangs schon, dass wir uns nie vorstellen konnten, dass man mit so harter Musik so weit kommen kann.
Gut, dann die letzte Frage. Was sind deiner Meinung nach die fünf besten deutschsprachigen Songs?
Fünf besten deutschsprachigen Songs? Oh, das ist schade, da bräuchte ich Zeit zum drüber Nachdenken. Ich denke es ist auf jeden Fall „Ermutigung“ von Renft, „Ausgebombt“ von Sodom, „Schweineherbst“ von Slime finde ich super, „Keine Wut mehr“ von Schleimkeim finde ich auch gut und einer fehlt noch. Ähm… ja… „Lili Marleen“ von Marlene Dietrich.
- Heaven Shall Burn - Invictus (2010)
- Heaven Shall Burn - VETO (2013)
- Heaven Shall Burn - Of Truth And Sacrifice (2020)