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Susanne Sundfør: The Brothel (Review)

Artist:

Susanne Sundfør

Susanne Sundfør: The Brothel
Album:

The Brothel

Medium: CD
Stil:

Kalte, tödliche, elektronisch angehauchte, doch zugleich leidenschaftliche Liedermacher-Musik

Label: Grönland
Spieldauer: 45:00
Erschienen: 20.05.2011
Website: [Link]

Eine WARNUNG!
Diese Kritik musste von ihrem sich freiwillig selbst kontrollierenden Kritiker mit einem „FSK 18“-Sticker versehen werden!

Was nimmt man als Musikkritiker nicht so alles auf sich, um realistische, wahrheitsgetreue Kritiken zu schreiben, die echt „nah dran“ sind – nicht am Menschen, sondern am Musiker – aber auch an dieser immer verrückter werdenden Zeit, den Religionen und dem alltäglichen Terror.

Wegen KLAUS SCHULZEs „Body Love“ habe ich mir einen Porno-Film reingezogen, nur weil dieser verrückte Elektronik-Pionier seine Musik zur Untermalung dieses handlungsarmen, aber an Stößen reichen (Oder hieß das anstößig?) Films zur Verfügung stellte.

Mit „Angst“ durfte ich mich dann dank besagtem Musikers dem totalen Psycho-Horror widmen – und irgendwann hoffte ich, dass zukünftig Musiker, die mir unter meine Ohren und die Tastatur geraten, nicht mehr unbedingt seltsam anrüchige Filme vertonen.

Diese Hoffnungen wurden bisher auch erfüllt – BISHER!?

Nein, diesmal habe ich es nicht mit einer Filmmusik zu tun – zum Glück, möchte man meinen. Diesmal habe ich die große Ehre, mich mit der Norwegerin SUSANNE SUNDFØR ins „Bordell“ (The Brothel) zu begeben. Und alle verzweifelten Übersetzungsversuche, ob es nicht vielleicht doch noch eine andere Deutung von „The Brothel“ geben könnte, ergaben am Ende immer das Gleiche: Bordell oder Puff oder Hurenhaus!

Hinein in den Puff, das Bordell oder Hurenhaus, also den Ort der fleischlichen Lüste unter Ausschaltung der geistigen Genüsse. Wer hier her kommt, der will bumsen und hat genug Geld, um dafür zu bezahlen. Hier versteht man unter Vögeln nicht die Welt der gefiederten Flattermänner, sondern der flattrigen (Ehe-)Männer, die sich mit ein paar hektischen Hüft- und Beckenbewegungen auf einer Frau, die nicht die eigene ist, zum Vogel machen, während sie sich gerade im Glauben befinden, den wilden Stier rauszulassen.

Doch wie soll man sich das bei einer SUSANNE SUNDFØR vorstellen?
Vielleicht so:
Ein wenig unbedarft, weil zum ersten Mal, entschließt man(n) sich, das sundførsche Freudenhaus zu besuchen, um sich die Freude unterhalb der Gürtellinie zu holen. Alles oberhalb besagter Linie ist unwichtig. Vorsichtig wird die Tür zu besagtem Etablissement geöffnet. Alles schön samtig, rot und plüschig. Der Blick streift auf seiner Suche nach einer Puffmutter oder einem Dich-möchte-ich-sofort-vögeln-Mädchen durch den Raum und bleibt plötzlich an einer Dame hängen, die nicht die Augen, sondern die Ohren stimuliert. Sie sitzt in einer Ecke, um sich einige Keyboards aufgebaut, und singt so, als hätte sie gerade mit TORI AMOS und KATE BUSH – die beiden habe ich in meinen Träumen doch schließlich auch schon zig-mal vernascht – eine Deal gemacht, etwa nach dem Motto: „Ich sitze hier nicht wegen einem Haufen erigierter Schwänze, sondern wegen ein paar geilen Ohr-Trompeten, die ich mit Noten statt mit Brüsten und Mösen verführe!

Hier lebt plötzlich der notgeile Musik-Kritiker auf, denn was er da hört, ist schöner als das gebaute Zelt im Höschen – es ist ein akustischer Ohren-Fick! Und man hat dafür erst einmal gar nichts bezahlt. Das Musik-Bordell einer SUSANNE SUNDFØR setzt sich in den Gehörgängen, aber nicht den Samensträngen fest! Nur kann das wirklich gut gehen – ein Bordell befriedigt schließlich die niederen Lüste, aber unsere Musikerin will mehr, sie will mit ihrer Musik-Kunst befriedigen. Doch Vorsicht, dazu gehört jede Menge Leidenschaft. Doch in „The Brothel“ trifft Leidenschaft auf mitunter zu „kalte“ Musik und Texte, die eine verstört, aber nicht befriedigt zurücklassen!

Die Musik ist genauso wie das aktuelle Sundfør-Video, das schon zig-tausende von You-Tube-Usern bewundert haben: bedrückend! Und noch schlimmer, es klingt und erscheint ein klein wenig wie der Soundtrack zu einem gerade in Oslo, der Hauptstadt des Heimatlandes von SUSANNE SUNDFØR, geschehenen Ereignis, das die Welt und das Land erschütterte.

Wenn ENYA die Begleitmusik zum New Yorker „Nine-Eleven“ war, dann hat SUSANNE SUNDFØR vorausschauend die musikalische Untermalung für die Taten eines BEHRING BREIVIK geschaffen. Ja, genau, dem norwegischen Massenmörder, der gerade 76 Menschen hinrichtete und dafür in erster Linie religiöse und erst in zweiter politische Hintergründe angab – und der plötzlich bei uns nur noch als so eine Art Rechtsradikaler dargestellt wird. Man erteilt ihm wohl aus Angst vor den Religionen eine zweifelhafte Absolution, ganz ähnlich, wie man schon immer vergaß, dass ein Adolf Hitler Katholik war und Papst Pius XII. nie wirklich etwas gegen die millionenfache Judenvernichtung unternahm, sondern es dabei beließ, am 21. Juni 1943 seinen Berliner Nuntius, Cesare Orsenigo, zu Hitler zu schicken, um ihn dann locker nach dem Motto: „Na ja, wenigstens habe ich es ja versucht!“, befriedigt wortwörtlich feststellen zu lassen (Erklärung Msgr. Orsenigos gegenüber Professor Edoardo Senatra wenige Tage nach der Intervention, wiedergegeben im Petrus Blatt, dem Organ der Diözese Berlin, vom 7. April 1963, dort mit dem offensichtlich falschen Datum November 1943 = zu der Zeit war Hitler auf der Wolfsschanze und nicht in Berchtesgaden = – MAN sollte sich heutzutage ziemlich genau anschauen, wie zitiert wird … das schreibt gerade ein sächsischer Lehrer, dessen Ober-Guru, Kultusminister Dr. Wöller, es wohl auch nie so genau mit seinen Zitaten in seiner Doktor-Arbeit nahm! - T.K.):

„In allerhöchstem Auftrag bin ich vor einigen Tagen nach Berchtesgaden geflogen. Ich wurde vom Führer und Kanzler Hitler empfangen, aber sobald ich das Thema Juden und Judentum … angeschnitten hatte, drehte sich Hitler ab, ging ans Fenster und trommelte mit den Fingern gegen die Scheibe. Sie können sich vorstellen, wie peinlich es mir war, im Rücken meines Gesprächspartners mein Vorhaben vorzutragen. Ich tat es trotzdem. Dann drehte sich plötzlich Hitler um, ging an einen Tisch, wo ein Glas Wasser stand, fasste es und schleuderte es wütend auf den Boden. Mit dieser hochdiplomatischen […] Geste durfte ich meine Mission als beendet und gleichzeitig leider als abgelehnt betrachten.“

Meine „hochdiplomatische“ Geste liegt nunmehr nicht darin, Massenmorde zu verhindern, die man sowieso nicht verhindern kann, sondern Parallelen herzustellen, zwischen Musik und Aussagen, die Erinnerungen wach rufen. Oder auch Videos, wie das von „The Brothel“, in dem der Hauptdarsteller auch ein Behring Breivik hätte sein können. Es ist schon faszinierend, welche Macht Musik haben kann – und wie viele Bezüge sie herstellt. In diesem Sinne leider keine positiven, doch auch die Musik hat eine Aura, die sich mehr den dunklen Windungen der menschlichen Seele widmet.

Susanne Sundfør entführt den Hörer nicht nur musikalisch, sondern auch textlich in eine befremdliche Welt. Man weiß eigentlich niemals so genau, woran man ist:

You cover your eyes,
you cover your mouth,
you cover your ears!
Still you follow my trail
I'll do it all,
I'll do whatever you say,
God has left me anyway.

Die Weisheit der drei Affen: „Nichts hören, nichts sehen, nichts sagen“ in Verbindung gebracht mit der Weisheit eines Gläubigen, der zwar glaubt, aber nichts in seinem Glauben infrage stellt, obwohl dieser Glaube offensichtlich fragwürdig ist! Ist das nun Kritik oder Grundsatz. Mitunter ist es unverständlich, welche Botschaften uns die „Schwarze Witwe“ (Titel 3) zu vermitteln versucht, nachdem sie sich unserer ungestillten Lust mit breit gespreizten Beinen in „Lilith“ (Titel 2) hingegeben und unterworfen hat.

Doch ich kann machen, was ich will – ich werde einfach nicht „warm“ mit diesem Album. Das liegt wohl daran, dass es auch nach dem x-ten Hördurchgang so „kalt“ klingt.
Da blubbern die Synthies und der Drumcomputer in trauter Eintracht vor sich hin, darüber liegt Susannes Stimme und singt von den Schattenseiten des Lebens. Akustische Gitarren und „echte“ Streicher tauchen als Untermalung einiger Songs auf – aber auch sie scheinen eher eine Alibi-Funktion zu haben, genauso wie der Kohleanzünder, der endgültig die Briketts entflammt, die man mit einem Streichholz nicht anzufeuern vermochte! Jeder einzelne Titel hat einen ähnlichen Aufbau: erst knistert er leise, dann flackert er kurz auf, um wild zu entflammen und dann langsam wieder zu verlöschen.

Diese Frau ist definitiv die neue NICO, die ihre Weltuntergangsorgien mit der Hilfe eines BRIAN ENOs oder natürlich VELVET UNDERGROUND den Hörern entgegenschleudert und dabei knallhart eine dauerhafte Distanz zu allem, was sie umgibt, wahrt. Sundfør könnte „The End“ genauso eindrucksvoll intonieren wie ein MORRISON oder eben NICO. Bleibt nur zu hoffen, dass sie nicht ähnlich wie die Beiden endet, die ihre Leiden auf der Bühne gerade durch den Einfluss von Drogen so realistisch darstellen konnten. Darum hinken hier auch alle Vergleiche mit einer TORI AMOS oder KATE BUSH, die laufend bei der Nennung des Namens Sundfør in der Presse zum Besten gegeben werden. Da gibt es höchstens in dem einen oder anderen Song ein paar Ansätze, was die Stimme anbelangt oder ihre Art, die Keyboards zu bedienen – doch das Atmosphärische dieser Musik ist damit nicht vergleichbar.

Im Grunde fällt mir diesbezüglich nur eine einzige Musikerin ein, die es nicht umsonst mit „Have One On Me“ in der Zeitschrift „Uncut“ zum Album des Jahres gebracht hat: JOANNA NEWSOM. Aber auch bei ihr störte mich schon immer dieses Unterkühlte, das dem Hörer den Eindruck vermittelt, dass er irgendwie am Ende des Albums außen vor blieb, so beeindruckend, experimentell und ungewöhnlich es auch klang.

Damit bin ich auch beim bitteren Ende, das den Einen dazu bewegen könnte „The Brothel“ mit 15, den Anderen dazu, das Album mit 3 Punkten zu bewerten. Ich selber befand mich in meinem gesamten Kritikerdasein noch nie in einem dermaßen extremen Zwiespalt. Deshalb bin ich feige – extrem feige – und überlasse die Bewertung dieses Albums ausschließlich den Hörern, die sich hoffentlich nicht auf die musikalischen Laudatios (Lobpreisungen) in all den Zeitschriften und Internet-Plattformen verlassen! Die Frau ist so bekannt, dass ihr sogar von jedem Song einen Handy-Klingelton herunterladen dürft bzw. könnt … Und spätestens in diesem Moment interessiert mich, wie der letzte Handy-Klingelton von Behring Breivik klingt!

FAZIT: „The Brothel“ - ein Bordell für den Ohren-Fick! Kalt, befriedigend, professionell! Es verkauft dir eine kleine Sehnsucht nach Wärme, für die du am Ende bezahlst, in der Hoffnung, befriedigt zu werden. Doch am Ende stehst du wieder „Draußen vor der Tür“ (BORCHERT) und fragst dich: „War's das?“ Ja, das war's – nordische Unterkühltheit trifft auf den Wunsch nach leidenschaftlicher Wärme. Doch irgendwo auf der Mitte der Strecke bleibt dieser Trieb nach mehr hängen – so als hätte man sich diesmal seinen Kondom nicht über seinen Lümmelmann, sondern über die Ohren gezogen.

PS:
Und alle, die mich vielleicht verurteilen oder wegen der Oslo-Bezüge verfluchen werden, den möchte ich die von mir vorgenommene Übersetzung des letzten Titels von „The Brothel“ mit auf den Weg geben.
Wer hier nicht an die Oslo-Ereignisse denkt, die hervorgerufen wurden von einem religiösen und zugleich nationalistischen Fanatiker, den man plötzlich in der Öffentlichkeit nur noch als einen Rechtsradikalen darstellt, der möge mich bitte an sein musikalisches Kreuz nageln!

Father Father
(Vater, Vater)

Wirst du mir auch dann verzeihen,
Wenn ich IHREN Garten
Betreten werde?

Die Seerosen vermisse ich sehr,
Doch trotzdem bewege ich mich noch eingehüllt in weißen Leinentüchern.
Genauso weiß wie meine Haut,
Die ich in den Düften meiner Erinnerungen bade -
Erinnerungen an "Joy" von Jean Patou (Eine Parfüm-Marke! T.K.)

Vater, Vater
Wirst du mich verstoßen,
Wenn ich auch das siebte Meer überquert habe?

Ich werde dass Boot versenken und das Kanopengefäß (Ein „Kanopengefäß“ wurde in der Antike verwendet, um darin die inneren Organe der Toten aufzubewahren, die zur Mumifizierung vorgesehen waren! T.K.),
Um dein königliches Herz wieder für mich schlagen zu lassen.
Blut ist so rein wie Porzellan -
Und es füllt meinen Lenden genauso wie meine Lunge.
Am Ende werde ich auf den Boden sinken
Inmitten des Tals der Könige!

Thoralf Koß - Chefredakteur (Info) (Review 4451x gelesen, veröffentlicht am )

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Tracklist:
  • The Brothel
  • Lilith
  • Black Widow
  • It's All Gone Tomoroow
  • Knight Of Noir
  • Turkish Delight
  • As I Walked Out One Evning
  • O Master
  • Lullaby
  • Father Father

Besetzung:

Alle Reviews dieser Band:

Interviews:
  • keine Interviews
Kommentare
qwert
gepostet am: 02.08.2011

Jetzt brauch ich erstmal einen Schnaps...
Thoralf Koß (musikreviews.de)
gepostet am: 02.08.2011

Und danach einen Psychoanalytiker, der dich auf dem Tripp in die tiefsten Abgründe unserer Seele begleitet ;-)

Nur bitte nicht beten - das wäre extrem unpassend. Da ist dann das Saufen doch echt besser!

Prost - wünscht dir der Typ, der dich zum Saufen animiert!
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