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The Ocean - München, Feierwerk - 08.06.2010

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Es herrscht Verwirrung: eine kleine Gruppe Konzertgänger wartet am Abend des 8.6., einem bewölkten Dienstag, vor den „Toren“ des Feierwerks in München auf die deutsch-internationale Postmetal-Band THE OCEAN. Aber keiner kann sich wirklich vorstellen, dass das Konzert hinter dieser winzigen Tür, aus der ständig Hausbewohner treten, stattfinden wird.
Schließlich wird dann doch der eigentliche Eingang geöffnet und eine bunte Schar aus Metallern und Studenten spaziert gemütlich durchs kleine Foyer, um sich erstmal einen Drink an der Bar zu gönnen.
Der Konzertsaal selbst ist verschlossen, die Band probt noch und so bekommt man einen rein akustischen Vorgeschmack auf „The First Commandment Of The Luminarities“, einem Song des aktuellen THE OCEAN-Albums „Heliocentric“.

Facing The Swarm Thought LiveEndlich ist es soweit – die Vorband FACING THE SWARM THOUGHT weicht mit ihrem Mix aus MESHUGGAH, CONVERGE und doomigem Hardcore das Publikum auf. Ein Manko ist allerdings hier schon bemerkbar: die Abmischung lässt nur die Trümmerorgien auf Gitarre und Schlagzeug zu, der Gesang und diverse Leads gehen völlig unter.
Zur gleichen Zeit findet das Interview mit THE OCEAN-Chef Robin Staps im Außenbereich statt. Näheres gibt es demnächst auf diesen Seiten zu lesen...

Nach kurzer Zeit der „Ruhe vor dem Sturm“, die jeder nochmal zum Merchandise-Kauf nutzt, ertönt das summende Intro von „Shamayin“. Eine Spannung liegt in der Luft, wie sie nur in einem kleinen Konzertsaal mit 200 Leuten wie im Feierwerk entstehen kann. Das reichlich übersichtliche Publikum ist für THE OCEAN, die schließlich auch mit OPETH und CYNIC tourten, kein Grund das Handtuch zu werfen. Umso mehr sucht die fünfköpfige Band um Neuzugang Loïc Rossetti am Mikro den Kontakt mit den Fans. Die Dynamik der Songs sieht man den Bewegungen der Musiker ebenso an, wie der interessanten Lightshow auf den Boxen neben den Drums. Ruhigere Passagen, wie sie auf „Heliocentric“ des öfteren auftreten, wechseln sich mit heftigen Ausbrüchen ab, die gekonnt in Szene gesetzt werden.
Als Einstieg wurde „Firmament“ gut gewählt, denn der Opener der neuen CD hält alles bereit, was THE OCEAN ausmacht – progressive Riffs mit anspruchsvollen Breaks, Spannungsaufbau und interessante Laut-Leise-Dynamik. Trotzdem muss an diesem Abend der Zuschauer, speziell in der eher lichten, ersten Reihe, schon genau hinhören: Rossettis Stimme geht auch hier im Mix vollständig unter, deutlich wird sein klarer, kraftvoller Gesang nur in den ruhigeren Passagen. Die spielerischen Qualitäten der Mitstreiter sind dagegen über jeden Zweifel erhaben.
Nach einem weiteren „Heliocentric“-Song folgen Titel des 2007er „Precambrian“-Albums, dem bisher anspruchsvollsten THE OCEAN-Werk. Auf der CD werden in bisher ungehörter Weise Kammermusik, ein kleines Orchester und Prog mit Postcore verschmolzen. Am eindrucksvollsten ist davon sicher „Ectasian - De Profundis“, das zur Überraschung meines Konzertbegleiters in ungewohnter Stärke, auch ohne klassische Streicherformation, dargeboten wird. Mit Sicherheit wird sich das als der erste Gänsehautmoment des Abends sehen lassen, wenn nach einem langsam schreitenden Doompart plötzlich ein heftig groovender Tonnenriff über die Hörer fegt, als gäbe es kein Morgen.
Robin Staps hatte im Interview letztlich recht mit der Behauptung, THE OCEAN wären eine Live-Band, die auf der Bühne erlebt werden müsse. Zwar muss die Fünfertruppe ohne ihre zahllosen Gastmusiker auskommen, aber der Unterschied ist trotz alledem nicht wirklich spürbar. Speziell die zurückhaltenderen „Heliocentric“-Titel bekommen durch die Performance eine neue Schlagkraft, die das Publikum zum Zappeln bringt.
The Ocean LiveUnd das tun sie tatsächlich, nachdem Staps kurz einen „älteren Song“ ankündigt und auf der Leinwand hinter dem Schlagzeug Clips von Atombombentest eingeblendet werden. „The City In The Sea“ reißt mit seinen Stakkattoriffs die bisher verhaltene Stimmung im Publikum auseinander und lässt den Saal ausflippen. In der ersten Reihe formieren sich Headbanger, neben mir mosht sich ein Kerl mit Cappi in Trance. Als Staps schließlich von der Bühne geht und im Publikum seine Gitarre bearbeitet, ist das Eis endgültig gebrochen.
Schließlich heißt es: „Das ist unser letzter Song“, der am meisten gefürchtete Satz in einem Konzert, doch auf enttäuschte Rufe aus dem Publikum entgegnet Robin Staps, dass dies „aber ein sehr langer Song“ sei. Gemeint ist das Abschlussdoppel „Origin Of Species / Origin Of God“, das Live einen ungeahnten Spannungsbogen zieht und zusammen mit den Videoprojektionen leichte bis starke Gänsehaut mit sich bringt. Dass Streichquartett und Piano vom Band kommen, scheint niemanden zu jucken. Nachdem die letzten Klänge aus den Verstärkern mit der Band von der Bühne gehen, sehe ich meinen Konzertbegleiter mit offenem Mund dastehen und ein schüchternes „War ja richtig geil“ hauchen.

Zu meinem Leidwesen ging der letzte Zug bereits um fünf nach zwölf, sodass ich leider nicht mehr in den Genuss der Zugabe kommen konnte. In Erinnerung wird mir dieser Gig trotzdem bleiben, denn obwohl Rossettis Gesang kaum hörbar im Soundgewimmel untergegangen war, ist ein Konzert mit THE OCEAN und 200 Leuten in einem winzigen Konzertsaal eines der zehn intensivsten Dinge, die man überhaupt je erleben darf.

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Setlist:

Firmament
The 1st Commandment of the Luminaries
Ectasian / De Profundis
Stenian / Mount Sorrow
The City in the Sea
Metaphysics of the Hangman
Swallowed by the Earth
The Origin of Species
The Origin of God
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Hadean
Orosirian / For The Great Blue Cold Now Reigns

Benjamin Feiner (Info)

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Live-Fotos

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