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Nemo: Le Ver Dans Le Fruit (Review)

Artist:

Nemo

Nemo: Le Ver Dans Le Fruit
Album:

Le Ver Dans Le Fruit

Medium: CD
Stil:

Progressive Rock für Unmanipulierte

Label: Progressive Promotion Records
Spieldauer: 92:50
Erschienen: 02.09.2013
Website: [Link]

Wenn ein Doppel-Album auf CD 1 mit ausgiebigem A-capella-Gesang beginnt und auf der zweiten CD mit gehörigem Keyboard-Bombast endet, dann ist die Garantie schon am Beginn gegeben, dass uns hier eine musikalischer Freiflug durch die außerordentlichsten Musik-Wetterfronten des modernen Progressive Rocks erwartet!
Und wer wohl ist unser Pilot?
NEMO aus Frankreich!

Doch bevor wir uns auf den Flug begeben, sollten wir uns unbedingt ein wenig Zeit für das Betrachten des Covers nehmen. Der erste Eindruck weckt Erinnerungen an CARL SPITZWEG, der mit seinem Bild „Der arme Poet“ wahre Kunstgeschichte schrieb. Schön bunte Farben, realistische Motive, Natur in ihrer vollsten Blüte. Sowas weckt doch wahre Glücksgefühle, gemäß dem Motto: „Alles so schön bunt hier!“ Doch wer NEMO bereits kennt, der weiß, dass solche Farbspiele nicht zu ihren Texten und ihrer Musik passen. Da muss irgendwo der Wurm drin sein – und er ist es auch … und zwar nicht nur im Titel des Albums: „Le Ver Dans Le Fruit“ (Der Wurm in der Frucht). Hinter all dieser Schönheit lauert nämlich die Katastrophe. Man braucht nur das liebevoll gestaltete Digi-Pack aufklappen und erkennt mit einem Blick, dass der verträumt-nostalgische Landschaftsmaler zwar auf seiner Leinwand einen in voller Blüte stehenden Baum malt, sein Motiv in Natura aber ein von Umweltgiften zerstörter, gänzlich blattloser „Baum-Krüppel“ ist. Noch brutaler aber wird es, wenn man sich nun völlig auf das Bild und all seine feinen Nuancen – genauso feine Nuancen, wie wir sie auch auf der Musik des gesamten Konzeptalbums entdecken können – konzentriert. Kinder, Geier, Wolf, Ziege – alle extrem angeschlagen und wie's scheint ihrer Lebensgrundlage beraubt, halten sich in der Nähe des Baumes, der nur auf dem Bild des Malers noch Leben in sich trägt, auf. Und aus der Kombination des Gerippes eines alten Autos sowie ein paar Fässer scheint ein riesiger abgerissener, toter Kopf neben dem Baum zu liegen. Ein Baum, der wohl mal der Baum des Lebens war und nun nur noch eine Art natürlichen Grabstein für das Sterben des letzten Lebens unter ihm darstellt. Ganz ähnlich verhält es sich mit dem Apfel, der sich beginnend beim Booklet als Motiv bis über die beiden CDs erstreckt. Erst strahlend rot und knackig von außen und dann total verfault auf den beiden CDs in seinem Innenleben. Wir müssen die französische Sprache, in der die Franko-Progger singen, nicht übersetzen können. Es reicht aus, genau auf die Gestaltung des Covers und die Komplexität dieser Musik zu achten, um NEMO zu verstehen!

Zum Glück hilft aber auch der Pressetext, um uns die wichtigsten Infos zum lyrischen Konzept von „Le Ver Dans Le Fruit“ zu vermitteln:
„Werden wir manipuliert?
Wer wohl profitiert davon, wenn wir den traditionellen Regeln folgen?
Blindlings.
Wie Schafe.
Politische Parteien?
Religiöse Organisationen?
Wirtschaftsmächte?
Kommerz-Unternehmen?
Fernseh-Netzwerke?
Hütet euch vor solchen Einflüssen – aber nicht vor NEMO!“

Auf dem nunmehr 8. Studio-Album der, neben ANGE, französischen Ausnahme-Progger dreht sich alles um die unterschiedlichsten Formen der Manipulation, denen wir tagtäglich ausgesetzt sind. Manipulationen, die sich mal leise durch die Hintertür einschleichen, mal mit brachialer Gewalt unsere Eingangstür aufstoßen oder sich drohend vor unseren Fenstern erheben, bis diese erst Risse bekommen und dann zersplittern.

Ja, genauso klingt auch die Musik von Nemo!
Sie definiert den Begriff Prog über die Spielarten des Rock, des Metal, des Jazz, der Klassik und des symphonischen Kunstklangs, der auch vor neoprogressiven Einflüssen genauso wenig halt macht wie vor psychedelisch angehauchten Space-Rock-Reisen. JP LOUVETONs Gitarre kann, genauso wie seine Gesangs-Stimme, singen und klagen, krachen und heulen – ganz genauso wie GUILLAUME FONTAINE, der stimmlich fast Unglaubliches auf diesem Album leistet und sogar in den höchsten Stimmlagen den Ton kristallklar hält. Was früher immer ein wenig bei NEMO bemängelt wurde, ist nun sogar einen zusätzlichen Pluspunkt wert. Doch trotz dieser Erkenntnis begehen die Franzosen nicht den Fehler, ihre instrumentalen Fähigkeiten dem Gesang unterzuordnen. Nein, sie spielen gewohnt ihre solistischen Passagen ausgiebig und voller Spielfreude nicht nur mal so runter, sondern zelebrieren diese genüsslich. Auch ein wenig Sinn für Humor ist erkennbar – nämlich dann, wenn auf „Trojan“ plötzlich ein paar Rhythmen von DIRE STRAITS „Money For Nothing“ erklingen. Kein Wunder, denn das wohl größte Mittel zur Manipulation ist nun mal das Geld. Doch schneller als man sich versieht, werden diese finsteren Gedanken von hart rockenden Gitarren verjagt oder von einem akustischen Piano erneut verstärkt, bis wir am Ende bei fast jedem Song überrascht werden, was er für uns bereit hält. Und egal, was er uns auch zu bieten hat, wir werden nicht darüber enttäuscht sein.

Auf der zweiten CD ist das nicht anders. Bei „Opium“ werden wir mit einem Banjo und zarten Country-Klängen in den drogengeschwängerten Höllentrip eingeführt, der, genau wie ein Rausch, ruhig, zart, entspannt, leicht benebelt beginnt und dann mit ein paar Jazz-Rhythmen das Unheil ankündigt, welches sich, eingeführt durch ein an „Pigs On The Wings“ von PINK FLOYDs „Animals“ erinnerndes Akustik-Gitarren-Solo, erst instrumental und dann auch mit verzweifeltem Gesang die Bahn bricht.

Und es ist noch etwas an „Le Ver Dans Le Fruit“ sehr auffällig. Die einzelnen Songs, genauso wie das komplette Album-Konzept, werden von permanenten Leise-Laut-Gegensätzlichkeiten dominiert, wie wir es sonst so nur vom Post Rock kennen. Diese grandiose Idee setzen NEMO nun aber sehr konsequent auch im reinen, retroprogressiven Rock um. Und dieses Experiment funktioniert ausgezeichnet, was dann am Ende mit dem längsten Titel, dem Siebzehnminüter „Arma Diania“, beinahe perfekt umgesetzt und nachgewiesen wird. Seit SPOCK'S BEARDs „Beware Of Darkness“ ist mir selten ein dermaßen beeindruckender Prog-Rock-Song durch die fetten Lautsprecher-Boxen entgegengedonnert, um meinen Musikzimmer vibrieren zu lassen!

Kein Wunder also, dass genau aus diesem Grunde am Ende nur folgendes FAZIT übrigbleibt: „Le Ver Dans Le Fruit“ ist ein wahrer Prog-Vibrator für die Ohren geworden, während sich irgendwelche anderen Zeit- und Musikgenoss(inn)en damit nur zwischen den Beinen rumspielen. Ein echter O(h)rgasmus eben!

PS 1: Vielleicht sollte man mal einführen, für bestimmte Labels ein Dauer-Abonnement anzubieten. Alle, die sich der progressiven Rockmusik verschrieben haben, können nunmehr beinahe bedenkenlos bei allen Veröffentlichungen von PROGRESSIVE PROMOTION RECORDS zugreifen, denn alles, was bisher aus den Tiefen progressiver Musikkunst von Oliver Wenzler gehoben wurde, sind Prog-Perlen. Gleiches gilt beispielsweise auch für das Label BESTE! UNTERHALTUNG, wo ein Christian Pliefke besonders skandinavisch angehauchte, aber auch progressive Musik erstrahlen lässt.

PS 2: Wenn jemand ein paar Euro beim Kauf dieser Nemo-CD sparen möchte, dann sollte er vorher unbedingt in Oliver Wenzlers Progressive Promotion Records Shop vorbeischauen!

Thoralf Koß - Chefredakteur (Info) (Review 4732x gelesen, veröffentlicht am )

Unser Wertungssystem:
  • 1-3 Punkte: Grottenschlecht - Finger weg
  • 4-6 Punkte: Streckenweise anhörbar, Kaufempfehlung nur für eingefleischte Fans
  • 7-9 Punkte: Einige Lichtblicke, eher überdurchschnittlich, das gewisse Etwas fehlt
  • 10-12 Punkte: Wirklich gutes Album, es gibt keine großen Kritikpunkte
  • 13-14 Punkte: Einmalig gutes Album mit Zeug zum Klassiker, ragt deutlich aus der Masse
  • 15 Punkte: Absolutes Meisterwerk - so was gibt´s höchstens einmal im Jahr
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Wertung: 13 von 15 Punkten [?]
13 Punkte
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Tracklist:
  • CD 1:
  • Stipant Luporum
  • Trojan (Le Ver Dans Le Fruit)
  • Milgram, 1960
  • Verset XV
  • Un Pied Dans La Tombe
  • Neuro-Market
  • Le Fruit De La Peur
  • CD 2:
  • A La Une
  • Triste Fable
  • Allah Deus
  • Opium
  • Arma Diania

Besetzung:

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  • keine Interviews
Kommentare
Proggus
gepostet am: 19.09.2013

User-Wertung:
12 Punkte

Entdecken sie den Fehler: "JP LOUVETONs Gitarre kann singen und klagen, krachen und heulen – ganz genauso wie GUILLAUME FONTAINE, der stimmlich fast Unglaubliches auf diesem Album leistet und sogar in den höchsten Stimmlagen den Ton kristallklar hält."

Ansonsten volle Zustimmung zur Rezension. Nemo hat wieder ein tolles Album rausgehauen.
Thomas
gepostet am: 20.09.2013

User-Wertung:
14 Punkte

Ganz tolles DO-Album, mit 2 etwas unterschiedlichen CDs, die aber alle positiven Trademarks von Nemo vereinen
Kein Durchhänger, kein Lückenfüller. Progrock auf höchstem Niveau
(-1 bedeutet, ich gebe keine Wertung ab)
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