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Interview mit Palace In Thunderland (26.01.2013)

Palace In Thunderland

"Weshalb sollte man Kreativität mit Etiketten bekleben?" Die Kernfrage eines auskunftsreichen Interviews mit einer der spannendsten Space-Rock-Bands der letzten Zeit ...

Warum lag die Band so lange auf Eis?

Andy: Jeder von uns hatte für sich zu tun, und das musste einfach sein. Wir waren ausgebrannt und frustriert, wobei ich auch glaube, dass jeweils andere Ziele für die Band im Raum standen. Ich kann zwar nicht für die anderen Mitglieder sprechen, aber wir mussten uns wohl zuerst auf eigene Faust musikalisch austoben und individuelle Ideen umsetzen. Ehe wir mit einer frischen Perspektive neu beginnen konnten, bedurfte es der Erfahrung, etwas mit anderen Musikern zuwege zu bringen.

Monte: Ich kann Andy nur beipflichten. Wir waren schon lange vor unserer gemeinsamen Zeit in der Band Freunde, und Musik ist eben mehr, als nur gemeinsam in einem Keller zu lärmen. Seit ungefähr 1994 ergehen wir uns in gemeinsamen Projekten, und bevor es zum Split kam, hatte ständiger Druck von außerhalb die Stimmung innerhalb der Gruppe vergiftet. Das Ende war abzusehen, und hätten wir noch länger gezögert, wären wir später vielleicht nie wieder zusammengekommen. Letztlich ist also alles glatt gelaufen, und wir erhielten die Gelegenheit uns unabhängig voneinander sowohl musikalisch als auch als Menschen weiterzuentwickeln, sodass wir uns jetzt gegenseitig umso höher schätzen. Mir kommt es so vor, als hätten wir uns aus einem Rock-Ausbildungslager in alle Himmelsrichtungen zerstreut und seien mit Superninja-Kräften oder so zurückgekehrt. Die Riffs flutschen nur so aus unseren Fingern, wir schreiben fortwährend und hören nicht auf, solange wir diese angenehme Distanz zu uns selbst wahren können und nicht aus den Augen verlieren, welches Glück wir haben, diesen zweiten Anlauf wagen zu dürfen.

Sind PALACE IN THUNDERLAND euer wichtigstes Projekt?

Andy: Mir geht es im Leben vor allem um meinen Job und darum, am Boden der Tatsachen zu bleiben. Ich will herausfinden, was es wirklich bedeutet, ein menschliches Wesen zu sein, aber was meine Freizeit betrifft, so gilt diese vorwiegend der Band und der Musik allgemein.

Monte: Musikalisch sind PALACE tatsächlich das Wichtigste in meinem Leben ... zweifellos. Je älter ich aber werde, desto besser verstehe ich, wie wichtig eine Familie und Freunde sind, letztere idealerweise mit dem gleichen Stellenwert wie eine Familie. Daraus ziehe ich sehr viel, weshalb ich sogar versuche, meine Zeit vernünftiger einzuteilen, um mehr davon zum Genießen des Lebens zu haben. Die Musik steht demgegenüber also hintan und gilt nur solange etwas, bis sie keine Freude mehr bereitet. Ich will sie gewissermaßen unbeschwert machen. Kreativität liegt mir zwar ernsthaft am Herzen, aber das Musikbusiness darf keinen Einfluss darauf üben. PALACE sind ein wunderbarer Fluchtpunkt angesichts des Stresses im Alltag, denn komme was wolle: die Band ist unsere kleine Rock-'n'-Roll-Familie.

Adam: Als Bassist habe ich von jeher mehrere Bands mit unterschiedlicher stilistischer Ausrichtung unter einen Hut gebracht. Schon während der ersten Jahre mit PALACE spielte ich nebenbei noch in zwei anderen Gruppen. Generell gebe ich keiner den Vorzug gegenüber einer anderen, sondern hänge mich mit ganzem Herzen in jedes Projekt. Palace sind mir folglich sehr wichtig, aber eben nicht ausschließlich.

Matt: Als mir Adam erzählte, er treibe sich wieder mit Monte und Andy herum, wollte auch ich unbedingt mitmachen. Meinen Teil zur Entstehung von Musik beizutragen und sie selbst zu spielen - etwas Befriedigenderes kann ich mir nicht vorstellen.

Was hat es mit Reverse Feed Records auf sich?

Andy: Adam kam auf den Namen und veröffentlichte darunter die Musik seiner Projekte in Eigenregie. Ich habe dann wohl unterbewusst versucht, das Label für PALACE zu annektieren, aber erst mit der neuen EP hat das funktioniert. Adam kann dir aber mehr darüber erzählen.

Adam: Ja, ich habe wie angedeutet Alben, Demos und anderen Krempel unter diesem Namen vertrieben, unter anderem eben unsere EP.

Worauf bezieht sich euer Bandname abgesehenn von "Alice im Wunderland"?

Andy: Er kann eine Menge bedeuten, geht aber auf Dylan Thomas zurück:

"People who have come to the South Bank to study the growth and development of Britain from the Iron Age till now ...will find no braying pageantry, no taxideral museum of Culture, no cold and echoing inhuman hygenic barracks of technical information, no shoddily cajoling emporium of tasteless Empire wares , but something very odd indeed, magical and parochial; a parish-pump made of flying glass and thistledown gauze-thin steel, a rolypoly pudding full of luminous, melodious bells, wheels, coils, engines and organs, alembics and jorums in a palace in thunderland sizzling with scientific witches' brews, a place of trains, bones, planes, ships, sheep, shapes, snipe, mobiles, marbles, brass bands, and cheese, a place painted regardless, and by hand."

Dylan beschrieb hier spielerisch wie kritisch die "Great Exhibition Of The Works Of Industry Of All Nations" die erste Weltausstellung in London. Mich faszinierte seine Wortgewalt schon immer, seit ich Stimmaufnahmen von ihm hörte, doch davon abgesehen mag ich auch seinen kreativen Umgang mit Sprache. Der Ausdruck "A palace in Thunderland" blieb mir im Gedächtnis, weil er die Musik, die ich spielen will, treffend umschreibt: monumentale, majestätische, triumphale Melodien, gespielt von donnernden Instrumenten - PALACE IN THUNDERLAND halt. Die andere können noch etwas dazu sagen.

Monte: Äh ja ... der Bezug zu "Alice im Wunderland" ergab sich schon häufig wegen der phonetischen Ähnlichkeit, aber eine Verbindung besteht eigentlich nicht, außer Dylan Thomas stellte sie her, als er so sprach. Der Name funktioniert jedenfalls gut, klingt geheimnisvoll und so weiter.

"Beyond The Stars" spricht von einer kosmischen Wahrheit; worin besteht die anhaltende Fasziniation für den Weltraum?

Andy: Na ja, zitieren wir einfach mal HAWKWIND: "Space is dark, it is so endless." Das trifft den Nagel eigentlich schon auf den Kopf. Menschen sind von Natur aus neugierig, sei es auf den Weltraum, das eigene Gehirn oder die Tiefe des Meeres. Die großen Mysterien beflügeln uns dazu, über uns selbst hinauswachsen zu wollen. Das All stellt eine machtvolle Muse dar, eine riesige Leinwand, auf die man als Künstler quasi alles Mögliche malen kann.

Monte: Der Weltraum ist unendlich wie die Musik, und folglich schöpft man in künstlerischer Hinsicht immer wieder neues daraus.

Adam: Und wieder HAWKWIND: “Into the void we have to travel, to find the clue which will unravel ...”

"Awakened Dream" verbreitet Wehmut. Worum geht es darin genau?

Andy: Darin behaupten wir, dass der Mensch die meiste Zeit seines Lebens wie im Traum verbringt. Wir verstecken uns hinter Zerstreuungen und schützen uns durch stromliniegenförmige Auffassungen von der Welt ringsum. Unangenehme Wahrheiten ignorieren wir. Unser Denken schürft nicht tief, weshalb wir die Konsequenzen unseres Tuns nicht wahrnehmen; so geschieht es, dass wir uns von unseren Träumen und Wünschen vereinnahmen und einengen lassen. Obwohl wir die Gesellschaft selbst erschaffen haben, klagen wir über deren Zustand, statt etwas daran zu ändern, indem wir unsere Komfortzone verlassen und einen anderen Lebenswandel erlernen. Der erste Schritt dorthin wäre eben getan, wenn wir einen eingehenden Blick auf diesen Traum wagten, den wir Leben nennen. Der Fantasie sind keine Grenzen gesetzt, weshalb man sie schlicht auf die Wirklichkeit anwenden muss. Davon handelt dieses Stück.

Monte: Besser kann ich es nicht sagen, zumal Andy den Text selbst verfasst hat. Für mich persönlich rollen die Riffs und Melodien eine Story über Selbstfindung und -bewusstsein aus. Nicht zuletzt deswegen gehört der Track zu meinen Lieblingen. Auch die Verbindung zwischen Gesang und Musik ist perfekt.

"The Distant Shore" klingt ebenso melancholisch; findet ihr es natürlich, dass rückwärts gerichtete Bands immer etwas Wehmut versprühen?

Andy: Weiß nicht ... Ich kann nur als ein Viertel dieser Band sprechen, und für uns ist es natürlich, wenngleich wir nicht strikt retro sindern, sondern auch Indie- und Shoegaze-Einflüsse geltend machen, wie du in deiner Kritik geschrieben hast. Uns geht es vor allem um gute Melodien und einen üppigen akustischen Teppich, aber diese Melancholie ist nur ein Aspekt dessen, was wir schreiberisch ausdrücken. Es geht dabei um Sehnsucht, wiewohl die Songs letzten Endes ein erhebendes Gefühl vermitteln sollen - Transzendenz und zugleich eine Menge Freude.

Monte: Jeder von uns bringt seine eigenen Einflüsse mit, was manchmal gut funktioniert und ein anderes Mal in die Binsen geht. Wir sind stets bemüht, etwas Originelles zu erschaffen, aber am Ende steht es eben für sich selbst da und muss sich von außen bewerten lassen. Solange wir selbst happy mit dem Ergebnis sind, ist das aber egal, weshalb ich mich auch nicht sonderlich um andere Gruppen kümmere. Weshalb sollte man Kreativität mit Etiketten bekleben? Das engt einfach nur ein.

Wie weit wollt ihr es mit der Band treiben?

Andy: Das ergibt sich mit der Zeit wohl von selbst. Wir wollen einfach nur eine Musikgruppe sein und herausfinden, was es bedeutet auf dieser Ebene eine Beziehung zu führen; was bedeutet es, eine Band zu sein? Zumindest ist das die Frage, die mich beschäftigt, aber ich kann natürlich nicht für die anderen sprechen. Im Kern geht es mir darum, eine offene, ehrliche Beziehung als Band zu pflegen und gemeinsam stark zu sein. Wenn man das nicht kann, treibt man es auch nicht weit, sondern verzehrt sich nur selbst.

Monte: Als kleiner Junge wollte ich Rockstar werden. So, jetzt ist es raus. Zu dumm nur, dass alle meine ehemaligen Helden heute geläuterte Süchtige mit eigenen Reality-Shows sind, die etwas vn der Kohle zurückbringen sollen, die sie sich früher die Nase hochgezogen haben. Dieser Traum war also nicht das Wahre, als kam mir der Gedanke, es sei schön, von Musik leben zu können, doch wenn ich heute auf meine Wünsche von einst zurückblicke, kann ich nur lachen. Jetzt will ich einfach nur noch glücklich sein, und das bin ich, wenn ich mit dieser Band spiele. Falls wir nicht über lokale Shows und so weiter hinauskommen, bricht mir das keinen ab. Kommen wir weiter, ohne Familie und Freunde aufs Spiel zu setzen, umso besser.

Adam: Ich verfolge keine konkreten Ziele, sondern will nur so viel gute Musik schreiben und aufnehmen wie möglich. Das Potenzial zur Entfaltung ist bei PALACE höher als bei allen anderen Bands, in denen ich bislang gespielt habe. Wir surfen alle auf der gleichen Linie und sind motiviert, uns weiterzuentwickeln.

Matt: Mir kommt es vor allem auf das Feeling an, das ich beim Spielen mit diesen Jungs habe. Rock steht hier an erster Stelle, und jede Probe stellt eine Herausforderung dar, aber ich denke, alles ist möglich.

Und was konkret als nächstes?

Andy: Neues Material, das schon fertig komponiert ist. Das Album wird "In The Afterglow Of Unity" heißen und eine EP mit weiteren Stücken nach sich ziehen, vielleicht auch Bonustracks für zukünftige Veröffentlichungen. Ferner hoffen wir immer noch, Eddie Van Halen ins Boot zu holen, und dazu brauchen wir ein triumphales Video.

Monte: Das Album steht als nächstes an, genau, und eine Split ist ebenfalls im Gespräch. Einige Fans fragen nach Vinyl, aber dahingehend steht noch nichts fest.

Andreas Schiffmann (Info)
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