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The Last Placid Days Of Plenty: Headphone Gallery (Review)
Artist: | The Last Placid Days Of Plenty |
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Album: | Headphone Gallery |
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Medium: | CD | |
Stil: | Progressive Rock |
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Label: | Eigenvertrieb / Just For Kicks | |
Spieldauer: | 65:16 | |
Erschienen: | 04.07.2008 | |
Website: | [Link] |
Nach “Mr. Boggs” war mir eins klar: BEARDFISH oder die FLOWER KINGS sind nicht mehr alleine im retro-progressiven Universum der Gegenwart, das neben New Artrock und so etwa allen Spielarten von PINK FLOYD über GENESIS bis KING CRIMSON auch eine gehörige Portion von Humor und Spielfreude in sich vereinigt. Doch diesmal kommen die Musiker nicht aus irgendwelchen skandinavischen Ländern, sondern aus der Hauptstadt der kanadischen Provinz Ontario: Toronto.
DIE LETZTEN RUHIGEN TAGE IM ÜBERFLUSS, sich so als Band zu nennen, stellt schon das erste Wagnis dar, dann gleich ein Konzept-Album auf den Markt zu werfen, samt einem seltsamen, etwas verunsichernden Cover (Ich hätte beim ersten Betrachten an eine Hardcore- oder Heavy-Metal-Scheibe gedacht!), auf dem ein geschlechts“teil“loser, entsetzter Muskelmann zu sehen ist (Wäre ich in der Beziehung auch gewesen!), gleich das zweite. Sich dann auch noch als Musiker auf der Booklet-Rückseite in einem Outfit ablichten zu lassen, das dem Film „Unsere kleine Farm“ entnommen sein könnte, sollte an Provokation genug sein. Denn wer den verhängnisvollen Fehler begeht, nicht in „Headphone Gallery“ hineinzuhören, denkt spätestens jetzt, ein Country-Album vor sich zu haben. Und man glaubt es kaum, bei „A Classic Past“ schielen sogar ein paar ganz leichte Country-Einflüsse sowie eine rollende Lokomotive um das progressive Eckchen. Doch dass der gleiche Titel sogar einen akustischen YES-Gitarren-Teil bekommt und mit bombastischen Refrains, die von Flöten vertrieben werden, aufwartet, ist genau das, was ich als progressive, skandinavische Besonderheit bezeichnen möchte.
TANGENT, ja genau – das ist sie doch gewesen, die Vereinigung eines Engländers mit einem Schweden (Andy Tillison & Roine Stolt) unter Zuhilfenahme des begnadetsten Saxofonisten aller Zeiten, DAVID JACKSON von VAN DER GRAAF GENERATOR, in der diese Besonderheit bereits zum Tragen kam. In Kanada selber ist solche Vereinigung gar nicht notwendig, um ganz ähnlich zu klingen, wobei jedoch besonders das unglaublich faszinierende Gitarrenfeuerwerk, ob akustisch geklampft oder elektrisch gerockt, von DOUG STEVENS jeden begeistern wird, der PINK FLOYD noch mochte, als sie leidenschaftliche junge Musiker und nicht alte verknöcherte Wirtschaftsstrategen waren.
Bereits nach dem Intro „Into The Labyrinth“ (Klingt als würde Gollum zum ersten Mal die Szene im „Herr der Ringe“ betreten!) lässt „Sand In Rain“ den verblüfften Hörer, der wirklich unbedingt diese CD unter Kopfhörern genießen sollte, aufhorchen. Ist das etwa ein Titel, den PINK FLOYD auf „Dark Side Of The Moon“ nicht unterbekommen hatten und der plötzlich unter dem Pseudonym „THE LAST PLACID DAYS OF PLENTY“ auftaucht?
Erster Eindruck: Hier kommt die Torontoer Variante von ELOY, nur mit perfektem, in wundervollem Englisch erklingenden Gesang – eben ohne diesen schrecklichen Bornemann-Akzent! Zweiter Eindruck dann bei PRESSURE, nämlich: hier kommt doch nicht ELOY, sondern eine Band, die verdammt aufpasst, nicht in eine Schublade geschoben zu werden, auf der: PINK FLOYD KLON steht. Dabei hasse ich persönlich dieses Klon-Gequatsche, weil ein Klon eben eine 1-zu-1-Kopie ist (Das sollte man doch in Biologie gelernt haben!), also MUSICAL BOX klont ein komplettes GENESIS-Konzert und überträgt es in die Gegenwart, weil sie dieses mit allem Drum und Dran so genau wie möglich nachspielen, aber eine Band, die sehr deutliche Einflüsse ihrer Musik-Vorbilder in ihre eigene Musik einfließen lässt, ist eben kein Klon. „Abzieh-Bild-Musik in den unterschiedlichsten Farbschattierungen“ würde da schon eher zu passen – aber gut, Musik muss ja nicht den geistigen Anspruch auf wissenschaftliche oder medizinische Erkenntnisse erheben. So, wie „Headphone Gallery“ auch nicht den Anspruch erhebt, gemocht werden zu müssen, obwohl mir meine Ohren signalisieren, dass dies eigentlich der Fall sein sollte.
Mit „Asleep At The Wheel“, „The Ironclads“ und „Invisible Man“ schenkt uns die Band gleich drei längere Instrumentaltitel, wobei besonders der letzte mit wundervollen Saxofoneinlagen aufwartet, die natürlich an besondere Höhepunkte aus der PINK-FLOYD-Ära erinnern. Getragen, verträumt und trotzdem nicht langweilig. So leuchteten früher einmal verrückte Diamanten.
Auch das textliche Konzept fesselt einen. Und es erklärt in gewisser Weise auch, warum die „Unsere kleine Farm“-Anspielungen bei dem Musikerbild gewählt wurden. Die Erinnerungen eines Großvaters veranlassen den Enkel über die Vergangenheit nachzudenken und die Gegenwart kritischer zu betrachten – natürlich mit der Erkenntnis, dass die Gegenwart eigentlich nichts Erhaltenswertes aus der Vergangenheit übernommen hat und so eine ziemlich düstere Zukunft zu erwarten ist.
Zentrale Rolle bei dieser Geschichte spielt hierbei das 18:39 Minuten lange „The End Of An Era“. Musikalisch können wir gleich im Wilden Westen bleiben, weil dieses Ende dem Ritt auf einem Wildpferd gleicht, das der Reiter zu zähmen versucht und das immer wieder ausbricht. Musik mit Ecken und Kanten, voller Kraft und total zerbrechlich.
Eine weitere Besonderheit der Musiker und dieses Albums ist die mitunter recht ungewöhnliche Instrumentierung. ERIC DOMANDER entlockt einem Theremin wundervolle Klänge. Solche Ätherwellen-Geige, die 1919 vom gleichnamigen russischen Musikprofessor erfunden wurde, gilt als das erste wirklich benutzbare elektronisch Musikinstrument, das durch Schwingungen gespielt wird, also mit wellenförmigen Handbewegungen ohne eine Berührung des Instruments.
Gleich drei PLENTYs bedienen ein Taurus Bass Pedal, welches wohl durch MIKE RUTHERFORD das musikalische Licht der progressiven Rockwelt erblickte. Aber auch MARILLIONs „Kayleigh“ oder RUSHs „Tom Sawyer“ beginnen mit solchem Instrument, das ein auf Bassklänge ausgerichteter Synthesizer ist, der nicht über Tasten, sondern Pedale gespielt wird. Wider sind sie da, die Erinnerungen an die Vergangenheit, die auf den Taurus-Pedalen in die Gegenwart geholt werden – also nichts da, mit düsterer (Musik-)Zukunft!
FAZIT: „Headphone Galery“ ist ein unverzichtbares Album für alle, die zu PINK FLOYD einstmals YES sagten und heute mit dem BEARDFISH gegen den Strom der musikalischen Belanglosigkeiten anschwimmen. Eine schöne, runde Sache. Da kann man beruhigt auf jeden Überfluss scheißen und sollte noch die letzten musikalischen Ruhe-Tage genießen. Dabei aber auf keinen Fall die Kopfhörer vergessen!
- 1-3 Punkte: Grottenschlecht - Finger weg
- 4-6 Punkte: Streckenweise anhörbar, Kaufempfehlung nur für eingefleischte Fans
- 7-9 Punkte: Einige Lichtblicke, eher überdurchschnittlich, das gewisse Etwas fehlt
- 10-12 Punkte: Wirklich gutes Album, es gibt keine großen Kritikpunkte
- 13-14 Punkte: Einmalig gutes Album mit Zeug zum Klassiker, ragt deutlich aus der Masse
- 15 Punkte: Absolutes Meisterwerk - so was gibt´s höchstens einmal im Jahr
- Into The Labyrinth
- Sand In Rain
- PRESSURE
- Asleep At The Wheel
- Mr. Boggs
- A Classic Past
- The Ironclads (Hampton Roads)
- My Macabre Machine
- Invisible Man
- Diamond Jack And The Velvet Marauders
- The End Of An Era
- Bass - Al Webster, Eric Domander
- Gesang - Al Webster, Eric Domander, Jamie Robinson
- Gitarre - Doug Stevens, Jamie Robinson
- Keys - Jamie Robinson, Eric Domander
- Schlagzeug - Eric Domander
- Sonstige - Eric Domander (Vibraphone, Theremin, Taurus Pedale), Jamie Robinson (Taurus Pedale), Al Webster (Taurus Pedale), D’Arcy MacGuire (Bass), Mark Stailey (Bass), Bruce Wilson (Saxofon), Jonno Lightstone (Flöte), Paul Tyndal (Trombone), Andy Krehm (Mandoline)
- Headphone Gallery (2008) - 13/15 Punkten
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