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Interview mit EINVIGI (15.04.2022)

EINVIGI

Keine anderthalb Jahre sind seit der Veröffentlichung des überraschend starken EINVIGI-Debütalbums "Sielulintu" vergangen, da steht das finnische Quartett auch bereits mit dem Nachfolger "Yö Kulje Kanssani" auf der Matte und lässt einmal mehr aufhorchen: Denn das, was Bandgründer Petteri Granberg (Gesang und Gitarre) und seine Jungs da vom Stapel lassen, ist eine tolle Scheibe, deren Lieder so groß wie lichtdurchflutet klingen. Statt der gerade im landeseigenen Metal typischen Melancholie regiert hier eine Aufbruchstimmung, deren metallisches Fundament sich als beste Ausgangsbasis für mitreißende Arrangements zwischen Shoegaze und Post Rock / Metal erweist. Grund genug also, erneut bei Petteri vorstellig zu werden, um über die jüngsten Entwicklungen zu sprechen.

Hallo Petteri, ich hoffe, es geht Dir gut und Du freust dich trotz aller Unruhen im Osten Europas darauf, bald EINVIGIs zweites Album "Yö Kulje Kanssani" zu veröffentlichen und mit Eurem neuen Schlagzeuger auf eine kleine Release-Tour durch Finnland zu gehen?!

Ja, es gibt tragische und traurige Ereignisse, erst Covid und jetzt dieser Krieg. Doch EINVIGI geht es gut und wir sind bereit, die Bühnen mit unserem neuen Schlagzeuger Mikael zu erobern und endlich ein paar Live-Shows zu spielen!

Für einen Musikhörer, der selbst kein Musiker ist, ist es manchmal schwierig, Entwicklungen im Detail zu beschreiben, wenn man ein Album hört, bei dem einfach alles zu stimmen scheint - und genau das ist meine Wahrnehmung von "Yö Kulje Kanssani": Es klingt fokussierter als der Vorgänger, es ist abwechslungsreich und auf eigene Weise schön, und obwohl es hier und da etwas verträumt tönt, sind einige Passagen für mich ermutigend, so dass ich es sehr genieße und deshalb in diesem Fall kein guter Kritiker bin... Aber vielleicht kannst du uns von heftigen Faustkämpfen während der Aufnahmen oder zerbrochenen Träumen nach der Postproduktion berichten?

Ich habe 2020, bevor unser erstes Album veröffentlicht wurde, angefangen, die neuen Songs zu schreiben. Ich war in einem guten Flow und hatte das Gefühl, dass etwas wirklich Bedeutungsvolles dabei entstehen würde. Anfang 2021 war dann klar, dass wir wegen Covid keine Shows spielen konnten. Also habe ich meine Jungs gefragt, warum wir nicht gleich mit dem neuen Album weitermachen? Wir haben einige Besetzungsänderungen vorgenommen, um das beste Ergebnis zu erzielen und das Beste aus uns herauszuholen. So hat unser neuer Schlagzeuger Mikael mit seinem talentierten Spiel unsere Herzen gewonnen. Wir hatten keine Streitereien oder Meinungsverschiedenheiten, alles verlief ziemlich reibungslos. Natürlich gibt es immer ein paar Rückschläge, wenn man ein Album macht, aber so ist das nun mal. Und ja, wir sind wirklich glücklich mit dem Endergebnis, wir sind stolz auf die Platte und stehen voll dahinter!

Für mich klingt EINVIGI "groß" im Sinne der Achtziger, und Ihr erinnert mich ein wenig an U2 zu Zeiten von "Rattle And Hum": Ihr gebt der Musik viel Raum, und sie scheint wie gemacht für Open-Air-Bühnen im Sonnenschein. Kannst Du diese Wahrnehmung nachvollziehen und würdest Du zustimmen, dass Eure Band reif ist, auch in nicht-metallischen Umgebungen zu spielen?

Ich bin froh, dass du das erwähnst, und du könntest Recht haben. Ich bin ein großer Fan der alten Coldplay und Muse, du weißt schon, die ersten Alben mit diesem gigantischen Hall auf den Gitarren. Ich bin mir ziemlich sicher, dass beide Bands von den alten U2 inspiriert wurden, deshalb hast du wohl diese U2-Assoziation. Ich habe schon immer Orchestrierungen und groß klingende Bands geliebt. Doch wir haben keine Keyboards, wir benutzen nur viel Hall, haha. EINVIGI sind vier Jungs ohne Background-Bänder, also nutzen wir die Tricks, die wir anwenden können, um so groß wie möglich zu klingen. Und ja, wir sind absolut bereit, Shows in nicht-metallischen Umgebungen zu spielen, das ist überhaupt kein Problem.

Da Ihr weiterhin in Eurer Heimatsprache singt, klingt EINVIGI zum einen so finnisch wie nur was, zum anderen widerspricht Eure Musik mehr denn je den Klischees des zutiefst melancholischen, wenn nicht gar depressiven Metals. Wir haben schon beim letzten Mal darüber gesprochen, aber würdest Du zustimmen, dass sich EINVIGI vom finnischen Metal auf eine ziemlich einzigartige Weise abhebt? Und berichten Euch auch andere Hörer von der erhebenden Kraft Eurer Melodien?

Wir versuchen, die Dinge auf unsere eigene Art zu machen. Wenn ich Songs schreibe, denke ich nie, dass ich das nicht so machen kann, weil es nicht heavy genug ist, oder dass ich das nicht so singen kann, weil es naiv zu klingen scheint. Und ich glaube, du hast Recht, dass ich gerne ermutigende Melodien schreibe. Das ist irgendwie lustig, denn ich hatte immer das Gefühl, dass ich nur melancholische Sachen mit Moll-Akkorden hinbekomme. Aber vielleicht ist das gar nicht so, haha.

"Yö Kulje Kanssani" erscheint mit einem eigenwilligen Artwork. Was ist die Geschichte dahinter?

Ich wurde von einem schwedischen Film namens "Sami Blood" beeinflusst. Er erzählt die Geschichte eines 14-jährigen samischen Mädchens, das in den 1930er Jahren in Lappland aufwächst. Zudem wollte ich 80er Postpunk-Vibes auf dem Album und besonders beim Cover einbinden. Diese beiden Themen sind auf dem Cover miteinander verbunden. Ich hatte das Gefühl, dass ich das Cover selbst zeichnen muss, um die Themen des Albums so auszudrücken, wie ich sie in meinem Kopf sehe. Wenn man sich alte Postpunk-Cover von Bands wie Joy Division, Talking Heads oder Bauhaus anschaut, sieht man, dass sie ziemlich einfach in zwei Farben gehalten sind und so weiter.

Ihr habt (zwei?) Videoclips für die Promotion des neuen Albums gedreht. Bisher habe ich mir den Clip zu "Mereen Otteessa", dem Opener des Albums, angesehen, welcher die Energie der Musik mit den Bildern vom Meer sehr gut transportiert. Wie zufrieden seid Ihr mit dem Ergebnis und hat Euch diese "Pflichtaufgabe" als Band Spaß gemacht?

Wir hatten geplant, die Szenen mit der Band am Meer zu drehen, doch es war so windig, dass ein Teil des Schlagzeugs ins Meer flog, als wir dort ankamen, haha. Es war also klar, dass wir unsere Pläne ändern und woanders drehen mussten. Und dieser Ausweichort ist im Video zu sehen. Es hat allerdings Spaß gemacht, den Clip zu "Meren Otteessa" zu filmen. In der fünften Episode unserer Album-Dokumentation (auf Youtube) gibt es einige Aufnahmen dazu, was sich hinter den Kulissen abspielte. Jan Trygg war bei beiden Videos für die Regie, das Filmen und Schneiden zuständig. Wir werden mit seiner Band Slowenya auf Tour gehen, hört sie euch an - langsames und schönes Doom-Zeug.

Ihr habt Euer Debütalbum vor etwas mehr als einem Jahr veröffentlicht, dann im letzten Herbst einen Vertrag bei Einheit Produktionen unterschrieben, und dadurch erreicht Eure Musik hoffentlich mehr Leute als zuvor. Gab es bisher irgendwelche Reaktionen, die Dich in irgendeiner Weise überrascht haben?

Das stimmt, bei EINVIGI hat sich in den letzten Jahren eine Menge getan. Es ist noch schwer, etwas über die Reaktionen zu sagen, denn wir warten darauf, das Album herauszubringen und live zu spielen. Dann werden wir sehen, wie sich die Dinge entwickeln und wie die Reaktionen der Leute sind.

Was steht als Nächstes für die Band an?

Wir bereiten uns jetzt auf die Liveshows vor, das ist im Moment das Wichtigste für uns. Aber ich denke, wir haben uns mit dem neuen Album den Arsch aufgerissen, vielleicht sollten wir es jetzt einfach ruhig angehen lassen und genießen, dass das Album veröffentlicht wird.

Nochmals vielen Dank, Petteri, dass Du Dir die Zeit genommen hast und für die wirklich schöne und ermutigende Musik. Ich wünsche Dir und EINVIGI viel Glück und hoffe, wir sehen uns eines Tages auf einem Konzert - prost!

Danke für das Interview, es war wie immer ein Vergnügen. Hoffen wir, dass es in naher Zukunft einige EINVIGI-Shows im Ausland geben wird. Prost!

Thor Joakimsson (Info)
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