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Amphi Festival 2012 - Samstag - Köln, Tanzbrunnen - 21.07.2012

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Amphi Festival 2012Na also, es geht doch. Nachdem der Sommer 2012 sich längere Zeit von seiner allerschlechtesten Seite zeigte, nahte pünktlich zur achten Ausgabe des Amphi Festivals in Köln das langersehnte Azorenhoch. Und obwohl es am ersten Festivaltag noch ziemlich grau am Himmel ist, bleibt es zur Überraschung aller komplett trocken, am Sonntag ist es dann sogar richtig sommerlich. Gute Voraussetzungen also für das Gelingen des schwarzen Szenetreffs im Tanzbrunnen.

Eine Galerie mit Impressionen vom Festival gibt es bei Facebook oder bei Flicker.

Auch in 2012 ist das Amphi Festivals wieder ausverkauft und so tummeln sich an zwei Tagen über 16.000 Gäste in der schönen Location direkt am Rhein. Natürlich haben sich auch viele Besucher wieder besonders viel Mühe mit ihren Outfits gegeben und dem Trend entsprechend sieht man in diesem Jahr vermehrt Kostümierungen im beliebten Steampunk-Stil. Darüber hinaus herrscht das gewohnte Bild: von knallbunten Neonhäschen über das edle Renaissance-Kleid bis zum punkigen 80er-Wavelook ist so ziemlich jeder Stil, der mal in der schwarzen Szene angesagt war und ist, vertreten. Auch einige Metaller haben sich wieder unter das Volk gemischt, so dass sich wieder eine schwarzbunte Mischung ergibt. Klar, für viele ist so ein Festival auch immer ein bisschen Schaulaufen, aber daran stört sich natürlich niemand.

Im Gegensatz zu den Preisen für Essen und Getränke. Die sind im Vergleich zum Vorjahr sogar nochmals angestiegen und spotten mitunter jeder Beschreibung. Hotdog in IKEA-Größe und Geschmack für 3,50 €, Spießbratenbrötchen für 5 €, winzig kleine Pizza Margherita für 5,50 €, Gyrostasche  und Asia-Nudeln mit drei Stückchen Hähnchenfleisch für 6 €  - es ist wirklich unverschämt, was hier für Preise aufgerufen werden, zumal die Portionen alles andere als üppig ausfallen und die Qualität der Speisen noch nicht einmal besonders hoch ist. Kaum besser sieht es bei den Getränken aus, für 0,5l Bier bzw. alkoholfreie Getränke in Plastikflaschen legt man 4 € auf den Tresen. Zwar gibt es eine Trinkwasserstelle, an der man sich kostenlos Becher und Flaschen auffüllen kann, doch hier ist besonders am Sonntag langes Anstehen angesagt. Zwar kann man das Festivalgelände verlassen, um in Köln-Deutz etwas essen zu gehen, doch auch das ist keine Alternative der ersten Wahl.

Viel Geld ausgeben kann man natürlich auch wieder an den zahlreichen Bekleidungs-, Tonträger- und Merchandise-Ständen – warum man jedoch BURZUM-Shirts auf dem Amphi Festival erwerben kann, ist auch nicht ganz nachvollziehbar. Doch genug der Meckerei, denn trotz allem ist auch die diesjährige Auflage des Festivals als überaus gelungen zu bezeichnen, was sowohl an der allgemein guten Stimmung, als vor allem auch an den Performance der aufspielenden Bands und Künstler liegt.

Die ersten Bands am Samstag heißen THE WARS, A-LIFE DIVIDED, EISENFUNK und TYSKE LUDDER – aus organisatorischen Gründen sind es jedoch die EBM-Klänge von SPETSNAZ, die ich als Erste im Rund des Tanzbrunnens vernehme und zum Clubhit "Apathy" sieht man bereits jede Menge Leute das Tanzbein schwingen. Mind.In.A.BoxAuf der Hauptbühne geht es danach mit MIND.IN.A.BOX weiter, was einigermaßen skurril wirkt. Eines der Trademarks der österreichischen Formation sind die verfremdeten Vocals und daraus ergibt sich ein seltsames Verhältnis aus akustischer und optischer Wahrnehmung. Sänger Stefan Poiss sieht nämlich aus wie ein freundlicher Lehrer (also schon recht bieder), wenn er jedoch anfängt zu singen, hört man zumeist eine modulierte Micky-Maus-Stimme. Eine sehr obskure Kombination. Das Instrument von Gitarrist Adam Wehsely-Swiczinskyin (der auch Produktdesigner ist) in seiner türkisen Bubbleoptik ist ebenfalls ein Hingucker. Durch den Einsatz von Gitarre, Bass und Schlagzeug wirkt der angenehm kühle Elektrosound der Band etwas rockiger und  basischer  als auf Platte und dafür kassieren MIND.IN.A.BOX dann auch ordentlich Applaus.

Corvus CoraxMächtig eng wird es auf der Bühne beim Auftritt von CORVUS CORAX. Die selbsternannten Könige der Spielleute haben nämlich nicht nur eine riesige Drehleier, die gleich von zwei Männern gespielt werden muss, sondern auch jede Menge Dekoration mitgebracht und sorgen so für ein prachtvolles Bühnenbild. Mit Maskenhelmen bekleidet und kräftigen Stößen in die Hörner verbreitet man zunächst eine düstere Stimmung, doch schon beim zweiten Song fallen die Masken und man kann den Spielleuten ins Gesicht sehen. Mit ihrem reinen Mittelaltersound sorgen CORVUS CORAX dann auch schnell für beste Stimmung im Publikum. Angetrieben vom dröhnenden Sound der gigantischen Trommeln auf der Bühne erklingen Dudelsäcke und Flöten, dazu der raue Gesang von Castus Rabensang und die mächtigen Hintergrundchöre. Zwar erreicht man nicht die Intensität der Shows im Rahmen der Cantus Buranus-Auftritte, doch auch an diesem Nachmittag lässt man sich von "Milli Anni Passi Sunt", "Venus Vina Musica" oder "In Taberna" gerne in mittelalterliche Spelunken entführen – zumindest in der Fantasie. Somit muss man CORVUS CORAX attestieren, das erste Highlight des Tages zu sein.

SITDEine großartige Show kann man von [:SITD:], die im Staatenhaus aufspielen, nicht erwarten. Was wiederum egal ist, wenn eine Band Songs vom Schlage "Lebensborn", "Laughingstock", "Richtfest" und natürlich "Snuff Machinery" in der Setlist hat. Das Dark-Electro-Trio aus dem Ruhrgebiet lockt mit seiner Kombination aus stampfenden Midtempo-Rhythmen und trancig-melodiösen Flächen vor allem tanzwütige Besucher in die finstere Halle und liefert einen soliden Auftritt ab. Während sich Thomas Lesczenski und Frank D‘Angelo hinter ihren Apples verstecken, stapft Fronter Carsten Jacek über den vorderen Bereich der Bühne und lehnt sich immer wieder weit in den Fotograben hinein, um dem Publikum die Texte entgegen zu sprechsingen. Wie gesagt, eine aufregende Show geht anders, aber hier zählt dann auch einfach mal die gute Musik.

HaujobbNoch bessere Musik haben danach HAUJOBB zu bieten. Die legendäre IDM-Truppe um den charismatischen Sänger und Soundtüftler Daniel Myer hat sich vom Bühnenabschied, den man 2008 auf dem Amphi Festival beging, bekanntlich wieder verabschiedet und beweist, dass man elektronische Musik auf einem Festival tatsächlich auch selber machen kann und nicht auf eingespeicherte Patterns und Sequenzen zurückgreifen muss. Mit dem neuen Album "New World March" im Gepäck ist man also wieder voll dabei und legt einen energischen Auftritt auf die Bretter. Zumindest bei den ersten drei Songs, denn auf der Hauptbühne sind als nächstes EISBRECHER an der Reihe, die man nur ungern verpasst.

Auch wenn der Electro-Rock der süddeutschen Truppe alles andere als revolutionär ist, hat man doch zwei dicke Trümpfe im Ärmel. Zum einen nämlich jede Menge eingängiger Songs und Szenehits, mit denen man allein schon jedes Publikum für sich gewinnen kann. Und dann ist da natürlich noch Frontmann Alexx Wesselsky, dessen Name in jedem Lexikon unter dem Stichwort "Rampensau" zu finden sein sollte. Dank seiner unwiderstehlichen Mischung aus Publikumsnähe, Prolligkeit und Charme frisst ihm wirklich jedes Publikum aus der Hand, sei es beim metallischen Summer Breeze oder hier beim Amphi Festival. Klar, dass die Mitmusiker auf der Bühne da zu Statisten degradiert werden, auch wenn Gitarrist und Songschreiber Noel Pix immer mal wieder versucht, auch ein bisschen Rockstar zu sein, nur wirkt er dabei nicht mal ansatzweise so sympathisch wie sein Sänger. Der knutscht dann auch gerne mal Gitarrist Jürgen Plangger oder packt die Reitgerte aus, Eisbrechermit der er sich vom freudig im Fotograben rumhüpfenden Amphi-Dauergast Dr. Mark Benecke den Hintern versohlen lässt. Natürlich bekommen auch die anderen Musiker mal den Lederriemen zu spüren. Den ersten Teil der Show, in dem viele Songs des neuen Longplayers "Die Hölle muss warten" gespielt werden, lassen EISBRECHER aufzeichnen, danach erst lässt man die Stimmung mit "Schwarze Witwe", "Vergissmeinnicht", "Heilig", "This is deutsch" (natürlich mit Jodeleinlage und Seppelhut) und dem unvermeidlichen Klassiker "Miststück" richtig hochkochen. Dabei rennt Alexx mitten ins Publikum und hält den Besuchern das Mikrofon vor die Nase, zwischendrin wird auch mal FALCOs "Rock Me Amadeus" in den Song eingebaut. Immer wieder spannend auch, wie viele Frauen den Text von "Miststück" inbrünstig mitsingen – geht es dabei doch um eine bestimmte Spezies ihrer eigenen Gattung. Den Abschluss macht der eher lahme Titeltrack des neuen Albums. Trotzdem eine wie immer gelungene Show des Checkers und seiner Mannschaft, an der es kaum etwas auszusetzen gibt.

Kommen wir zum persönlichen Teil des Berichts. THE SISTERS OF MERCY sind seit fast 20 Jahren eine meiner Lieblingsbands. Live habe ich sie bislang aber noch nicht gesehen. Nun hat sich Andrew Eldritch in der jüngeren Vergangenheit nicht gerade mit Ruhm bekleckert, wenn es um Liveauftritte ging. Von schwachen Setlists, lustlosen Performances und Unmengen von Nebel auf der Bühne, der verhindert, dass man irgendwas sieht, war da stets die Rede. So kann man sich auch den Ruf einer legendären Band versauen. Dementsprechend sind meine Erwartungen an den Auftritt nicht sonderlich hoch – dann wird man schließlich auch nicht enttäuscht. The Sisters Of MercyDas Fazit sei an dieser Stelle vorweggenommen: der Auftritt auf dem Amphi Festival wird wohl als einer der besseren in die jüngere Bandgeschichte eingehen. Das liegt vor allem an einer recht ansprechenden Setlist und der Tatsache, dass man es nicht schafft, so viel Nebel auf die Bühne zu blasen, dass man nichts sehen würde. Das Publikum jedenfalls feiert den Auftritt gut ab, die Diehard-Fans sitzen und stehen gestikulierend auf den Schultern – das kennt man von Auftritten der FIELDS OF THE NEPHILIM. Apropos: wo die in Carl McCoy einen bis heute charismatischen Frontmann haben, kann davon bei Andrew Eldritch keine Rede sein. Der sieht mit Glatze und seinem Bart aus wie Rob Halford zu TWO-Zeiten und wirkt auch heute alles andere als enthusiastisch. Das neonbunte Shirt hat er aber immerhin unter einem schwarzen Hemd versteckt. Seine Performance wirkt oft lustlos, manch einen seiner Gesichtsausdrücke könnte man gar als angewidert interpretieren. Andererseits gibt es sogar Ansagen an das Publikum und auch stimmlich geht seine Darbietung durchaus in Ordnung.

THE SISTERS OF MERCY stehen 2012 mit zwei Gitarristen auf der Bühne – allerdings sieht man keinen Bassisten, obwohl man die charakteristischen Bassläufe gerade bei den ganz alten Stücken deutlich hört. Die kommen dann eben aus dem Computer, was schade ist, ein echter Bassist würde dem ganzen wohl mehr Leben einhauchen. Zumindest die beiden Gitarristen sind so etwas wie Aktivposten und besonders Ben Christo sieht man den Spaß an der Sache an, während Chris Catalyst den coolen Rocker mimt. The Sisters Of MercyIm späteren Verlauf des Konzertes kommt zudem die irische Sängerin Lisa Cuthbert (kennt man von ANTIMATTER) auf die Bühne, um ein paar der Klassiker mitzusingen. Dass sie "This Corrosion" ganz allein und nur mit Pianobegleitung singt, polarisiert – der eine Teil des Publikums findet es großartig, der andere ist enttäuscht davon, dass der sonst gut abgehende Song in einer solchen Version gespielt wird. Zu diesem Zeitpunkt kann man aber auch schon von einem ordentlichen Auftritt der Sisters sprechen. Obwohl der Einstieg mit "Kiss The Carpet" gut gewählt ist, dauert es eine gute halbe Stunde, bis der schwache Funke von der Bühne aufs Publikum überspringt. "Crash And Burn", "Flood" und "Amphetamine Logic" folgen und erst ab "A Rock And A Hard Place" löst sich die spürbare Skepsis im Publikum und weicht langsam dem Schwelgen in wunderbaren Songs. Zwar gehört "We Are The Same, Susanne" nicht gerade zu den Klassikern der Band, wohl aber "First And Last And Always", "Alice", "Dominion/Mother Russia", "More" (leider nur in Kurzfassung), "Vision Thing", "Lucretia My Reflection" und natürlich das am Ende platzierte "Temple Of Love". Dank dieses wirklich guten zweiten Teils  wird man nicht Zeuge davon, wie sich eine Legende demontiert, sondern kann den Auftritt als ordentlich verbuchen.

DAFIm Staatenhaus sind derweil noch APOPTYGMA BERZERK an der Reihe, doch zieht es mich nun erst einmal zu den Asia-Nudeln für 6 €, neben dem Preis macht vor allem der Schärfegrad der Soße für Eindruck. Wie in jedem Jahr gibt es dann noch eine Nachzüglerband in der Indoor-Location und wie in jedem Jahr verstehe ich auch dieses Jahr nicht, warum die Pause zwischen der vorherigen und dieser Band so lang gehalten wird. 40 Minuten Umbaupause zwischen den Berserkern und DAF sind angesichts der Tatsache, dass nur ein Schlagzeug und eine LED-Wand auf der Bühne stehen, nicht nachvollziehbar. Sei’s drum. Zunächst nimmt Robert Görl zu den Introklängen an seinem Drumkit Platz, dann kommt Gabi Delgado-López grinsend auf die Bühne, stellt sich mit verschränkten Armen vorne hin und schaut sich erst einmal an, wie viele Leute denn noch da sind, die er dann mit "Guten Abend, deutsche Jungs und deutsche Mädchen, wir sind die Deutsch Amerikanische Jugend" begrüßt. Und schon geht es ab – und zwar direkt mit dem vielleicht größten Hit, den DAF hatten: "Verschwende deine Jugend". Dass der Sänger trotz seines Alters immer noch ganz gut aussieht, weiß er wohl und das merkt man seinem etwas geckenhaften Gehabe auch an. Dafür springt er aber auch sehr agil über die Bühne. Der zweite ganz große Hit der Band, nämlich "Tanz den Mussolini" kommt an dritter Stelle – da fragt man sich doch ernsthaft, was in den verbleibenden 60 Minuten noch kommen soll. Dieser Überlegung folgend reift der Entschluss, einen Zug früher nach Hause zu nehmen, weshalb der erste Amphi-Tag sich für mich nun dem raschen Ende neigt.

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Andreas Schulz (Info)

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