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Interview mit Edguy (09.09.2017)

Edguy

Rocken bis zum Ruhestand

Mit „Monuments haben EDGUY ein Rundum-Wohlfühl-Paket für Fans geschnürt, die das bisherige Schaffen der Melodic-Metal-Institution in kompakter Tonträgerform überblicken wollen, und befinden sich gerade auf einer Tournee, mit der sie ihr 25-jähriges Bestehen Feiern. Die Gelegenheit, Schlagzeuger Felix Bohne an statt Frontmann Tobias an der Strippe zu haben, nutzten wir auch für Fragen, die im Zusammenhang mit Edguy eher selten gestellt werden.

 Felix, die offensichtliche Frage aus aktuellem Anlass zuerst: Was dürfen wir von euren Jubiläumskonzerten erwarten?

Wir haben ja schon einige Shows im Ausland absolviert, die im Rahmen unserer laufenden Tour stattfanden. Die Fans in Deutschland werden das gleiche Programm geboten bekommen, wobei ich aber denke, dass wir die eine oder andere Nummer austauschen bzw. mindestens einen der neuen Songs vorstellen wollen, die auf „Monuments“ stehen.

Wie wählt man als Band mit einem so dicken Katalog von Songs aus, was letzten Endes auf der Bühne geboten wird? Gab es im Vorfeld Schlägereien bei euch?

Nein, zum Glück nicht (lacht). Klar ist es bei so vielen Platten schwierig geworden, und jeder von uns hat so seine eigenen Songs, die er gerne im Set sehen würde. Im Grunde ist alles Geschmackssache; während der eine diesen oder jenen Song liebt, kann der andere ihm weniger abgewinnen, doch deswegen streiten wir uns nicht. Vielmehr haben wir eine Liste zusammengestellt und uns dann in den Proberaum gesetzt, um gründlich darüber zu diskutieren und uns gegenseitig verschiedene Abfolgen vorzuschlagen. Vorbereitung ist alles, und wir mussten uns auf zwölf, 13 Stücke beschränken, weil wir ja keine vier Stunden pro Auftritt spielen.

Besondere Showelemente gibt es bestimmt auch oder?

Natürlich haben wir ein neues Bühnenbild dabei und bauen ein paar Gimmicks ein, die der eine oder andere vielleicht schon von früheren Tourneen kennt. Wer sich noch nicht im Internet schlau gemacht hat, wird überrascht sein.

Du als Schlagzeuger bist nun kein Gründungsmitglied von EDGUY, sondern über Squealer zur Band gestoßen; ich nehme an, das geschah seinerzeit aufgrund der Tatsache, dass beide bei AFM unter Vertrag standen.

Wobei man sagen muss, dass ich bei Squealer nur aushilfsweise spielte. Unser Bassist Eggi war eine Zeitlang auch Mitglied bei ihnen, aber es stimmt, der Kontakt ist wirklich so entstanden. Ich kannte Eggi schon eine Weile; unsere Väter hatten lustigerweise zusammen gearbeitet, ohne dass wir einander früher kennengelernt hätten. Labelchef Henner, der Sänger bei Squealer war, empfahl mich schließlich an die EDGUY-Jungs weiter. Die kannte ich bis dahin gar nicht. Ich hatte gerade einige Tage zuvor meinen Zivildienst abgeschlossen, als Tobi mich anrief. Sie spielten an dem Tag auf irgendeinem Festival und benutzten einen Drumcomputer, was ziemlich spaßig gewesen sein muss. Ich glaube, da trat auch Dr. Alban auf, das totale Kontrastprogramm.

Du hast es gerade selbst angesprochen: Vier Stunden live sind nicht drin, gerade für einen Drummer, der körperlich besonders gefordert wird. Wie hältst du dich auf Tournee fit?

Ich nehme mir vor, regelmäßig Sport zu treiben, doch bei diesem Vorsatz bleibt es meistens auch, und allein deswegen fühle ich mich schon fit. Im Ernst, ich habe eigentlich kein Geheimrezept, achte aber selbstverständlich schon auf meine Ernährung, obwohl ich weder Vegetarier oder Veganer bin, noch eine andere akzeptierte Essstörung habe. Um fit zu bleiben, sollte man natürlich nicht jeden Abend nach dem Konzert mit Alkohol abschießt. An freien Tagen geht man ein bisschen feiern, klar. Zu Hause fahre ich z.B. gerne Rad und bemühe mich, geregelt schwimmen zu gehen, doch bei aller Disziplin ist es nicht so, dass ich ein rigides Sportprogramm durchziehe und danach noch zehn Stunden Schlagzeug spiele oder so. Ich trommle täglich, und das allein scheint schon auf Trab zu halten.

Welche Rolle spielt der Drummer bei EDGUY als Songwriter.

Tobi ist Hauptkomponist, doch jedes andere Mitglied steuert ebenfalls etwas bei. Er trägt seine Ideen an uns heran, woraufhin es vorkommen kann, dass sich Stücke noch einmal erheblich verändern oder jemand spontan einen Einfall hat, der miteinbezogen wird. Im Idealfall probieren wir die Sachen sofort im Proberaum auf und schneiden sie mit. Das dauert mitunter länger, wenn man an neuem Material arbeitet, denn die Abläufe stehen ja nicht von vornherein fest. Sich Aufnahmen mit etwas Abstand zu Hause anhören zu können ist ein Plus. Andere Songs hat Tobi vollständig zu Hause ausgearbeitet, bevor er sie uns präsentiert, doch auch da kann es sein, dass wir diese oder jene Stelle ummodeln.

Beeinflusst euch der Umstand, olle Kamellen für diese Tournee und die „Monuments“-Compilation ausgraben zu müssen, beim Songwriting für euer kommendes Studioalbum?

Nicht direkt, aber wir haben uns schon Gedanken darüber machen müssen, was wir letztlich zur Feier dieses Jubiläums bieten wollten, ehe es auf den Sampler und die Konzerte hinauslief. Seitdem das alles in Trockenen Tüchern ist, konzentrieren wir uns aber fast nur auf die Tour. Dass es eine weitere EDGUY-Scheibe geben wird, steht fest, aber wie es in den nächsten zwei, drei Jahren weitergehen soll, wurde noch nicht besprochen. Da wir uns jetzt eine Zeitlang täglich sehen, kommen wir bestimmt dazu, uns zusammenzusetzen und darüber zu unterhalten, was die Zukunft bringen kann. Bei all der Arbeit in letzter Zeit hatten wir dazu keine Gelegenheit.

Für dich muss eure Tour mit Deep Purple himmlisch gewesen sein, da du einem Veteranen wie Ian Paice auf die Finger schauen konntest, oder?

Das war sehr beeindruckend, vor allem weil der Gute bei unserem Soundtrack vor der zweiten oder dritten Show ebenfalls zu trommeln anfing. Auf einmal hörte man ein zweites Schlagzeug, weil er wohl dachte, man höre ihn vorne nicht. Ich wurde zunächst dumm angeguckt, da keiner verstand, was los war, doch schließlich stellte sich heraus, dass da jemand an Purples Drumset hockte. Ian hat sich köstlich amüsiert und uns erst mal alle begrüßt. Ihn jeden Abend spielen zu sehen war ein Erlebnis. Er und ihr Keyboarder haben den Soundcheck auch selbst übernommen, sodass man ihnen beim Jammen zusehen konnte. Angesichts der Tatsache, wie lange sie das schon machen, finde ich es toll, dass sie immer noch so großen Spaß dabei haben.

Sind ja alle sehr bodenständige Typen geblieben.

Total nett, ja, aber diese Erfahrung haben wir eigentlich mit allen großen Bands gemacht, die wir im Lauf der Jahre bei Konzerten begleiteten, neben Deep Purple auch Scorpions und Aerosmith.

Du bist kein Drummer, der sich durch Akrobatik und Höchstleistungen hervortut. Bedeutet dir Anerkennung für dein Spiel etwas, oder siehst du dich eher als den typischen Dienstleister.

Man freut sich freilich schon, wenn jemand bemerkt, was man leistet. Gerade bei Avantasia stand ich von Anfang an aber durchaus vor mancher Herausforderung, weil ich mich auf die Stile von mindestens drei verschiedenen Schlagzeugern einstellen musste, und im Lauf der Jahre sind es immer mehr geworden. Tobi scheint aber insgesamt zufrieden zu sein, da er die Live-Besetzung nicht verändert hat, wenn man von einem Bassistenwechsel absieht, der allerdings von terminlichen Überschneidungen herrührte, sodass wir jetzt André dabeihaben. Davon abgesehen ist es schön, mit so vielen anderen Musikern zusammenarbeiten zu können. Dabei hat man auch die Möglichkeit, sich auszutauschen und neue Kontakte zu knüpfen.

Kannst du dir vorstellen, dass es bei EDGUY weitergeht, falls einer von euch wegfällt?

Das wäre schwierig, da wir schon so lange zusammen Musik machen und uns immer noch gut verstehen. Zum Glück sehe ich dahingehend aber momentan keine Gefahr. Natürlich weiß man nie, doch ich schätze, solange es nicht Tobi ist, der geht, könnte es weitergehen. Wie gesagt, das ist Spekulation.

Du gibst auch Schlagzeug-Workshops; was vermittelst du da?

Bisher ging es hauptsächlich um Metal-Drumming, wobei ich mich konkret auf Stücke von EDGUY und Avantasia beziehe. Außerdem gehe ich auf jegliche Fragen ein, die mir die Leute stellen, und gegen einen kleinen Aufpreis erfährt man auch Tourannekdoten und Geheimnisse meiner Bandkollegen, die sich nicht wehren können, weil sie nicht zugegen sind (lacht). Ende des Jahres finden weitere Workshops in Düsseldorf und Wolfsburg statt. Darüber hinaus werde ich bei einer Band hier bei mir vor Ort aushelfen, die stilistisch allerdings völlig anders ausgerichtet ist. Das Ganze geht in Richtung Depeche Mode. Bei meinen Worshops mit Sascha Paeth ging es ebenfalls um Metal, genauer gesagt das Zusammenspiel zwischen Schlagzeug und Gitarre. Auch hier spielten wir Avantasia-Stücke an. So etwas macht immer Spaß, weshalb ich es in Zukunft gerne ausweiten würde.

Und die offensichtliche letzte Frage: Wovon träumst du, wovon träumen EDGUY noch nach 25 Jahren?

Ich meine, Luft nach oben besteht ja immer. Deshalb hoffen wir, dass es so weitergeht, bis wir umfallen. Wir sind nicht nur Berufs-, sondern auch Vollblutmusiker. Ich wünsche mir, dass wir einfach so weitermachen bis zur gemeinsamen Rente. Mal sehen, ob das realistisch ist; im Augenblick jedenfalls sieht es ganz danach aus.

Andreas Schiffmann (Info)
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