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Interview mit Van Canto (19.01.2007)

Van Canto
Wirklich Innovatives ist im heutigen Musikzirkus äußerst rar gesät. Mit VAN CANTO ist kürzlich einer der seltenen Vertreter auf den Plan getreten, die es dennoch schaffen, eine freie Lücke im übersättigten Markt zu finden. Wer hätte schon gedacht, dass Heavy Metal gänzlich ohne Saitenfraktion funktionieren kann? Der stimmgewaltige Beweis nennt sich "Helden-Metal A Capella" - eine Bezeichnung, die Fragen aufwirft. Ideengeber Stefan Schmidt hat die Antworten. Hallo Stefan, wie ist denn die ungewöhnliche Idee entstanden, Heavy Metal als A-Capella-Version umzusetzen? Das weiß ich gar nicht mehr so genau. Ich hatte schon noch zu JESTER’S FUNERAL-Zeiten immer mal den Gedanken, irgendwann was Gesangsorientiertes zu machen. Wahrscheinlich, weil ich schon immer Chöre mochte und außerdem meine Bandkollegen auf Fahrten zu Gigs schon mal gerne mit derartigen Einlagen „erfreut“ habe. Stell bitte mal die Personen vor, die hinter VAN CANTO stecken. Du dürftest einigen Leute durch deine andere Band JESTER´S FUNERAL bekannt sein. Bist du der Initiator der Band? Ich hab mir den ganzen Mist ausgedacht, richtig. Das hat bei der ersten Platte neben dem Songwriting noch die Produktion, den Mix und die ganzen Promoaktionen bedeutet. In der Band selbst spiele ich aber nur eine untergeordnete Gesangsrolle. Den Leadgesang teilen sich Dennis und Inga, Ross, Ike und ich bilden die Rhythmusfraktion, dazu kommt noch Strilli, der Drummer. In welchen Bands haben die anderen vorher gespielt bzw. gesungen? Seid ihr eine feste Band oder nur ein Projekt? Neben meiner Ex-Band JESTERS’S FUNERAL war und bin ich noch bei einer Instrumentalband THE RAZORBLADES (60’s Surfrock) Gitarrist. Inga singt bei FADING STARLIGHT, Ross bei DEADLY SIN, Strilli und Dennis sind bzw. waren bei SYNASTHASIA und Ike bei CP RONO. Ike kenne ich schon, seit ich 12 bin; wir haben mit 14 unsere erste gemeinsame Band gegründet. Inga kenne ich aus vergangenen Zeiten bei der gleichen Plattenfirma und weil sie meine Freundin ist, die anderen habe ich bei JESTER’S FUNERAL-Gigs kennengelernt. Wir sind eine feste Band, wir werden in dieser Besetzung Live-Gigs spielen und weitere Alben aufnehmen, sofern nicht irgendwas unvorhergesehenes passiert. Wo würdest du euch als Metalband stilistisch einordnen? Die Bezeichnung "Helden-Metal A Capella" lässt wohl doch bei vielen noch einige Fragen offen... Das Wort „Helden“ soll auf Bands hinweisen, in denen ebenfalls Pathos und Bombast eine gewisse Rolle spielt, also vornehmlich das True- und Power-Metal-Klientel ansprechen. Vom Songwriting her würde ich uns bei NIGHTWISH, BLIND GUARDIAN, SONATA ARCTICA und Konsorten einordnen, ohne dass ich behaupten wollte, dass wir bereits durchgehend deren Klasse erreicht haben. Aber wir arbeiten dran. Wie sieht bei euch das Songwriting aus? Bei euch dürfte ja mehr zu beachten sein, als bei "normalen" Bands. Und erläutere bitte mal die Techniken oder die Herangehensweise, die ihr benutzt bzw. mit der ihr teilweise die Instrumente imitiert. Ich weiß gar nicht, ob soviel mehr zu beachten ist. Es ist halt anders. Ich habe alle Songs auf dem Klavier geschrieben, also erstmal mit Harmonien, Gesangslinien und Arrangements rumprobiert. Dann habe ich in einem Sequenzerprogramm ein einfaches Schlagzeug programmiert, um Tempo und Songstruktur festzulegen und habe dann einen vierstimmigen Satz, zusätzlich zur Leadmelodie geschrieben. Teilweise wirklich schulbuchmäßig (z.B. beim Refrain von "The Mission"), wie das der Herr Bach damals so gewollt hätte. Gerade bei den härteren Parts habe ich dann aber eher daran gedacht, was ich als Gitarrist wohl zu einem solchen Teil gespielt hätte und habe dementsprechend agiert. Dabei war wirklich hilfreich, dass sowohl Ike als auch Ross nicht nur tolle Sänger, sondern auch fähige Gitarristen sind. Die hatten die Gesangsparts wirklich schnell im Kopf. Ansonsten bauen wir z.B. bei der Gitarrenimitation viel auf Sound, so haben wir z.B. die Gitarrenstimmen alle noch mal durch einen echten Amp gejagt. Der andere Aspekt ist das lautmalerische, also zum Beispiel „rakkatakka“ für abgedämpfte Achtel-Powerchord-Parts und "Ran-Tan-Tan" für offene, verzerrte Akkorde. Habt ihr alle eine Gesangausbildung? Oder hat jemand von euch Musical/Opernerfahrung? Inga hat jahrelang klassischen und modernen Unterricht gehabt, auch Dennis war bei einer berühmten Musicalausbilderin im Unterricht. Ich habe ein paar Stunden bei Oliver Hartmann (AVANTASIA, AT VANCE) genommen und bin ansonsten, wie Ross und Ike, Autodidakt. Wäre es auch möglich gewesen, das Schlagzeug ebenfalls wegzulassen? Oder fehlt dann letztlich der "Wumms"? Wir haben es natürlich probiert, aber dann fehlen echt die Eier. Das hat mich auch bei APOCALYPTICA immer etwas gestört. Als Dave Lombardo mitgetrommelt hat, konnte man viel besser bangen… Welche Themen verarbeitet ihr in Euren Texten? Sehr persönliche. Das Album hat eigentlich durchgehend das Thema, zu dem zu stehen, was man macht und das zu machen, was man will. Es geht auch ein bisschen darum, einen verlorenen Weg wieder zu finden und mit sich ins Reine zu kommen. Das hat definitiv damit zu tun, dass ich am Ende aus kompositorischer Sicht bei JESTER’S FUNERAL nicht mehr ganz glücklich war und jetzt wieder die Musik mache, die mir selbst 100%ig gefällt. Ihr habt auch zwei Coverversionen auf dem Album. Warum gerade diese Songs? "Stora Rövardansen" ist einfach perfekt. Es ist auch im Original, also im Film „Ronja Räubertochter“ fast genau so intoniert, etwas weniger klar und natürlich ohne Drums und ohne den Metal-Anteil, aber es bringt dieselbe, urtümliche Stimmung rüber. Und von den Harmonien ist das einfach großes Kino, so was komponiert man mal nicht eben selbst. Das ist Weltklasse. "Battery" wollten wir einfach drauf haben, weil wir zeigen wollen, dass wir wirklichen Metal machen und man mit Stimmen eine ähnliche Intensität und Brutalität entwickeln kann wie mit Gitarren und Bässen. Und sind die anderen Songs alle brandneu und extra für VAN CANTO geschrieben oder habt ihr auch welche von Euren anderen Bands "mitgebracht"? Die Eigenkompositionen sind nur für VAN CANTO entstanden. Anders wäre das auch nicht gegangen, ich muss kopfmäßig frei sein beim Schreiben und kann nicht damit umgehen, mich beim Komponieren für die eine oder andere Band zu „entscheiden“. Du hast die Scheibe produziert. Hast du größere Erfahrung auf diesem Gebiet? Ich habe die beiden Platten meiner Surfband aufgenommen und gemischt, außerdem die vierte JESTER’S FUNERAL-Platte gemischt. Ansonsten habe ich noch mit ein paar regionalen Bands Demos in meinem Studio aufgenommen. Ihr könnt mit einem Cover-Artwork von Mattias Noren aufwarten. Wie ist es dazu gekommen? Ich habe viele Alben mit Noren-Artwork. Ich habe ihm einfach eine E-Mail geschrieben, ihm ein Demo vorgespielt und er war direkt dabei. Er hat schnell gearbeitet und unglaublich professionell. Cooler Typ. Wie kann man sich eine Liveshow von euch vorstellen? Gibt es schon Pläne für eine Tour oder Konzerte? Fünf Sänger und ein Drummer, mehr weiß ich auch noch nicht, haha. Wir werden im Sommer auf einigen Festivals unseren Live-Einstand geben, eine größere Tour ist noch nicht in Sicht. Die Herausforderung wird auf jeden Fall sein, sich auf der Bühne zu hören und gemeinsam die Tonart zu halten. Dieses Problem haben natürlich alle A-Capella-Bands, aber alle anderen brüllen auch nicht rum wie die Besessenen. Es wird definitiv ein Riesenspaß, und wir sind sehr motiviert, das ganze professionell rüberzubringen. Die CD ist bisher über diverse Mailorder und eure Homepage erhältlich, und das Label "General Schallplatten" hast du kürzlich gegründet. Geschah das extra für das Album oder wirst du dort auch andere Bands veröffentlichen? Eigentlich habe ich das Label erstmal für „meine“ Bands gegründet. Es ist auch für zwei Bands schon so eine Heidenarbeit, dass ich mir erstmal nicht vorstellen kann, den Aufwand noch für eine andere Band zu betreiben, dann müsste ich schon expandieren. Wir sind bisher aber nur zu zweit. Wir sehen das Ganze auch erstmal als Start, kümmern uns aber um viele Vertriebswege wie ausländische Mailorder oder Metalspezialisten wie EMP. Habt Ihr schon Aussichten auf einen Plattenvertrag bei einem renommierten Label, oder haben schon irgendwelche Firmen ihr Interesse an euch bekundet? Wir haben uns nirgendwo beworben. Wir wollen erstmal für ein bisschen Wind in der Szene sorgen. Mal sehen, ob wir dann für zukünftige Veröffentlichungen mit Labeln sprechen, bzw. angesprochen werden. Auf eurer Homepage und bei YouTube kann man auch schon einen recht professionellen Videoclip zu "The Mission" bewundern. Wie kam es dazu und wer hat den gedreht? Bei dem Video war es so, dass ein langjähriger Freund von mir seine Diplom-Arbeit an der Uni in Detmold schrieb. Er macht da irgendwas in der Schnittstelle aus Innenarchitektur und Mediendesign. Seine Diplom-Arbeit ist die Inszenierung von so einem Video. Sein Thema war, wie man die Art und Weise der Musik, die ohne Instrumente auskommt und trotzdem den ganzen Raum füllt, in Bilder übersetzt. Deswegen hatten wir sozusagen einen Regisseur, einen Cutter und einen Effektspezialisten, der das alles auch für sich gemacht hat und da keine Stunden aufgeschrieben und uns am Ende eine Rechnung präsentiert hat. Genauso mit den Kameramännern und dem Beleuchtungsassistenten: Die haben zwar alle Geld gekriegt, aber das bewegt sich alles im Rahmen. Es ist natürlich toll, ein professionelles Ergebnis erzielen zu können, auch wenn man kein Riesenbudget hat. Kannst du meine Bedenken bzgl. eventueller Abnutzungserscheinungen, die ich in meinem Review geäußert habe, nachvollziehen? Ich weiß nicht genau, wie Du das gemeint hast. Ich glaube nicht, dass unsere Musik nur durch den „Effekt“, ohne Instrumente auszukommen interessant ist, sondern dass auch die Songs wirklich gut sind. Es mag sein, dass die A-Capella-Geschichte uns eher die Möglichkeit gibt, auf die Songs aufmerksam zu machen, die normal instrumentiert vielleicht in der Masse untergehen würden. Das läge dann aber nicht an den Songs, sondern einfach an der Veröffentlichungsflut. Von daher glaube ich schon, dass unsere Musik auch langfristige Daseinsberechtigung hat, weil man die Songs einfach auch so als Metaller gut finden kann. Was ich mir eher vorstellen kann, ist, dass es anstrengend sein könnte, jetzt 2 Stunden am Stück VAN CANTO zu hören. Das ist aber bei jeder Band so. Wenn Du eine so intensive Musik wie Metal magst und hörst, musst Du schon mit dem Kopf dabei sein, wenn Du eine CD einlegst. Einfach nur als Hintergrundbeschallung beim Staubsaugen dürfte es nicht funktionieren. Und konzentriert Zuhören ist nun mal anstrengend, ob jetzt bei DREAM THEATER, AC/DC oder VAN CANTO. Wie sind allgemein die Reaktionen bisher auf das Album? Weißt du schon, ob Ihr auch in den großen Magazinen "stattfinden" werdet? Die großem Magazine haben alle die Scheibe bekommen; mal sehen, ob und wenn ja, was sie daraus machen. Ansonsten waren die Kritiken bisher durchweg positiv. Aber zum Glück eben nicht nur nach dem Motto, „gut gemacht“ sondern eigentlich immer mit dem Hinweis, dass das jetzt mal was Neues ist. Wenn ich so das ein oder andere Internetforum durchsuche, in dem über uns diskutiert wird, geht es teilweise schon ziemlich hin und her zwischen absoluter Begeisterung, musikunabhängigem Respekt für die Idee und die Umsetzung und absoluter Abneigung. Das finde ich schon spannend. Ist auch viel besser als eine Band zu haben, die jeder „okay“ findet, die letztendlich aber keinen interessiert. Wie wird es im Hause VAN CANTO demnächst weitergehen? Habt ihr schon feste Pläne und Ziele? Wir wollen, wie gesagt, auch den Live-Sektor langsam mal angehen und das Album weiter promoten. Ein zweites wird mit ziemlicher Sicherheit auch bald folgen. Wir geben jetzt einfach mal ein bisschen Gas. Dabei wünsche ich viel Erfolg und dass sich der Mut, etwas Neues auszuprobieren, alsbald auszahlen wird.
Lars Schuckar (Info)
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