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Anathema: Weather Systems (Review)

Artist:

Anathema

Anathema: Weather Systems
Album:

Weather Systems

Medium: CD
Stil:

Progressive Rock

Label: Kscope / Edel
Spieldauer: 55:44
Erschienen: 20.04.2012
Website: [Link]

Mit "Alternative 4", "Judgement" und "A Natural Disaster" wurden ANATHEMA nicht nur zu treuen Wegbegleitern, sondern es entstand auch eine enge persönliche Bindung zu den Songs auf diesen Alben. Die tief bewegende Melancholie und Verzweiflung, die die britische Ausnahmeband darauf zelebrierte, hat mich so intensiv berührt, wie es kaum eine andere Band bisher geschafft hat, ähnlich bewegend empfand ich bislang nur KATATONIAs Meisterwerk "The Great Cold Distance". Sieben lange Jahre dauerte es, bis der Nachfolger zu "A Natural Disaster" erschien und dann war "We're Here Because We're Here" auch noch eine kleine Enttäuschung. Es war beileibe kein schlechtes Album und rein musikalisch immer noch herausragend, doch die Änderung der Atmosphäre blieb nicht ohne Folgen.

"We're Here Because We're Here" war deutlich positiver ausgefallen, als seine Vorgänger und es schien, als habe Songschreiber Danny Cavanagh Frieden mit all den Dingen geschlossen, die für die schwermütige Atmosphäre zuvor verantwortlich waren. Dieser Stimmungsumschwung wurde in der Musik deutlich hörbar und mitunter wurde es mit der positiven Energie auch deutlich übertrieben: die Zeile "everything is energy and energy is you and me" mit dem latenten Hang zum Esoterik-Kitsch steht für mich immer noch stellvertretend für das Album. Dementsprechend war das Gefühl im Vorfeld der Veröffentlichung von "Weather Systems" eher von Skepsis als von Vorfreude geprägt.

Und diese Skepsis scheint sich zunächst auch zu bestätigen. Denn der Opener "Untouchable Part 1" scheint den eingeschlagenen Weg konsequent weiterzugehen. Die ersten drei Minuten des Songs sind geprägt von lieblichem Gesang zu wirklich toll gespielten Akustikgitarren und Textzeilen wie "my love will never die" und "my feelings will always shine". Dann aber setzt ein Wetterwechsel ein, um in der Sprache des Album zu bleiben. Mit der Hinzunahme von der elektrisch verstärkten Gitarre wird der Song dramatischer, emotionaler und der Gesang intensiver. Auch inhaltlich verändert sich der Song und thematisiert den Verlust eines Menschen: "I had to let you go, to the setting sun". Im Vergleich zu ähnlich gelagerten Songs wie "One Last Goodbye" ist der Schmerz in dem neuen Song aber nicht mehr so akut und es wirkt eher wie ein schwermütiger Blick zurück. Der jedoch ist wiederum so authentisch dargeboten, dass das alte ANATHEMA-Gefühl, diese Gänsehaut erzeugende Ergriffenheit, zurück kommt. "Untouchable Part 2" nimmt die Motive des ersten Teils auf und variiert sie dadurch, dass Lee Douglas im Wechsel mit Vincent den Leadgesang mit brüchiger Stimme übernimmt. Der Song wird relativ konstant von Streichern und Klavier begleitet, ohne dass man dadurch aber zu weit in mainstreamige Gefilde abdriftet und lässt die typischen, flirrenden Gitarren zum Ende hin erklingen. Diese beiden Songs zeigen gut auf, wo die Reise auf "Weather Systems" hingeht: in rein musikalischer Hinsicht ist das Album die logische Fortsetzung von "We're Here Because We're Here", jedoch hat man atmosphärisch eine kleine Kurskorrektur zurück zur Melancholie vorgenommen.

Das passenderweise zu Anfang von "The Gathering Of The Clouds" ertönende Gewitter sowie die düsteren Streicher machen deutlich, dass es nicht unbedingt fröhlich weitergeht. Danny brilliert wiederum mit seinem Spiel auf den akustischen sechs Seiten, erst steigt Vincent mit klagender Stimme ein, bevor die Zweitstimme dazu kommt und diese Stimmen sich zu einem gewaltigen Gesangsarrangement vermengen. Das von ANATHEMA gerne benutzte Mittel der Intensitätssteigerung wird bis zu abrupten Ende ausgereizt und der "Lightning Song" setzt ein. Dieser startet wiederum recht ruhig und vermittelt das entspannte Gefühl, das ein reinigendes Gewitter verursacht. Lee singt weitestgehend allein und die Instrumentalisten bauen langsam aber sicher eine Wall Of Sound auf. Ein recht typischer Song für die "neuen" ANATHEMA. Das folgende "Sunlight" fällt im Vergleich zu den ersten Songs ein wenig ab, ist nach dem gleichen Muster aufgebaut, wie der Song davor, die leicht sperrigen Gesangslinien zünden aber nicht richtig.

Die Überraschung des Albums folgt im über neunminütigen "The Storm Before The Calm", einem Song, der musikalisch sowohl den Sturm, als auch die Ruhe danach umsetzt. Der Sturm ist ein düsterer, treibender Part mit stark elektronischem, teils noisigem Unterbau, Gesangsfetzen und einer markanten "it's getting colder"-Zeile. Die letzten vier Minuten sind der stillere Teil, der zaghaft startet und wiederum leidenschaftlich gesungen wird. Zwar haben die beiden Songteile musikalisch nichts miteinander zu tun, trotzdem ist der Song als Ganzes herausragend. Das vorab bekannt gemachte "The Beginning And The End" ist ebenfalls ein schwermütiger Song, bei dem das schöne Gitarrenarrangement toll mit dem Klavier harmoniert und der Song - wie so oft - an Intensität zulegt und ein unerwartet rockige Gitarrensolo zu bieten hat. "The Lost Child" ist die ruhigste, introvertierteste Nummer auf "Weather Systems", die Streicher haben Soundtrack-Format und der Song fließt mit traurigem Unterton dem Ende zu. Das besteht aus einem Song, der das Thema Nahtoderfahrung behandelt. Hier beeindruckt vor allem das Sample, in dem ein Mann mit bewegenden Worten von einer solchen berichtet. Der sanfte, getragene Song ist ein schöner Ausklang für das Album.

Auch nach dem Ende des Albums ist der "alte" ANATHEMA-Effekt immer noch spürbar. Eine seltsam schwermütige Leere und der Eindruck, das Gehörte miterlebt zu haben. Was nichts anderes als der Beweis dafür, dass die Band den richtigen Schritt vollzogen hat, indem sie der veränderten musikalischen Ausrichtung wieder intensivere, dunklere Emotionen beigemengt hat und damit die Ankündigung, dass das Album musikalisch polarisiert, auch bestätigt. Und damit sind ANATHEMA - immer noch oder wieder? - eine Band, die mit dem Mainstream nichts zu tun hat.

FAZIT: "Weather Systems" ist stärker als "We're Here Because We're Here" und man kann der Band dankbar dafür sein, dass sie die negativeren Gefühle wieder in ihrer Musik zulässt. Die musikalische Weiterentwicklung, die natürlich immer noch weiter weg vom Metal führt, muss man natürlich mögen und nachvollziehen, dann aber kann man sich auch gefühlsmäßig wieder auf ANATHEMA einlassen. Und genau das ist, es diese Band so wertvoll und einzigartig macht.

Andreas Schulz (Info) (Review 13256x gelesen, veröffentlicht am )

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Wertung: 12 von 15 Punkten [?]
12 Punkte
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Tracklist:
  • Untouchable Part 1
  • Untouchable Part 2
  • The Gathering Of The Clouds
  • Lightning Song
  • Sunlight
  • The Storm Before The Calm
  • The Beginning And The End
  • The Lost Child
  • Internal Landscapes

Besetzung:

Alle Reviews dieser Band:

Interviews:
Kommentare
Sascha G. [Musikreviews.de]
gepostet am: 20.04.2012

Ich kann die Phobie vor der "positiven Energie" des Vorgängers durchaus nachvollziehen, weil es Platten gibt, wo es mir genauso geht, habe sie aber bei "We'r Here Because We're Here" nicht empfunden, weshalb ich nach wie vor zur gefühlten Minderheit gehöre, die das Album sehr mag; faktisch ist in den letzten zwei, drei Jahren kaum eine erschienene Platte bei mir öfter rotiert - nicht, weil sie die Beste in dem Zeitraum war, sondern weil man so gut darin versinken konnte. Daran hat sich bei mir bis heute nichts geändert, wohl auch, weil ich diese reine Positivität in dem Album gar nicht sehe. Ich finde, sie bietet so viel Interpretationsspielraum (schon von Titel wegen), dass sie zumindest in meiner verdorbenen Gedankenwelt ( ;) ) gar nicht so hell wirkt, sondern auch ihre abgründigen Seiten hat.
Was "Weather Systems" angeht, die liegt hoffentlich heute in meinem Briefkasten. Ich erwarte von der Relation her Ähnliches wie das, was Katatonia auf "The Great Cold Distance" haben folgen lassen.
Andreas
gepostet am: 20.04.2012

Ich traue mich noch nicht, sie zu hören, haha. Mal sehen, wird ein langes Wochenende.
Andy [musikreviews.de]
gepostet am: 20.04.2012

Ich finde "The Great Cold Distance" wiederum deutlich stärker als "Night Is The New Day"...
Sascha G. [Musikreviews.de]
gepostet am: 20.04.2012

Sie ist auf jeden Fall kantiger und hat so je nach Sichtweise vielleicht auch mehr Charakter, ja. Trotzdem gehört "Night Of The New Day" ähnlich wie die letzte Anathema zu meinen günstigsten CDs, wenn man den Preis durch die Anzahl der Player-Rotationen teilt. ;)
Andreas
gepostet am: 20.04.2012

Ach, scheiß auf Katatonia :) "Viva Emptiness", mehr braucht man nicht. Ich warte auf ein Anathema-Interview.
Andy [musikreviews.de]
gepostet am: 20.04.2012

Gleich klatscht et, Herr Schiffmann, aber keinen Beifall. *g*

Ich gucke mal, ob ich ein Interview angeleiert bekomme.
Andreas
gepostet am: 20.04.2012

Okay, die frühen Sachen von Katatonia sind zumindest der wahre Jakob, wenn es um die Einflüsse von Shining und Konsorten geht :)
Mathias
gepostet am: 23.04.2012

User-Wertung:
12 Punkte

Wieder ein schönes Album geworden.
Viel der Songs mäandern um eine bestimmte Idee, die dann variert und ausgebaut wird. Eigentlich ähnlich wie im Post Rock, allerdings steht bei Anathema weniger die Wall of Sound als der emotionale Ausbruch als Ziel. Für meinen Geschmack ist in diesem Album der Streicher- und Pianoeinsatz zu dominat geworden, aber die eigentliche Klasse der Songs lassen mich über diesen Makel oft hinwegsehen. Lediglich mit den beiden letzten Liedern kann ich noch nicht viel anfangen - hier hat der Vorgänger mit "Universal" und "Hindsight" die MEsslatte zu hoch gelegt.
Sascha G. [Musikreviews.de]
gepostet am: 25.04.2012

So, also auch "Weather Systems" geht mir wieder gut rein - aber nicht unbedingt besser als "We're Here...". Stimmungstechnisch sehe ich auch nur marginale Veränderungen, irgendwie scheine ich da absonderlich zu ticken. ;) Eigentlich mag ich den Vorgänger vielleicht sogar lieber, da mir die Wettermetaphorik irgendwie einen Hauch zu leicht zu durchschauen ist. Trotzdem feines Album wieder, das Konzert gestern in Köln war auch toll, sehr sympathisches Auftreten der Band, und das Betteln um eine Zugabe nach der anderen beim Veranstalter war auch mal wieder was Anderes als der ewig gleiche ABlauf von Verabschiedung, Verdunklung der Bühne und Rückkehr ins Rampenlicht.
Hab leider Amplifier größtenteils verpasst. Abfahrtszeitpunkt zu optimistisch geschätzt, dann noch Stau und die unmögliche Parkplatzsituation drumherum... hat letztendlich nur für zwei Amplifier-Songs gereicht bei mir. :(
Mathias
gepostet am: 27.04.2012

@Sascha
Bei mir hats nur zu einem Amplifier Song gereicht. Fand aber alles nach deren Debut (klasse!) eher langweilig.
Sascha G. [Musikreviews.de]
gepostet am: 09.05.2012

Ok, also die Frau meint, es reicht langsam, sie kann die CD nicht mehr hören. ;) Ich hab sie jetzt auch langsam über, sie hat aber ziemlich viele Rotationen geschafft.
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