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Interview mit Thulcandra (16.06.2010)

Thulcandra

Mit seinem Debüt "Fallen Angel's Dominion" hat THULCANDRA, das Nebenprojekt von Obscura-Frontmann Steffen Kummerer ein Album veröffentlicht, das die Herzen von Dissection-Fans höher schlagen lässt. Konsequent wird hierauf der Weg, den die Band um Jon Nödtveidt mit ihren ersten beiden Alben eingeschlagen hat, weiter gegangen und musikalisch beeindruckend umgesetzt. Wir befragten den Gründer von THULCANDRA nach den Hintergründen dazu.

Hallo Steffen. Herzlichen Glückwunsch zunächst zu "Fallen Angel’s Dominion", eurem ersten Album. Ihr bekommt jede Menge positiver Reviews, ich nehme also an, dass du stolz auf das Album bist!?

Vielen Dank für die Blumen, freut mich wenn dir die Platte gefällt. Wir sind wirklich überrascht, was das viele positive Feedback betrifft, ein wenig stolz kann man da durchaus sein, wenn man den Nerv der Zeit trifft und vielen Leuten zusagt, was man über einige Jahre hinweg aufgebaut hat. Im Nachhinein möchte man immer hier und da ein paar Details ändern, in meinen Augen hätten ein paar Arrangements anders auch gut funktioniert, aber nun ist es wie es ist.

Die Ähnlichkeiten zu den Dissection-Meisterwerken "The Somberlain" und "Storm Of The Light’s Bane" sind nicht zu übersehen und schon gar nicht zu überhören. Würdest du selbst von einer Hommage an diese beiden Alben sprechen? Oder findest du diese Sichtweise zu eingeschränkt?

Das trifft das Ganze schon sehr gut auf den Punkt. Wir hatten nicht die Intention, originelle oder großartig eigenständige Musik zu schreiben. In dem Muster der frühen Neunziger Black und Death Metal Bewegung wollten wir einen eigenen Stempel hinterlassen und eine Platte aufnehmen, die genau die Musik widerspiegelt mit der wir mehr oder weniger aufgewachsen sind. Jeder von uns ist immer noch Fan und hört sich gern Klassiker von Unanimated, Vinterland, SAcramentum oder Dissection an. Leider spielt heutzutage kaum noch jemand die Art von Stil, mal abgesehen von Watain, die aber eher krachig als harmonisch an die Sache herangehen. THULCANDRA ist eher eine Art Tribut an die frühen Neunziger und sollte auch als das so verstanden werden.

Findest du es übertrieben oder anmaßend, wenn Leute bei "Fallen Angel’s Dominion" von der logischen Fortsetzung der beiden Dissection-Alben sprechen?

Naja, eine Fortsetzung wäre in dem Fall eher ein Rückschritt. Die Parallelen haben wir denke ich selbst geschaffen, an den Spirit und das große Ganze, das Dissection in meinen Augen mit den ersten beiden Scheiben und auch den Demos hinterlassen haben, kann man schlecht anschließen. Stilistisch ist viel verwandt, aber in eine Reihe mit den beiden Releases würde ich uns nicht einordnen, das ist zu viel des Guten.

ThulcandraWie fandest du denn überhaupt "Reinkaos"?

"Reinkaos" ist definitiv gut produziert und ein schönes Album – wenn man die beiden Vorgänger nicht gehört hat. Das Feeling der alten Aufnahmen war einfach nicht mehr da und satanisch sind rein die Pentatonik Leads. Andererseits liegen zig Jahre zwischen "Storm Of The Light's Bane" und "Reinkaos", jeder entwickelt sich in andere Richtungen und jeder hat seine eigene Vorstellung, wie der geschaffene Sound zu klingen hat. Das sollte man nicht außer Acht lassen und irgendwo auch respektieren - als Fan der zweiten Stunde interessiert das weitgehend wenig. Die Platte ist ein zweischneidiges Schwert.

Der Trommelwirbel am Anfang von "Night Eternal" ist doch der gleiche wie der bei Dissections "Night’s Blood", oder? Finde übrigens, dass das eine saucoole Idee war…

Das dachten wir auch. Der Tomlauf war einfach logisch, nach dem "In The Realm Of Thousand Deaths"-Intro hätte niemand etwas anderes erwartet geschweige denn gefühlt, es müsse einen anderen Einsteig in die Platte geben. Markant ist es allemal, und das zählt.

Ich stelle es mir extrem schwierig vor, in diesem Kontext gute Songs zu schreiben: auf der einen Seite müssen die Songs einen ganz bestimmten Stil haben, auf der anderen Seite müssen sie auch als ganz eigene Songs zu erkennen sein. Wie bist du an diese Aufgabe gegangen? Gelöst hast du sie ja mit Bravour…

Die Songs sind nicht mit großartigen Vorgaben entstanden. Viele Riffs und Ideen haben sich über Jahre einfach angesammelt und haben nach dem Prinzip "Versuch und Irrtum" irgendwann zueinander gefunden. Wir wollten unsere Songs im Sinne der frühen Neunziger halten und haben einfach ins Blaue drauflos geschrieben. Das ist mitunter auch sehr erfrischend im Gegensatz zu meiner anderen Band, bei der jede Note ihren Sinn hat. Auch wenn ein Arrangement bei THULCANDRA nicht in ein Schema passt oder hier und da kantig wirkt – es ist egal, solange das Feeling stimmt, das war viel eher unser Anspruch.

Wieviel Einfluss auf das Album hatten deine Mitmusiker? Und wie kam es zu der Zusammenarbeit mit den Jungs von Helfahrt bzw. Dark Fortress?

Vor einigen Jahren haben Helfahrt einen ihrer Gitarristen verloren und ich bin kurz vor der Festivalsaison für ein paar Shows als Sessionmusiker eingestiegen und habe für sechs Shows ausgeholfen. Bei der Gelegenheit hat sich herausgestellt, dass wir alle große Fans von Dissection sind. Nach ein paar Kaltgetränken war es dann auch schon beschlossene Sache mit den Evil Twins THULCANDRA wieder zum Leben zu erwecken und das Debutalbum endlich fertigzustellen. Seraph ist ein alter Freund, mit dem ich immer mal in den letzten Jahren gearbeitet habe. Auch er war schnell überzeugt von der Sache und hat als Sessiondrummer zugesagt. Alle drei hatten ihren Einfluss auf die Platte, speziell Sebastian Ludwig hat ein paar prägnante Riffs beigesteuert, der Rest des Materials ist größtenteils schon vor dem Einstieg der anderen entstanden.

Du hast THULCANDRA 2003 mit Juergen Zintz gegründet, der sich 2005 das Leben genommen hat. Im Song "Night Eternal" fällt mehrfach das Wort "suicide". Verabeitest du in diesem Song Juergens Selbstmord?

Ein paar Stücke drehen sich im abstrakten Sinne durchaus um das Thema, näher darauf eingehen möchte ich hier aber nicht.

2006 hat dann Jon Nödtveidt Selbstmord begangen. Hat dieses Ereignis Einfluss auf deine Entscheidung gehabt, ob und wie es mit THULCANDRA weiter gehen soll? Ich hoffe, diese Frage ist nicht zu BILD-mäßig, aber ich fand diese "Parallele" zumindest erstaunlich, als ich den Promozettel zum Album las und würde gerne deine Ansicht dazu erfahren.

Nein, zu BILD-mäßig ist die Frage nicht, geht eher Richtung Focus (die BILD der gehobenen Schicht) haha... Persönlich gesagt finde ich es schade, dass der Musiker Jon Nödtveit nicht mehr ist. Mit seinen religiösen Ansichten kann ich nichts anfangen und will das auch nicht näher kommentieren. Zur Entscheidung, unsere Band wieder auferstehen zu lassen, hat der Tod Jons nicht weiter beigetragen, dann noch eher die schwache Platte "Reinkaos" oder drei Akkord Vodka Punk den man jetzt als Pagan Metal bezeichnet.

Viele Menschen halten Selbstmord für eine Tat aus Feigheit. Nun bist Du ja in gewisser Hinsicht mehrfach mit dem Thema konfrontiert worden. Wie denkst du darüber, auch im Hinblick auf die religiös motivierten Gründe, die bei Jon Nödtveidt wohl auch Einfluss hatten?

Das ist eine Entscheidung, die jeder selbst treffen muss, logisch. Aus ideologisch oder religiös motivierten Gründen begangener Freitod ist in meinen Augen mehr Dummheit als Feigheit. Es gibt genug andere, weniger peinliche Gründe, sich umzubringen.

Jon war Mitglied des MLO (Misanthropic Luciferian Order, heute Temple Of The Black Light) und Anhänger eines antikosmischen Satanismus bzw. chaos-gnostischem Satanismus. Findest Du dieses Thema interessant? Wenn man sich näher mit Bands wie eben Dissection, Watain und einigen anderen beschäftigt, kommt man an diesem Thema ja kaum vorbei.

ThulcandraNaja, ehrlich gesagt kann ich mit der Thematik nichts anfangen. Statt an Blendwerk wie die meisten Religionen einen Funken Verstand zu verschwenden, dazu gehört auch oben genanntes, lese ich lieber ein Buch über das Zubereiten von kantonesischem Essen. Mit solchen Märchen kann man eher von anderen Unzulänglichkeiten ablenken. Jeder hat seine eigene Meinung darüber, das sollte man auch so stehen lassen können ohne sich angegriffen zu fühlen. Andererseits sind es gerade offensiv handelnde religiöse Personen, die man nicht tolerieren kann. Wenn jemand z.B. in einem Interview beschreibt wie unglaublich satanisch der Orden ist, dem er gerade beigetreten ist, ist das nicht besser als jeder Wachturmhändler auf dem Marktplatz.

Dissection haben außergewöhnliche gute Musik gemacht, Watain kann man so langsam als Speerspitze im Black Metal bezeichnen und mit The Devil's Blood wirbelte eine äußerst talentierte Newcomerband aus den Niederlanden jüngst viel Staub auf. Die Gemeinsamkeit dieser Bands ist die Verbundenheit zum oben erwähnten Kult. Die Musiker sagen auch gerne mal, dass sie die Songs nicht schreiben, sondern dass sie aus ihnen herausfließen und dass sie als Sprachrohr der Macht fungieren, der sie nachfolgen. Man kann das also durchaus als religiösen Wahn bezeichnen, was mich wiederum zur Frage führt, ob nicht eine gewisse Form von Wahnsinn gut für die Kreativität ist!? Wie denkst du darüber?

Eine gewisse Form von Unangepasst-Sein kann hilfreich sein, gute Ideen abseits der Norm zu entwickeln, wenn du hier aber explizit religiösen Wahn ansprichst, ist das in meinen Augen Quatsch. Nimm von einer dieser Bands einfach mal all das Image weg, versuche, die durchgeplanten Photoshoots aus dem Kopf zu bannen und lass einfach nur die Musik auf dich wirken. Woran macht man eine satanische Message einer Rockband aus? An den santanischen Blues Licks? An den blasphemischen 4/4 Takten oder den bloody Schweinsterzen? Richtig, an Image und Texten. Der Hörer interpretiert nur das in die Musik, was er vorher gesehen oder vom hören-sagen mitbekommen hat. KISS waren auch über viele Jahre hinweg als "satanische" Band beschrieben – die spielten damals verflucht nochmal Disco/Pop mit Gitarren! Man manipuliert den Hörer einfach im Vorfeld, um einen Mystizismus um sich selbst zu schaffen, der nach besten Regeln der Kunst marketing-technisch ausgenutzt wird, um mehr Platten zu verkaufen.

Kommen wir zu THULCANDRA zurück. Plant ihr auch, live aufzutreten? Sollte mit dieser Besetzung doch kein Problem sein, wenn es zeitlich passt, oder?

Leider werden wir wohl nie eine Band sein, die an jeder Ecke spielt und viele Touren fahren kann, dazu sind wir zu sehr eingespannt was Studium, Job und andere Projekte betrifft. Ich würde mich freuen, wenn wir wenigstens eine kleine Tournee in diesem Jahr noch realisieren können. Bislang hatten wir einen Auftritt beim diesjährigen Metalfest in Dessau, was ganz in Ordnung war, betrachtet man die Umstände dort. Wir werden dieses Jahr auf dem HELION Festival in München eine special Show spielen die dann auch mit einigen Kameras mitgeschnitten wird. Mehr ist im Moment noch nicht spruchreif. Generell spielen wir lieber auf kleinen und mittleren Festivals.

Hast du dir schon Gedanken gemacht, wie die nächste Platte klingen soll? Willst du den eingeschlagenen Weg streng weiterverfolgen?

Ein paar Ideen haben sich schon wieder ergeben und das Woodshed Studio ist für eine erste Recording Session gebucht. Das Grundprinzip bleibt gleich, allerdings versuchen wir auch mehr und mehr eine eigene Identität zu entwickeln und selbst ein paar prägnante Merkmale zu erarbeiten die zum Kontext passen. Musikalisch gesehen wird die nächste Scheibe wohl etwas dunkler und weniger vorhersehbar. Speziell in den Arrangements möchte ich noch ein wenig mehr rausholen.

Vorletzte Frage: was ist denn bisher deine Lieblingsalbum 2010?

Tryptikon – Eparistea Daimones

Letzte Frage: wird Deutschland Fußballweltmeister?

Das ist jetzt die BILD Frage; Argentinien.

Danke fürs Beantworten meiner Fragen, die letzten Worte gehören dir.

Vielen Dank für euer Interesse und die interessanten Fragen. Behaltet unseren Tourkalender im Auge und testet "Fallen Angel's Dominion" an.

Andreas Schulz (Info)
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