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Amphi Festival 2013 - Sonntag - Köln, Tanzbrunnen - 21.07.2013

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Kaum zu glauben, aber wahr: der Amphi-Sonntag setzt in Sachen Sommerhitze gegenüber dem ersten Tag nochmals einen drauf. Den ganzen Tag herrscht strahlend blauer Himmel und die Temperatur überschreitet die 30°C-Marke schon am frühen Nachmittag. An den Wasserausgabestellen bilden sich schnell lange Schlangen, denn ohne regelmäßige Flüssigkeitszufuhr ist es kaum auszuhalten. Im Laufe des Nachmittags sieht man einige Unerschrockene gar im Brackwasser des Tanzbrunnens plantschen - ob das gesundheitsfördernd ist, sei mal dahingestellt.

Bei der Ankunft an der Location steht gerade BEN IVORY mit seiner Band auf der Bühne und versucht, das schattensuchende Publikum von sich zu überzeugen. Der eher poppig-rockende Sound, mit dem es Sänger und Model Ivory auch schon zum deutschen Vorentscheid zum Eurovision Song Contest schaffte (und dort Rang sieben belegte), lädt aber nicht unbedingt zum Verweilen vor der Bühne ein. The Beauty Of GeminaGanz anders sieht es dann bei THE BEAUTY OF GEMINA aus. Die Schweizer Dark Rocker haben in diesem Jahr mit der Akustikscheibe "The Myrrh Sessions" ein großartiges Album vorgelegt, spielen aber auf dem Amphi zunächst ein "normales" Set. Die Band ist übrigens zum ersten Mal dabei und erspielt sich am frühen Nachmittag sicherlich einige neue Fans. Dem Opener "Victims Of Love" folgt mit dem ungewöhnlichen, treibenden "The Lonesome Death Of A Goth DJ" direkt eine erste Überraschung, während der platinblonde, charismatische Frontmann Michael Sele die Aufmerksamkeit mit seinem Stageacting auf sich zieht. Das düstere "Suicide Landscape" wird von ihm mit ein paar Worten zur Selbstmordrate in der Schweiz eingeleitet, bevor es zum Höhepunkt des Sets kommt: auf dem Plan steht "Dark Rain", das auf dem Akustikalbum in einer grandiosen Gothic-Blues-Version zu hören ist und genau diese Version spielen THE BEAUTY OF GEMINA auch, was den Verfasser dieser Zeilen tief bewegt. Vor "Dark Revolution" erzählt Sele dann eine Anekdote vom Schweizer Radio, das sich weigert, die Songs der Band zu spielen, weil sie schlecht für die Gesundheit der Hörer wären. Davon ist heute nichts zu merken, im Gegenteil. Nach dem wunderbaren "Rumours" folgt dann mit "Last Night Home" auch schon der letzte Song und beendet einen der besten Auftritte in diesem Jahr.

Icon Of CoilAndy LaPlegua ist ebenfalls ein Dauergast auf dem Amphi Festival. Im letzten Jahr legte er mit COMBICHRIST das Staatenhaus in Schutt und Asche, in diesem Jahr ist er mit seiner Ursprungsband ICON OF COIL und Partner Christian Lund am Start. Bei mörderisch lautem Sound mit brachialem Bass und mit Sonnenbrille auf der Nase kommt Andy auf die Bühne und hat sichtbar Hummeln im Hintern, wie ein wildes Tier im Käfig tigert er über die Bühne. Allerdings flippt er nicht ganz so aus wie bei einer COMBICHRIST-Show, was auch nicht zum Future Pop von ICON OF COIL passen würde. Die Anhängerschaft in den ersten Reihen geht bei Songs wie  "Situations Like These", "Regret" und "Thrillcapsule" gleich gut mit, allerdings merkt man auch, dass nur wenige Leute mit dem Songmaterial wirklich vertraut sind - was daran liegen mag, dass die Songs mindestens acht Jahre auf dem Buckel haben und ICON OF COIL im Vergleich zu Andys anderer Band erfolgstechnisch eher kleinere Brötchen gebacken haben. Und weil das zwar ganz nett ist, was da auf der Bühne abgeht, aber eben nicht so richtig dolle mitreißend, folgt ein kurzer Abstecher ins Staatenhaus.

Dort steht die Münchener Pagan-Folk-Formation FAUN auf dem Programm. Die spielen zum Linecheck zur Freude des Publikums in Vollbesetzung einen ganzen Song, verschwinden dann nochmal kurz hinter der Bühne, um dann für den Auftritt selber wiederzukommen. Für ihr letztes Album "Von den Elben" gab es von der Fanbasis einiges an Kritik und man befürchtete gar den Ausverkauf auf UNHEILIG-Niveau - davon ist heute nachmittag aber nichts zu spüren. FaunDer ätherische Naturfolk der Band wird vom Publikum mit Begeisterung aufgenommen und das Zusammenspiel von akustischen Instrumenten und den wirklich schönen Stimmen der Musiker/-innen entfaltet eine zauberhafte Atmosphäre. Das wird durch das wiederum fast nur von hinten kommende Licht ebenso stimmig unterstützt. Nach den ersten drei Songs "Andro", "Zeitgeist" und "Diese kalte Nacht" zieht es den Schreiber aber wieder ans Tageslicht, denn auch wenn es eigentlich wenig am Auftritt von FAUN auszusetzen gibt, so ist die Angelegenheit dann doch ein bisschen zu säuselig, um ihr 50 Minuten lang beizuwohnen. Auf der Hauptbühne wummert noch immer der Bass von ICON OF COIL und weil das Publikum in den Augen von LaPlegua nicht genug abgeht, hüpft er beim letzten Song "Pursuit" von der Bühne und läuft durchs Publikum. Berührungsängste hat der Knabe jedenfalls keine.

Letzte InstanzÜber mangelnden Zuspruch von Seiten des Publikums können sich LETZTE INSTANZ dann sicher nicht beklagen. Vom ersten Song "Flucht ins Glück" an ist die Stimmung prächtig und bei den schnelleren Songs hüpfen und springen die Fans in den vorderen Reihen. Die gute Resonanz ist die logische Antwort auf die Action auf der Bühne: der auf seinem Thron sitzende Cellist Benni Cellini lässt die Dreads fliegen, Violinist M.Stolz spielt sein Instrument mit Hingabe und dem wie immer eine Wollmütze tragende Sänger Holly ist die gute Laune deutlich anzusehen. Allerdings kapituliert auch er schnell vor dem Wetter und nimmt die Kopfbedeckung schon bei der zweiten Nummer "Nur für uns" ab. Der gefühlvolle, aber kräftige Folkrock der Band wird mit wedelnden Armen aus dem Publikum begleitet und ist die ideale Musik für einen Festivalnachmittag. Höhepunkt des Sets, das sich weitestgehend auf jüngere Songs beschränkt, ist die abschließende Ballade "Wir sind allein", bei der das Publikum lauthals mitsingt.

Der Amphi-Sonntag ist vor allem für Freunde von düsterer Rockmusik ein Freudentag, zumindest auf der Hauptbühne. Dort stehen als nächstes DIARY OF DREAMS auf dem Programm. Die haben zwar auch zuletzt mit "The Anatomy Of Silence" ein Akustikalbum aufgenommen und eine passende Tour absolviert, spielen aber heute ein normales Best-Of-Set, das kaum Wünsche offen lässt. Diary Of DreamsDreh- und Angelpunkt auf der Bühne sind wie immer der hünenhafte Frontmann Adrian Hates und Iro-Gitarrist Gaun:A, die anderen Musiker werden schon beinahe zu Statisten degradiert. Auffällig ist, mit wieviel Biss und Aggression die ersten Songs "The Wedding" und "Chemicals" dargeboten werden - in der Form würde sich die Band auch auf einem Metal-Festival durchsetzen, ASP haben es vorgemacht. Und auch wenn das "Ego:X"-Album nicht unbedingt zu den Highlights der Diskografie zählt, fügen sich dessen Songs "Lebenslang", "Mein-Eid" und vor allem das eingängige "Undividable" prima ins Set ein, das mit "Butterfly:Dance!", "MenschFeind", dem wunderschönen "King of Nowhere", dem härteren "The Curse" und "Kindrom" die Stimmung im Publikum problemlos auf höchstem Niveau hält. Den Abschluss macht dann ein Song, den man bisher nicht live zu hören bekommen hat, wie Adrian es ankündigt. Was natürlich ein Witz ist, denn "Traumtänzer" ist traditionell der Abschluss-Song eines jeden DIARY OF DREAMS-Konzertes, darf natürlich auch heute nicht fehlen und wird von tausenden Kehlen mitgesungen. Super Band, super Auftritt (wie immer also) und man darf gespannt sein, wie das nächste Album ausfallen wird.

Oomph!Als EBM-Formation gestartet, dann immer mehr Gitarren in ihren Sound involvierend, waren OOMPH! nicht nur Vorreiter der späteren NDH-Welle, sondern auch Vorbild für eine Band wie RAMMSTEIN. Mit zunehmendem Erfolg (der Höhepunkt war 2004 erreicht, als man das große Kölner Palladium voll machte), wurde die Musik der Band aber immer massentauglicher und die Fanschicht wandelte sich zunehmends. Zwar gibt es an diesem frühen Abend mit "Der neue Gott" und "Gekreuzigt" auch Songs für die alten Fans, doch das Gros besteht aus eingängigen Singalong-Stücken wie "Labyrinth", "Träumst du", ihrem deutschen Cover des BRONSKI BEAT-Klassikers "Smalltown Boy" (hier "Kleinstadtboy") und den unvermeidlichen "Augen auf!" und "Gott ist ein Popstar". Wie schon im letzten Jahr ist die Band in maritime Outfits gekleidet, lediglich Frontmann Dero steht anfangs als Anti-Superheld verkleidet auf der Bühne und sieht damit aus - man entschuldige die drastische Wortwahl - wie ein Idiot. Aber das ist wohl auch die Absicht dahinter. Im Laufe des Sets ändert er sein Outfit und sieht später aus wie der Batman-Joker in Weiß und wagt sich gar zu einem Stagedive. Das alles kommt beim Publikum natürlich prima an und so dürfen auch OOMPH! diesen Auftritt als vollen Erfolg verbuchen - auch wenn wenn die Zeiten des eindringlichen Electro-Rocks irgendwie vorbei und die Wolfsburger inzwischen eher der seichten Unterhaltung zuträglich sind.

Fields Of The NephilimVielleicht wäre es die bessere Idee gewesen, nochmal einen Abstecher ins Staatenhaus zu machen, um der Grand Dame des poetischen Postpunk zu huldigen, aber nur einen Teil des Sets von ANNE CLARK zu sehen, wäre auch unbefriedigend, denn ab 20:35 Uhr steht die Band als Headliner auf dem Programm, die zu den wichtigsten überhaupt für den Verfasser dieser Zeilen gehört: FIELDS OF THE NEPHILIM. Da die legendäre Band um Carl McCoy beim letzten Auftritt in Krefeld vor allem aufgrund des nahezu unhörbaren Sounds enttäuscht hatte, ist zunächst leichte Skepsis angesagt, die verfliegt jedoch schnell. Der beschwörerische Gothic Rock ist heute nahezu perfekt abgemischt, Großmeister McCoy ist hervorragend bei Stimme und die Setlist hat ein paar Überraschungen zu bieten. Zwar ist es vor der Bühne bei weitem nicht so voll, wie am Vorabend bei VNV NATION, doch diejenigen, die sich die Fields nicht entgehen lassen wollen, werden mit einem traumhaften Set belohnt. Dem "Harmonica Man"-Intro folgt direkt die erste Überraschung, nämlich der Opener des "The Nephilim"-Albums "Endemoniada" - den hat man zuletzt nicht oft zu hören bekommen. Dass man direkt danach mit "Moonchild" einen Kulthit vom Stapel lässt, mag ebenfalls überraschend sein, andererseits ist es dem gefügigen Fan eh egal, welcher Song gespielt wird, denn man liebt einfach jeden. Wie üblich ist das Augenmerk komplett auf Carl gerichtet, der mit seinem unnachahmlichen Charisma und wie üblich ohne Ansagen durch das stimmungsvolle Set dirigiert. Wieder mit dabei ist übrigens Ur-Bassist Tony Pettitt, der mit seiner lässigen Art deutlich mehr Ausstrahlung hat, als die beiden Gitarristen, von denen aber zumindest Gavin King deutlich mehr den Fields-Spirit verkörpert, als Andy James mit Sonnenbrille und Bandana. Fields Of The NephilimWas letztlich aber auch egal ist, denn hier zählt vor allem die Musik. Nach "Love Under Will" folgt mit "New Gold Dawn" eines der neueren Stücke und mit "One More Nightmare" und dem schwelgerischen "From The Fire" haben auch wieder zwei Non-Album-Tracks ins Set gefunden. Wie üblich stellen sich auch immer wieder Fans auf die Schultern anderer und huldigen der besten Gothic-Rock-Band aller Zeiten. Das laut umjubelte "Preacher Man" und der Übersong "The Watchman" sorgen für Glückseligkeit, "Dawnrazor" und "Psychonaut" läuten dann so langsam das Ende ein. McCoy bedankt sich kurz beim Publikum und die Band verschwindet, wird aber natürlich für eine Zugabe zurückgerufen. Und die ist nicht "Last Exit From The Lost", sondern "Mourning Sun". Das mag verwundern, doch der epische Song eignet sich genauso für den Abschluss eines großartigen Konzertes.

Auf ein paar Minuten PETER HEPPNER im Staatenhaus wird verzichtet und so geht das neunte Amphi Festival dann auch langsam zu Ende. Ob sich an den anfangs erwähnten Kritikpunkten für die Jubiläumsauflage, die am 26. und 27. Juli 2014 stattfindet, etwas ändern wird, ist fraglich, wäre aber wünschenswert. Ansonsten war das diesjährige Festival vor allem von der Bandauswahl her mehr als gelungen, das tolle Wetter und die ansonsten gute Organisation haben perfekt abgerundet.

Inzwischen wurden auch die ersten Bands für das zehnte Amphi Festival bekannt gegeben, mit dabei sind EISBRECHER, MONO INC., HOCICO, IAMX, NACHTMAHR, ZEROMANCER, ROTERSAND, LORD OF THE LOST, AESTHETIC PERFECTION, SOLAR FAKE, EISENFUNK, UNZUCHT, MAERZFELD und CENTHRON.

Andreas Schulz (Info)

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