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Interview mit Illuminati (11.05.2013)

Illuminati

Im Vorfeld unseres Kontakts zu Matei Tibacu und seiner Band hatten wir keine Ahnung davon, mit welchem Tausendsassa wir rechnen mussten. Das blutjunge Allround-Talent beantwortet unsere Fragen im Gegensatz zu seinen Kollegen auf Deutsch. Lauscht seiner und ihrer Worte beziehungsweise natürlich der spannenden Musik auf "The Core" ...

Wie kam es zur Gründung von ILLUMINATI, und was bedeutet euch der Name?

Andrei: Der schwebte mir schon Anfang 2008 vor. Ich träumte von einem besonderen Universum, einer urbanen Welt, trübe und dennoch greifbar: Wie ginge es dort zu, wenn der bloße Instinkt regierte, nicht das doppelte Prinzip aus Ästhetik und Moral? Der Name ILLUMINATI ist dahingehend ironisch zu verstehen, dass die grässlichen Auswüchse der Moderne, eigentlich nur Kriecher und Diebe, die Fäden in ihren Händen halten.

Petre: Ich kenne Andrei schon seit der Oberschule. Es muss 2008 gewesen sein, als er mir ein Demostück mit dem Namen "The Core" schickte. Ich schaffte mir die Riffs drauf und traf mich ein paar Tage später mit ihm. Wir jammten und warfen Ideen in einen Topf, bis wir Ende des Jahres auf einem Konzert einer MY-DYING-BRIDE-Tributband auf Matei stießen. Kurz darauf probten wir schon zu dritt, und als Andrei den Bandnamen vorschlug, fanden wir ihn passend, weil uns die Vorstellung dahinter gefiel - der Mechanismus einer Maschine oder das, was uns als Menschen emotional auf die eine oder andere Weise ticken lässt.

Matei: Ich bin gar nicht zufrieden, weil ich ILLUMINATI für einen Namen halte, den sich jede Band hätte ausdenken können. Andrei und Petre hatten ihn aber schon gewählt, als wir gemeinsam zu spielen begannen. Ich finde ihn nicht besonders gut, doch wenn sie eine gute Erklärung dafür haben, ist das okay. Ich hoffte, wenigstens die Musik falle besser aus als die Wahl des Namens, und versuchte schließlich, ihn konzeptionell zu begreifen.

Angesichts der Bands, in denen ihr zuvor gespielt habt, überrascht die technische Ausrichtung der Band. Steht ihr schon von jeher auf Gefrickel?

Andrei: Ich wurde zum ersten Mal mit dem Stil konfrontiert, als ich das Debütalbum der rumänischen Band TAINE hörte, ”Cealalta Parte”, was "Die andere Seite" bedeutet. Damals war ich 13 und hatte mich gerade in die Gitarre verliebt, weshalb ich täglich wie blöde übte und irgendwann gewollt technische oder progressive Eigenkompositionen ins Internet stellte. Diese wurden anscheinend von den richtigen Leuten gehört, sodass sich NEGURA BUNGET an mich wandten, mit denen ich dann ein paar Jahre lang zusammenarbeitete. Auch sie stehen auf progressiven Metal.

Petre: Ich habe mich als Musiker nie gerne stilistisch festgelegt. Persönlich gefallen mir viele Dinge von Black Metal bis hin zu Jazz und Fusion. Generell mag ich gut gemachte Musik, die etwas aussagt. Da die anderen diese Einstellung teilen, ergab sich unser Sound wohl von selbst.

Matei: Schon mit elf gefiel mir diese Art von Musik. Ich habe acht Jahre lang in den USA gelebt, wo ich mit Punk, Black Death Metal anfing, ehe ich Prog Metal und Rock entdeckte und schließlich zu Jazz und Fusion gelangte. Mit meinen Projekten - meistens Einmann-Bands - wollte ich mich aber jeweils nur einer Art von Rockmusik widmen. Mit 16 hatte ich ein Sciencefiction-Thrash-Ding namens CYBORG am Laufen, und letztes Jahr stellte ich ein Proto-Punk-Album fertig, das wie die Band "Lost Society" heißt. Jetzt steht eben Death Metal an, und demnächst Power Pop, dann okkulter Rock, hinterher technischer Thrash und so weiter. Es gibt genug für mich in alle Formen von Rockmusik, wovon ich lernen kann.

Soweit ich es verstehe sprecht ihr in "In The Maze Of A Myth" vom Teufel; worum handelt es sich hier genau?

Andrei: Um eine Art von Treffen der Urgewalten die für Ordnung unter den Menschen verantwortlich zeichnen, wovon der Teufel jedoch ausgeschlossen bleibt. Die anderen haben ihn verbannt, weil sie sich vor seinem Anblick fürchten. Eigentlich sollten sie aber verstehen, dass er nur ein verzerrtes Bild darstellt, welches einen Teil unserer ausgewogenen Logik ausmacht. Wir müssen die Dualität von Gut und Böse hinnehmen, statt Angst davor zu haben.

Petre: Ja, der Teufel fehlt am Tag dieses Meetings. Er scheint nicht der verlässlichste Typ zu sein, denn schließlich geht es darum, eine neue Weltordnung zu schaffen. Ich bin mir allerdings sicher, dass er hinterher die Abschrift des Treffens liest.

Matei: „The Core” ist ein konzeptionelles Album. Es handelt sich um die Unterhaltung dreier Bettlern miteinander, die den Sturz der modernen Gesellschaft planen, und zwar von einem unterirdischen Ort aus, der eine Abwasserleitung sein könnte. Die Welt wird von dort aus gelenkt, wo man es am wenigsten erwartet. Die Illuminaten sind nicht unbedingt die Reichsten, können sich aber überall befinden, als kaum verdächtige Boten an jeder Straßenecke.

Das mit dem Konzept dachte ich mir wegen der zusammenhängenden Texte ...

Petre: Im Grunde genommen behaupten wir damit, dass das Zentrum der Herrschaft dort liegt, wo man nicht damit rechnet, also nicht notwendigerweise bei den Reichen, sondern vielleicht bei denjenigen, an welchen man tagtäglich vorbeigeht, ohne sie wahrzunehmen. Tagediebe kennen die finsteren Nischen der Gesellschaft und streifen dort draußen herum, sammeln Informationen und planen den Niedergang der "Oberwelt". Matei hat diesen Gedanken zu einem Konzept verdichtet.

Matei: Richtig. Es is nichts Neues, schafft eine gewisse seltsame Stimmung, ungefähr wie in einem Film von David Lynch, Peter Greenaway oder Jörg Buttgereit. Am Ende schließt sich der Kreis, und „The Core“ endet so, wie es agefangen hat, denn wenn diese unterirdische Gesellschaft letztlich führen wird ... ersinnt eine andere unterirdische Sozietät einen ähnlichen Plan und kommt auch damit durch. Folglich versiegt der Durst nach Macht niemals; sie hat die moderne Gesellschaft im Kern - also "Core" - mitgestaltet, und dieses Album markiert entsprechend den Beginn von ILLUMINATE.

Welchen Folk-Song hören wir während "A Strange Kind Of Sensitivity"?

Andrei: Ich glaube, einen rumänischen, bin mir aber nicht sicher. Matei hat einen Obdachlosen im Bus in der Innenstadt von Bukarest aufgenommen. Im Text geht es darum, wie schwierig das Leben heutzutage noch sein kann, womit der Arme die Leute um Almosen bitten wollte. Wir fanden, seine Stimme zu harmonisieren bedeute, aus unverfälschtem, echten Elend Kunst zu schaffen. Wir sollten jemanden wie ihn nicht verachten, da er ein Produkt unserer Gesellschaft ist und zu den Illuminaten gehören könnte.

Petre: Die Idee, seinen Gesang festzuhalten, hatten Matei und Andrei, wobei der Typ ihnen sogar eine kleine Performance bot. Als wir uns danach bei Andrei trafen, suchten wir passende Akkorde und eine Melodie, um das Lied zu begleiten. Soweit ich weiß, ist es auf seinem eigenen Mist gewachsen, bloß dass es sich mit unseren Harmonien als Grundlage wie ein Folk-Song anhört, etwas Griechisches oder Rumänisches in Anbetracht der Akkordfolge.

Matei: Ha! Andrei schlug vor, einen Bettler aufzunehmen, und eines Tages stieg einer in den Bus, woraufhin ich es tat, als er ein Lied für sich sang. Nachdem ich ihm eine Menge Geld gegeben hatte, stellte ich mir vor, er sei einer der Boten und habe die eigentliche Bedeutung seines Liedes verschlüsselt, nämlich das, was seinesgleichen mit der Welt anzustellen gedenkt. Es wäre dann eine Berufung auf seine unterirdischen Mitstreiter gewesen. Die Musik klingt ein bisschen italienisch oder orientalisch; ich wollte eine traurige Begleitung, sodass die Leute seinetwegen ein schlechtes Gewissen bekommen, quasi in seine Falle tappen. Man fühlt sich besser, wenn man einem Armen hilft, und dies wiederum ist eine Schwäche, die sich gut ausnutzen lässt.

Warum stehen die Zwischenspiele auf dem Album allesamt in Klammern, und welche Funktion haben sie überhaupt?

Andrei: Sie stellen natürlich Übergänge dar, damit die Musik besser fließt. Einige klingen finsterer und schlüssiger als die Songs an sich, bereiten aber in jedem Fall auf die jeweiligen Hauptstücke vor.
Petre: Die Klammern deuten darauf hin, dass es sich nicht um herkömmliche Metal-Songs handelt, sondern Vorausdeutungen mit je einer Art von Hinweis aufs nächste Stück. Sie nehmen den gleichen Stellenwert ein wie jene auf “Testimony Of The Ancients” von PESTILENCE, ATHEISTs “Elements” und “Covenant” sowie anderen Alben von MORBID ANGEL. Zumindest ich wurde sehr stark von diesen Gruppen geprägt.
Matei: Es sind ja keine richtigen Lieder, sondern nur dazu gut, die Ohren durchzuspülen. Immerzu das volle Death-Metal-Brett würde auf Dauer langweilig, und eine solche Vielfalt macht einen viel nachhaltigeren Eindruck. Mancher wird denken: Endlich wieder ein harter Song! Der Zweck der Zwischenspiele besteht darin, die Stücke innerhalb des Konzepts zu verbinden. Da wir gerne verschiedene Arten von Musik hören, muss beim Hören des zweiten Albums niemand überrascht tun, wenn er entsprechende Einflüsse hört; wir zeigen es von Anfang an.

"Thoughts Turn Into Matter" erinnert mich an asiatische Folklore; welchen Hintergrund hat dieser Track?

Andrei: Wir versuchten, damit etwas Urtümliches auszudrücken. Abgesehen von der Akustikgitarre wurden traditionelle, sehr alte Instrumente benutzt, Bajoline und Kalimba neben einem Paar eigenartiger Stöcke, deren Name mir entfallen ist. Der Interessante Part folgt aber erst hinterher, wenn sich Kanalratten über das wichtige Geheimwissen austauschen, das sie von der Welt der Menschen haben.

Petre: Der Track versprüht ein wenig orientalisches Flair, was meiner Meinung nach gut zu seinem theatralischen Charakter passt.

Matei: Die Banjoline ist eine Mischung aus einem Banjo und einer Mandoline, die aussieht wie ein kleines Banjo. Sie stand bei Andrei herum und sah seltsam genug aus, um auf "The Core" zum Einsatz zu kommen. Das Hauptthema entwickelte ich, bevor wir nach und nach die anderen Instrumente arrangierten - Triangel, Kalimba und so weiter. Es sind genauer gesagt drei Ratten, die glauben, Menschen wollten sie töten, weil sie hässlich sind und Krankheiten übertragen. Dessen ungeachtet wissen sie mehr über die zivilisierte Welt, weil sie als Nager Zugang zu den schmutzigsten Orten haben, an denen zu graben sich kein Mensch traut. Es gibt viele Ratten im metaphorischen Sinn, weil eben eine Menge von Menschen verursachter Dreck existiert, und jetzt ist es für uns an der Zeit, für dieses Chaos zu zahlen. Darum will die vermeintlich unzivilisierte eine wirklich zivilisierte Gesellschaft begründen.

Worin besteht der Reiz einer solchen Verbindung zwischen Metal und dem, was man landläufig als Weltmusik bezeichnet?

Andrei: Ich kann Gegensätzen generell viel abgewinnen und glaube auch, dass sie letzten Endes doch auf dasselbe hinauslaufen. Wir wollten die friedlichen Klänge von World Musik mit stressigem Metal verschränken und werden dieses Experiment in Zukunft ausweiten.

Petre: Der Gedanke steht im Einklang mit dem Thema des Albums. So klingt die "Oberwelt", wo die Illuminaten und ihre Gesandten allerorts gegenwärtig sind.

Matei: Die Dynamik ist das Reizvolle. Weltmusik stellt eine der schönsten, ruhigsten Ausdrucksformen dar. Verbunden mit den apokalyptischen, grotesken Riffs, beispielsweise in „Domino Spine”, erwecken sie die Ahnung eines dräuenden Untergangs. Man kann Schönheit nicht schätzen, solange man nicht auch etwas Hässliches erfahren hat, und hartgesottene Death-Metal-Fans mögen die Zwischenspiele ätzend finden, die harten Stücke dafür wiederum umso schöner. Kann man es ihnen verübeln?

Was drücken die künstlichen Drums und Jazz-Gitarren in "Tumultuous, Weary, And Pale" aus?

Andrei: Ich habe hier luftig klingende Akkorde verwendet. So wirkt es, als sei man nach der aufwühlenden Erfahrung beim Durchhören des Albums endlich an ein Ziel gelangt - den Kern des Bewusstseins, wo alles farb- und formlos ist. das synthetische Schlagzeug dienen als Gegengewicht, um die Ruhe zu wahren, die man während dieses Stücks empfindet.

Matei: Diese Art von Musik komponiert Andrei, und sie ist mehr als Metal. Für ihn ergibt sie sich ganz natürlich, wofür ich ihn beneide. Er ist mein Lieblingsgitarrist aus Rumänien und ein Ausbund an Begabung. Dieser Track folgt direkt auf das Titelstück, nachdem Tymon und Andrei „what these hidden dreams are“ brüllen „Tumultuous, Weary, And Pale“ ist eine Traumsequenz.

Wollt ihr live spielen?

Andrei: Jawohl, das haben wir sogar schon mehrmals getan, und es wird weitere Gigs geben, um das Album zu bewerben.

Petre: Wir traten einige Male in Rumänien auf, ehe die Scheibe fertig wurde, und wenn es nach mir geht, wiederholen wir das auch in Zukunft. Ich liebe es, mir mit dieser Band musikalische Freiheiten herauszunehmen; beteiligt gewesen bin ich ja von Anfang an, wobei mich die Art und Weise, wie wir arbeiten, als Musiker enorm weitergebracht hat. Abgesehen davon genieße ich es, mit Andrei und Matei auf einer Bühne zu stehen.

Matei: Wir haben zwischen 2008 und 2010 hin und wieder live gespielt. Jetzt ist es nicht einfach, denn wir wollen, dass unsere Konzerte besonders sind, was einiger Vorbereitung bedarf: Laptops für die Synthesizer und Bass herrichten, Clicks programmieren und dergleichen. Ich wohne in England und unterhalte auch andere Projekte, wohingegen Petre und Andrei in Rumänien geblieben sind. Wir werden weniger häufig auftreten, aber trotzdem definitiv!

Und ansonsten - plant ihr langfristig mit der Band?

Andrei: Ich würde mich freuen, sie zu einer richtigen Liveband zu machen. Ich trete am liebsten vor Leuten auf und hatte bislang noch keine bessere Möglichkeit, mich selbst auszudrücken, aber natürlich hängt alles davon ab, wie die Reaktionen auf das erste Album ausfallen.

Petre: Momentan ist die Platte über Bandcamp erhältlich, aber wir sehen vor, im Sommer handfeste CDs anzubieten. Danach wird man sehen, wie es weitergeht.

Matei: Meine persönliche Priorität wird nicht bei ILLUMINATI liegen, weil ich besser allein für mich arbeite. Sollte jedoch größeres Interesse aufkommen, werde ich natürlich tun, was ich kann, um mich auf die Band als Schwerpunkt zu konzentrieren.

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Andreas Schiffmann (Info)
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