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Interview mit NIGHT IN GALES (24.11.2024)

NIGHT IN GALES

Der Feuereifer, mit dem NIGHT IN GALES seit ihrem Comeback-Album "The Last Sunsets" (2018) wieder am Start sind, resultiert bereits im vierten "neuen" Album, das am 06. Dezember 2024 unter dem Titel "Shadowreaper" erscheint und von Fredrik Nordström produziert wurde. Der Melodic Death Metal des Quintetts aus Voerde klingt insofern ruppiger als zuvor, während er gleichzeitig nicht einen Gran an Eingängigkeit eingebüßt hat. Der für dieses unwiderstehliche Geknüppel hauptverantwortliche Gitarrist Jens Basten darf also mal wieder einige Fragen zu einem Album beantworten, dessen Songs auch live ganz sicher zünden werden.

Ihr werdet die Frage nach Eurer mit "The Last Sunsets" begonnenen Formkurve sicher oft gestellt bekommen, daher verpacke ich sie mal ein wenig anders: Was hättet Ihr wohl gedacht, wenn Euch vor zehn Jahren jemand erzählt hätte, dass Ihr am Nikolaustag 2024 mit dem bereits vierten "neuen" Album in "alter" Besetzung den Knüppel aus dem Sack lasst und kaum zu bremsen seid – und wie erklärt Ihr Euch diese Erfolgsgeschichte?

Wir hätten zu dem Zeitpunkt sicher ungläubig geguckt und gedacht, dass wir das so nicht hinkriegen würden. Aber schon nach der Resonanz auf "The Last Sunsets" haben wir einen ordentlichen Motivationsschub getankt, der bis jetzt anhält und durch die nachfolgenden Releases noch befeuert wurde. Es ist dann eben doch nicht alles schlecht, bzw. wenn man seinen Platz und vor allem ein unterstützendes Label findet, kann es sogar richtig Spaß machen.

Die unheimliche Gestalt auf dem Cover Eures neuen Albums scheint auf seinem Weg durch düstere Lande Heerscharen von toten Menschen hinter sich zu versammeln bzw. Schatten zu ernten, und auch die Songtitel weisen auf finstere Themen hin. Ist "Shadowreaper" in dieser Hinsicht ein typisches Metal-Album geworden und wurden darauf auch persönliche Themen aufgegriffen?

Richtig erkannt, der "Shadowreaper" erlöst die im "Black Stream" gefangenen Seelen. Es ist sozusagen das Ende nach dem Ende, die nächste "letzte" Stufe. Ein klassisches Metal-Motiv und -Thema, ja, da christlich geprägtes Weltbild mit Himmel und Hölle, oben und unten, Anfang und Ende, Gott und Satan. Das trifft halt auf 99,9% der Musiker zu, die in diesem Umfeld musizieren. Persönlich ist es insofern, dass die Texte von mir stammen und weil ich mir natürlich wie jeder andere Mensch auch darüber bewusst bin, dass unsere Existenz endlich ist. Der Hauptgrund für diese Art der Lyrics ist aber trotzdem, dass sie einfach gut zur Musik passen, es mir leicht fällt, sie zu formulieren und dass es dadurch einen zusätzlichen Zusammenhang zwischen den Alben gibt. So ist auch auf dem Artwork auf der linken Seite der "Black Stream" zu sehen, auf der rechten erkennt man die "Towards The Twilight" Türme.

Leider geil und ziemlich raffiniert ist der Album Opener "Into The Evergrey" mit seinen schönen semi-akustischen Akkorden, und somit habt Ihr selbst etwaige Skeptiker nach zwei Minuten am Haken – konntet Ihr Euch auf die Nummer als Opener schnell einigen und wie hat sich das Album für Euch gefügt?

Freut mich, dass die Nummer für dich an der Stelle auch Sinn macht! Ursprünglich bzw. lange Zeit war "Spirals" als Opener für das Album vorgesehen. Das lag daran, dass dies der erste für das Album geschriebene Song war und dieser meist der Opener wurde, jedenfalls war das bei "Dawnlight Garden" und bei "The Black Stream" so. Das liegt wohl daran, dass ich für eine neue Albumsession bewusst immer mit einem schnellen Song starte, der alle typischen Night-in-Gales-Elemente beeinhaltet und Opener-Qualitäten haben muss. Ein "Nummer-sicher-Song" sozusagen. Das Album war im Prinzip schon lange aufnahmefertig, da es genügend Material zur Ausarbeitung gab. Als dann die Info über Christians Nachwuchs ins Haus flatterte, hat‘s mich dann aber irgendwie gepackt, ich bin ins Studio runter und habe aus dem Stehgreif diesen Song aufgenommen. Das war wirklich einer dieser magischen Momente, von denen man nicht so viele hat. Eine echte Inspiration, ein positiver Energieschub, den man in ein Stück Musik umwandeln konnte. Der war dann ganz klar der Opener für das Album.

Nicht nur bei Eurer ersten Single "Spirals" schimmert die eine oder andere melancholische Melodie durch, ohne dass Ihr jemals Gefahr lauft, dass es kitschig werden könnte. Achtet Ihr gemeinsam auf eine grundsätzliche Härte?

Klar muss man mit Melodien immer enorm aufpassen, da ist man schnell im Happy-Metal- oder Power-Metal-Lager, wenn man nicht aufpasst. Änhlich wie Black Metal und Polka, das ist auch eine knappe Kiste manchmal. Aus dem Grund wollten wir auch mit "Shadowreaper" produktionstechnisch in eine krassere Ecke gehen, da die Musik an sich nicht so unheimlich brutal ist, kann sie eine heftige Produktion vertragen. Das Gegenteil ist Brutal Death bzw. Tech Death: Hier wird heute gerne so klar wie möglich gemischt, damit es nicht wie Grindcore klingt und man es noch verstehen kann, was da gespielt wird.
In unseren Anfangstagen fielen uns die melancholischen Sachen auf der Gitarre übrigens noch nicht so leicht, weswegen insbesondere auf den ersten beiden Alben auch noch diverse positivere Stimmungen eingefangen wurden. In Kombination mit den Vocals und den Lyrics wurde aber natürlich ein Schuh draus, mir gefallen "Towards The Twilight" und das Meiste auf der "Thunderbeast" jedenfalls immer noch sehr.

Wenn man Euch einen Vorwurf machen wollte, dann allenfalls den, dass Ihr Euch dem "guten, alten" Melodic Death Metal verschrieben habt, dem Ihr weiter frischen Wind einhaucht, dabei allerdings auf Experimente oder stilistische Ausreißer weitgehend verzichtet – sind diese Zeiten endgültig vorbei?

Ja genau, das ist einfach unsere Nische, der traditionelle Mid-90er-Melo-Death. Das ist das, was wir gut können und womit wir auch solange weitermachen können bis einer Stopp sagt, haha. Wir haben ja damals bei Nuclear Blast schon sehr viel Neues ausprobiert und sind damit auch schnell auf die Nase gefallen. Das hat sicherlich auch dazu geführt, dass wir jetzt so stockkonservativ innerhalb der Genre-Grenzen musizieren, aber alles andere macht aus meiner Sicht einfach keinen Sinn. Wir sind einfach auch total froh mit Apostasy Records einen Hafen gefunden zu haben, wo wir Album nach Album raushauen können, obwohl wir auf dem Live-Sektor nicht mehr so aktiv sein können wie damals. Das ist schon wirklich eine Luxussituation heutzutage, wo die Erträge aus physischem Tonträgerverkauf immer weiter zurückgehen.

Ich schätze, Du bist für die Kompositionen nach wie vor der Hauptverantwortliche, also verrate uns doch mal, was Du Dir in den Kaffee tust, um einen solch kontinuierlich starken kreativen Output zu ermöglichen? Du kommst ja jetzt seit einigen Jahren mit Riffs und Songideen um die Ecke, bei denen die anderen kaum anders können als sie euphorisiert mit Dir zu zocken…?

Haha, ja es ist tatsächlich ein ungebremster Quell, den ich da irgendwo anzapfen kann. Wie ein Hahn, den man aufdreht und dann zehn Songs rauskommen. Mein Rezept dabei ist einfach und besteht aus 2 Grundregeln:
1. Mache nach einem Album solange es geht Pause mit dem Gitarrenspiel, nehme sie nur zur Hand, wenn du proben musst oder Konzerte gibst. Natürlich darf man sich in dieser Pause Gedanken machen, wie das nächste Album ungefähr klingen soll, aber mehr auch nicht.
2. Schreibe niemals, wenn du schlechte Laune hast, gereizt bist, Stress hast und so weiter. Der Output ist jedenfalls bei mir dann nicht mal 30 Prozent vom Machbaren. Es ist vor allem die eigene Wahrnehmung vom neuen Material, die einen sofort aufhören lässt. Es klappt einfach nichts, wenn man unbedingt will.
Für die "Shadowreaper" habe ich bei 70 Prozent der Songs auch erstmals nicht auf der Gitarre angefangen, sondern zuerst Drums über ein E-Drumkit in meinem Studio eingespielt. Im Kopf hatte ich dabei dann schon ein paar Ideen, wie das ungefähr klingen könnte mit Gitarren und so weiter. Als ich dann nach dieser recht spontanen und ergiebigen Session die Gitarre nahm, ging es auch super fix, und passende Riffs und Melodien saßen schnell. Mir kam die Idee, da dies auch die Arbeitsweise bei dem SubOrbital-Album war, denn da hatte Adriano vor über zehn Jahren mal Drums für ein Album aufgenommen, das dann aber nicht realisiert wurde. Auf diese mir bis dahin unbekannten Drums sollte ich dann zig Jahre später Songs schreiben, daraus wurde dann das SubOrbital Album.

Die Produktion habt Ihr dieses Mal Fredrik Nordström anvertraut. Eure Songs kommen dadurch wuchtiger zur Geltung und mir gefallen die Abmischung des teils geflüsterten Sprach-Gesangs oder der flächige Sound der Becken in den hurtigeren Passagen sehr. Wolltet Ihr durch diesen Wechsel neue Akzente setzen?

Da wir seit dem Neustart mit Christian am Gesang 2018 bei Apostasy bereits drei Alben in exakt dem gleichen Setup, sprich: Dan Swanö für Mix und Master und Costin Chioreanu für das Artwork, gemacht haben, und das zudem in relativ kurzer Zeit, wollten wir einfach mal ein paar Dinge ändern, damit es für unsere Anhängerschaft aber auch für uns selbst interessant bleibt. Der Gedanke, den Produzenten zu wechseln, kam in erster Linie durch den sehr transparenten sauberen Mix vom letzten Album "The Black Stream". Das brachte uns einfach auf die Idee, mal zu schauen, wie wir klingen, wenn eine Schippe mehr Dreck drin sein darf. Die Idee, das im Fredman mischen zu lassen, kam letztendlich vom Luke von Crypts. Ich hatte ihn auf Tobbes Geburtstagsparty im Frühjar getroffen und nach Ideen gefragt. Er kam dann direkt tags drauf mit einer langen Liste von Studios, die er für einen organischeren, realistischeren Sound empfehlen könne, um die Ecke. Und ganz oben auf der Liste stand Fredrik Nordström. Den hatte ich komischerweise gar nicht mehr auf dem Schirm, wahrscheinlich vor allem, weil er in den letzten Jahren eher in anderen Gehaltsklassen unterwegs war, sprich: wenn man im Referenzen-Player auf seiner Homepage nur noch Großkaliber wie BMTH, Arch Enemy, Soilwork und Dimmu Borgir liest, dann vergisst man das lieber wieder schnell. Aber ich habe einfach trotzdem mal angefragt und er hatte sofort Bock, uns zu machen. Und die Wahl war goldrichtig, der Sound auf "Shadowreaper" ist etwas ruppiger ausgefallen und steht dem härteren, weniger auf Hitmelodien ausgerichtetem Songwriting einfach gut zu Gesicht. Der Plan war tatsächlich, ein Album zu produzieren, das insgesamt härter als alle zuvor und zudem etwas unzugänglicher im positiven Sinne ausfällt. Die Songs haben auch keine Längen mehr, es kommt alles schnell auf den Punkt, überflüssiger Ballast wurde aus allen Songs entfernt und Lückenfüller gar nicht erst aufs Album genommen. Aus 18 Songentwürfen in der Vorproduktionsphase wurden nur die besten und für das Album passendsten ausgewählt. Durch die kürzere Laufzeit des Albums legt man es gerne wieder und wieder auf, das geht jedenfalls mir so. Die "Shadowreaper" ist also sowas wie unser "Reign In Blood".

Du hattest vor vier Jahren die Qualität des zeitgenössischen Melodic Death Metals beklagt und Eure Mission beschrieben, den Kids von heute mit frischem Melo Death der "alten Schule" einzuheizen – wie sieht es in dieser Hinsicht nun aus: Kommen zu Euren Konzerten vor allem mittelalte Säcke oder lassen sich auch Jungspunde von Eurer Begeisterung anstecken? Und gibt es Bands, die ihr als "Verbündete" auf Eurer "Melo Death Mission" wahrnehmt?

Das ist richtig und ich beklage es weiterhin und das zurecht. Es ist wirklich eine Frechheit, wo überall Melodic Death draufsteht – schrecklich! Das Problem ist ja nicht nur, dass dadurch ja gar nicht mehr so etwas wie eine Subszene auszumachen ist, weil es alles und jedes sein kann, was irgendwie verzerrte Gitarren und schnelles Schlagzeug hat, sondern es geht auch enorm viel wertvolle Lebenszeit dabei drauf wenn ich (und da geht es sicherlich noch vielen anderen älteren so) überall draufklicke, wo Melodic Death Metal draufsteht, nur um dann nach höchstens 30 Sekunden entnervt und mit richtig schlechter Laune wieder Stopp zu drücken. Für mich ist das vergleichbar mit einer dieser Rechtschreibreformen, einfach ein Unding. Da bin ich echt Musik-Nazi, das geht so nicht.
Auf die Konzerte kommen Leute zwischen 18 und 60, würde ich sagen, der Großteil dürfte aber eher zwischen 35 und 50 liegen, wenn ich das richtig einschätze. Für die jüngere Generation haben wir für eine Melodic-Death-Metal-Band nach deren Definition wahrscheinlich zu wenig fröhlich penetrante Keyboards, zu wenig New-Metal-Clean-Gesang und zu wenig Breakdowns…

Ihr seid ja auf Konzerten nahbare Menschen, die mit ihrer Musik Begeisterung entfachen wollen und live wirklich noch Arsch treten – welche Konzert-Anekdote aus den letzten Jahren erinnert Ihr gerne?

Freut mich, dass das so rüber kommt, haha. Man versucht natürlich, die Stücke so gut wie möglich rüber zu bekommen, das fällt aber je nach Tagesform und einer Vielzahl äußerer Einflüsse schon mal unterschiedlich aus. Wir spielen ja auch bekanntlich in einer Größenordnung, in der wir uns nicht hinter einer blendenden Licht- und Effekt-Show verstecken können, wir kommen jetzt nicht mit einem Sattelschlepper, in dem unsere Bühnendeko ist oder so. Mit Anekdoten sieht es aktuell aber eher mager aus, das krasse Zeug passiert halt doch eher auf Tourneen, da liegt unsere letzte längere ja schon einige Zeit zurück.

Auf welchen Knüppel-aus-dem-Sack freut Ihr Euch in nächster Zeit besonders?

Ich denke, dass die neue Gates Of Ishtar sehr gut werden könnte, jedenfalls klang die kürzlich veröffentlichte Vorproduktion eines Tracks auf Youtube für meine Begriffe sogar besser als deren alte Alben. Ansonsten fällt mir gerade gar nichts ein, worauf ich warte. Oh, ein neues Pantera-Album fände ich natürlich spannend, ein neues von Maiden auch. Das war jetzt aber, glaube ich, nicht das, was du von mir hören wolltest, oder? Auf dem Live-Sektor freue ich mich auf Blood, da ich die noch nie live gesehen habe. Wir spielen zusammen in Emden auf dem Ear-Terror Festival am 9. November.

Danke für Deine Zeit und weiterhin alles Gute! Vielleicht bis demnächst in Wuppertal!

Vielen Dank! Dir auch weiterhin viel Spaß und Erfolg mit deinem Zine! Schön, dass wir uns mal wieder sehen in Wuppertal.

Thor Joakimsson (Info)
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