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Marc Rous: Through A Hurricane Of Frequencies (Review)
Artist: | Marc Rous |
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Album: | Through A Hurricane Of Frequencies |
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Medium: | CD | |
Stil: | Alternative-, Singer- und Songwriter-Rock |
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Label: | Eigenvertrieb | |
Spieldauer: | 64:40 | |
Erschienen: | 01.03.2009 | |
Website: | [Link] |
Er ist unangepasst und unbequem – genauso wie die Lieder, die er singt. Er stellt sich dem Hurrikan der Frequenzen entgegen, lässt sich nicht davonwehen, sondern wählt den Weg direkt hindurch. Ein Weg, der anfangs von hartem Rock geebnet wird, um dann verspielt die unterschiedlichsten Pfade einzuschlagen: charismatisches „Liedgut“, im Stile eines JEFF BUCKLEY dargeboten, experimenteller Pop-Rock mit krautiger Schlagseite, wie man es besonders von RADIOHEAD kannte, oder ein ständiger Wechsel zwischen jazzigen, psychedelischen, folkigen, bluesigen und balladesken Musiklandschaften, die in ähnlicher Faszination schon von MOTORPSYCHO heraufbeschworen wurden. Eins aber ist und bleibt klar, nämlich dass kein Titel wie der andere klingt, keine Stimmung irgendwelcher Eintönigkeit weicht und sich keine noch so verrückte Idee findet, die es nicht lohnt, sie in ihrer musikalischen „Psychose“ umzusetzen.
Er!? Er heißt MARC ROUS! Wobei – so ganz stimmt das nicht. Sein bürgerlicher Name ist MARCUS THOMAS und sein bürgerliches Leben war wohl nie von Exzessen oder verzweifelten Selbstfindungstaten geprägt. Er ist musikalisch von Kindheit an mehr als talentiert. Er ist in einer Provinzstadt im Osten aufgewachsen, bei Eltern, die seine Liebe zur Musik unterstützten und förderten. Er spielt leidenschaftlich Gitarre und Piano. Er klang in früheren Zeiten einem CAT STEVENS oder BOB DYLAN zum Verwechseln ähnlich. Er klingt heute eher nach JEFF BUCKLEY oder JOHN LENNON. Er ist eben ein Vollblutmusiker, der sich nicht festlegt, sondern von Stimmungen treiben lässt, die mal traurig, mal verrückt, mal laut, mal leise sind und die „Through A Hurricane Of Frequencies“ getragen werden, um einem als musikalische Wirbelstürme aus den Lautsprechern entgegenzuwehen.
Schon das liebevoll gestaltete Digi-Pack seines Debüt-Albums bringt es zum Ausdruck. MARC ROUS versteht unter Musik nicht nur die gelungene Kombination von Klängen und Melodien, sondern genauso viel bedeuten ihm die Texte und die Gestaltung. „Through A Hurricane Of Frequencies“ ist nicht nur eine einfache CD, sie ist ein Gesamtkunstwerk – und wäre sie ein Bild, würde sie wohl am ehesten wie eine Kombination aus DALI, MUNCH und BOSCH erscheinen. Bilder, die man in ihrer Detailverliebtheit stundenlang betrachten kann und in denen sich Im- und Expressionismus vereinen, die auf den ersten Blick schön, aber bei genauerem Hinschauen (positiv und/oder negativ) schockierend wirken. Dass solche Eindrücke auch über die Musik vermittelt werden können, beweist dieser Musik-Wirbelsturm.
Bereits der erste Titel „What Do You Want“ erscheint im krassen Gegensatz zur Gestaltung des Booklets. MARC ROUS lässt’s gleich mal hart krachen, während man beim Betrachten der CD, auf der Landschaftsmotive mit zarten Malereien verfließen, eine völlig andere Erwartung hat. Ruhig und entspannt, aber doch nicht metallisch und aggressiv. Dazu ein Text, der die Gegensätzlichkeit zweier Verliebter zum Ausdruck bringt. Der Eine ist dem Anderen hörig, versucht ihm alles Recht zu machen und versteht nicht, dass genau dieses Verhalten zum Bruch führt.
Erwartungen – die sollte man beim ersten Hören wirklich nicht haben, denn sie werden garantiert nicht eintreten. Die Titel sind in ihrer Unterschiedlichkeit kaum zu übertreffen und erfüllen eben nicht bereits Gewohntes oder Erwartetes, sondern setzen Ungewohntes entgegen. Die einzige Konstante ist der außergewöhnliche, unglaublich einprägsame und charismatische Gesang!
Dabei war MARC ROUS anfangs selber nicht so sehr von seiner Stimme überzeugt und die Band, mit der er seine ersten, recht professionellen Musik-Schritte machte, wurde zwar von ihm geführt, aber der Gesang war weiblicher Natur. ANNE FRITZSCHE, eine wunderbare Sängerin, die auch auf MARC ROUS’ Album bei „All Around You“ und „Love Monologue“ zu hören ist, verlieh damals seiner Band DAYFLY die Stimme. Außergewöhnlich war auch die Musik der Band, die sich bewusst poppigen Rhythmen verschloss und dafür eine Vielzahl weltmusikalischer Elemente mit geschickt ins Ohr gehenden Melodien verknüpfte. Bester Beweis dafür ist auch „Tonight“, ein DAYFLY-Titel, der es bis auf die „Hurrikan-Frequenzen“ geschafft hat.
Solche, wirklich in keiner Weise an Eintagsfliegen erinnernden Klänge, blieben auch von der Öffentlichkeit nicht unbeachtet – und am „Tag der deutschen Einheit“ im Jahr 2003 errangen die Jungs und das eine Mädchen beim VVO-Wettbewerb in Dresden den dritten Preis und wurden vom Publikum auf den zweiten Platz gewählt. Nichts Besonderes, werden jetzt einige sagen – nur interessant wird’s, wenn man erfährt, an wen der erste Publikumspreis ging. Nämlich an eine Band, für die nach diesem Wettbewerb alles anders wurde, leider auch ihre Musik, denn sie bekamen dadurch einen richtig großen Platten-Deal: POLARKREIS 18. Gleichermaßen aber wurden sie zu Marionetten im Mainstream-Musikzirkus, die an den Strippen von Plattenbossen hängen, die zwar Ahnung von manipulativer Werbung, platten Massengeschmack und Verkauf, aber nicht von musikalischer Kreativität und Eigenständigkeit haben.
Welch Glück, kann ich da nur sagen, dass es den Musikern um MARC ROUS nicht gelang, diesen Preis zu erringen, denn so wäre vielleicht zu erwarten gewesen, dass sie die gleiche, zwar finanziell bessere, aber musikalisch katastrophale „Weiterentwicklung“ wie die Dresdner Band durchgemacht hätten. Denn plötzlich klangen die Jungs von POLARKREIS 18 nicht mehr wie eine wundervolle Variante aus skandinavischer Musik der Marke SIGUR ROS und experimentellem (Art-)Rock a’la RADIOHEAD, sondern wie die schwule (und plötzlich sogar mit deutschen Texten singende) Ausgabe einer Kombination aus den PET SHOP BOYS und BRONSKI BEAT.
Und genau hier liegt der Hase im Pfeffer begraben! Während die musikalische Unterwerfung von POLARKREIS 18 unüberhörbar geworden ist, spielt MARC ROUS völlig befreit auf. Jeder Titel entspricht seiner Vorstellung von qualitativ guter und vor allem leidenschaftlicher Musik, ohne sich um kommerzielle Kinkerlitzchen auf Kosten musikalischer Vielfalt zu kümmern. Egal ob hart gerockt, melancholisch-balladesk, liedhaft, bluesig oder zart jazzig. Dieses „kreative Durcheinander“ fordert den Hörer heraus und macht es ihm nicht leicht, wenn er zur „Kategorie der Nebenbeihörer“ gehört und Musik nur als Hintergrund für’s gesellige Beisammensein oder zur Esseneinnahme versteht.
Schon die vielen (insgesamt 14) Musiker, die an „Through A Hurricane Of Frequencies“ beteiligt sind, wie z.B. drei Mitglieder von DAYFLY oder der sogar in Amerika namhafte Jazzer LARS KUTSCHKE, lassen es einfach nicht zu, dass sich ein roter Musikfaden durch dieses Album zieht. Ständig stößt man auf Knoten, die einen überraschen und die sich, während man versucht, sie zu entwirren, bereits an einer anderen Stelle wieder breit gemacht haben. Vielleicht wird diese eigentlich Stärke von dem einen oder anderen Hörer auch als Schwäche empfunden – oder als Überforderung. Denjenigen kann man nur sagen: „Hört euch den Text von ‚Child In Time’, der übrigens absolut gar nichts mit DEEP PURPLE zu tun hat, an: ‚Having it all - but to blind to see - there lies the irony’!“ Jeder aber, der sich für dieses Album entscheidet, bekommt eben „alles“, nur was er damit anzufangen vermag, ist letzten Endes seine Sache.
Also Vorsicht! Macht euch auf etwas gefasst, was nicht leicht, aber fast einmalig ist – hier kommt kein zweiter JEFF BUCKLEY, der plötzlich nach seinem Ertrinken wieder über’s Wasser läuft, sondern hier kommt MARC ROUS, der hoffentlich zu tiefe Gewässer meidet, um uns auf seine buckleysche Art länger erhalten zu bleiben.
FAZIT: Der Titel des Debüt-Albums von MARC ROUS ist zugleich Programm. Musikalisch außergewöhnliche Frequenzen nehmen den Hörer gefangen, wirbeln ihn im klingenden Kreis herum und lassen kaum einmal wirklich Bodenhaftung zu. Wer nicht glaubt, dass man metallische Härte (What Do You Want) mit einem von Streichern getragenen, melancholischen Abschiedslied an die eigene Großmutter (Tears Of Goodbye – Song For Susanne) oder krautrockige Pop-Experimente (A Day On My Own) mit einem verträumten Piano samt melancholischem Saxofon, das selbst einem KLAUS DOLDINGER oder JAN GARBAREK die Tränen in die Augen treibt (Dadgio), verbinden, kombinieren, vereinen kann, der sollte endlich Bekanntschaft mit „Through A Hurricane Of Frequencies“ von MARC ROUS machen!
- 1-3 Punkte: Grottenschlecht - Finger weg
- 4-6 Punkte: Streckenweise anhörbar, Kaufempfehlung nur für eingefleischte Fans
- 7-9 Punkte: Einige Lichtblicke, eher überdurchschnittlich, das gewisse Etwas fehlt
- 10-12 Punkte: Wirklich gutes Album, es gibt keine großen Kritikpunkte
- 13-14 Punkte: Einmalig gutes Album mit Zeug zum Klassiker, ragt deutlich aus der Masse
- 15 Punkte: Absolutes Meisterwerk - so was gibt´s höchstens einmal im Jahr
- What Do You Want
- A Day On My Own
- Tonight
- Child In Time
- Slow Down
- All Around You
- Inconvent Songs
- Heroin
- Tears Of Goodbye (Song For Susanne)
- Dadgio
- Love Monologue
- Got That Blues
- These Things Never Last
- Don’t Lose Yourself
- Bass - Sebastian Kunas, Till Ober, Ron Oberbandscheid
- Gesang - Marc Rous
- Gitarre - Marc Rous, Lars Kutschke, Heiko Beutler, Nik Reinicke, Stefan Obenaus
- Keys - Marc Rous
- Schlagzeug - Micha Fromm, Christoph Jahn, Thomas Naumann
- Sonstige - Rebecca Czech (Gesang, Sounds), Anne Fritzsche (Gesang), Frederike Holste (Saxofon, Gesang)
- Through A Hurricane Of Frequencies (2009) - 13/15 Punkten
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