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Various Artists: Edge - Perspectives On Drug Free Culture (DVD) (Review)
Artist: | Various Artists |
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Album: | Edge - Perspectives On Drug Free Culture (DVD) |
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Medium: | DVD | |
Stil: | Hardcore |
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Label: | Compassion Media | |
Spieldauer: | ca. 162:00 | |
Erschienen: | 03.09.2010 | |
Website: | [Link] |
Der offizielle Titel spart sich das "Straight" beziehungsweise "X" aus, doch mit genau jener so präfigierten "Edge" beschäftigen sich Marc Pierschel und Michael Kirchner in ihrer Dokumentation über Hardcore, Ideologie, Subkultur und mehr. Nicht zuletzt unter Beachtung der liebevoll animierten Menüs und des sehr lesenswerten Booklets entspricht die Veröffentlichung auf DVD keinesfalls dem häufig nur versucht professionellen DIY-Ansatz, den sich bestimmte Musikszenen und Punk im Speziellen auf die Fahnen schreiben. Die Macher verstehen sich auf ruhige Bilder und seriöse Berichterstattung; Die Musik selbst ist bewusst zur Nebensache degradiert worden, alle Aussagen ohne Kommentare belassen.
Pierschel und Kirschner rollen die Historie des Straight-Edge-Ethos über eine Art Rahmenhandlung auf, sodass die lobenswert klare Struktur des Films sich aus einer kolportierten Internetrecherche ergibt, welche ein interessierter Jungspund betreibt. Dies führt ihn zu drei immer wieder zu Wort kommenden personalen Eckpfeilern: MINOR THREATs respektive FUGAZIs Ian MacKaye, der den Begriff Straight Edge prägte und seine Sogwirkung - insbesondere den damit einhergehenden Elitarismus - nunmehr verdammt. Zweiter im Bunde ist der ehemalige YOUTH-OF-TODAY-Schreihals Ray Cappo, später bei den Krishna-Corelern SHELTER, und am Ende vertritt Karl Buechner (EARTH CRISIS, FREYA) die neue Generation, dessen musikalischer Grenzgang - Stichwort Metalcore - themenbedingt unangesprochen bleibt.
Schnell stellt sich heraus, dass Außenstehende die Bewegung oft fälschlicherweise als affektierten Ausdruck der Psychosen amerikanischer White-Trash-Essgestörter deuten oder eben Kompromisslosigkeit und Weltfremde der Protagonisten rügen. Dabei stand am Beginn die Sehnsucht nach Authentizität, Wertevermittlung und Abgrenzung vom sinnentleerten Schwanzrock nebst Metal der Achtziger. Cappo spricht die Rolle der Clubszene an und verteidigt Spiritualität sowie Freude vor den verkrusteten und von Vorurteilen zerfressenen Rändern der Szene. Dort verorten viele Beobachter Buechner, der den "firestorm to purify" früher lauter bebrüllte, Ausverkauf vehementer anprangerte und somit das militant militaristische Spektrum abdeckte. Im Film weist der anscheinend mittlerweile etwas milder gestimmte Gotteskrieger auf den Synergieeffekt gesellschaftlicher Konsumzwänge hin, welche Straight Edge für manchen Anhänger zum Ausdruck ihrer eigenen Angst vor Kontrollverlust machen. Dass manch einer sich selbst und seinen nicht praktikablen Perfektionismus hinter Szenemauern versteckt, liegt also durchaus im Bereich des Möglichen.
Russ Rankin von GOOD RIDDANCE - eine von mehreren befragten Sekundärreferenzen - distanziert sich vom heutigen Punk, dummen Machtspielchen und Diskriminierung, wie sie selbst innerhalb der Szene stattfindet. Auch die Macher des
Ebullition-Labels betonen, auf welch übertriebene Weise Botschaften bestimmter Bands gegen die eigenen musikalischen Präferenzen abgewogen und so quasi persönliche Geschmäcker unterdrückt werden, wohingegen der Betreiber eines alternativen Lebensmittelladens die wichtigen Themen Umweltschutz, animal rights und landwirtschaftliche Ausbeute zur Sprache bringt. Ferner ergreifen weibliche sowie akademisch tätige Vertreter der Szene das Wort und sprechen sich für Feminismus beziehungsweise selbständiges Denken und Weiterentwicklung aus, wo Externe nur frauenfeindliche Flegel mit Wifebeater sehen. Das Gewaltproblem im Hardcore-Bereich beschönigt niemand der interviewten, wobei weniger die Kickboxer-Auswüchse auf Konzerten (HAVE HEART dürfen sich kurz als Emporkömmlinge des Genres profilieren) als zutiefst ideologisch motivierter Hass gemeint ist. Die Subkultur, so idealistisch sie im Keim ist, degeneriert letztlich also nur allzu häufig zum Spiegelbild einer Gesellschaft, zu der sie eigentlich eine Alternative anbieten wollte.
FAZIT: "Edge - Perspectives On Drug Free Culture" ist ein Referenzfilm, der jedoch weder beansprucht, das Thema Straight Edge erschöpfend zu behandeln, noch als allgemeingültig aufzufassen ist. Vielmehr ermöglicht er musikhistorisch Interessierten, einen neutralen Blick auf die Szene zu werfen. Wer Musik hören will, muss allerdings die entsprechenden Scheiben kaufen.
- 1-3 Punkte: Grottenschlecht - Finger weg
- 4-6 Punkte: Streckenweise anhörbar, Kaufempfehlung nur für eingefleischte Fans
- 7-9 Punkte: Einige Lichtblicke, eher überdurchschnittlich, das gewisse Etwas fehlt
- 10-12 Punkte: Wirklich gutes Album, es gibt keine großen Kritikpunkte
- 13-14 Punkte: Einmalig gutes Album mit Zeug zum Klassiker, ragt deutlich aus der Masse
- 15 Punkte: Absolutes Meisterwerk - so was gibt´s höchstens einmal im Jahr