Vor vierzig Jahren wurde das titellose RUSH-Debüt veröffentlicht. Ansprechend gefeiert wird dieser Umstand mit einer luxuriösen Vinyl-Ausgabe innerhalb der reDISCovered-Serie. In den Abbey Road-Studios von den Originalbändern gemastert und auf 200-Gramm „Audiophile-Grade“-Vinyl gepresst, natürlich im DMM-Verfahren (Direct-Metal-Mastering).

Die schwere schwarze Scheibe befindet sich in einer Replik des Original-Covers, die wiederum in einer stabilen Box liegt. Die etliche Gimmicks enthält. Als da wären: Eine Reproduktion des ersten Promo-Posters von Rush, drei Lithographien von Alex Lifeson, Geddy Lee und dem damaligen Drummer John Rutsey, ein Poster mit dem RUSH-Stammbaum sowie technische Infos und ein Download-Code für die digitale Kopie des Albums - zu finden auf der Rückseite eines abfotografierten Masterbands. Nicht ganz so toll ist, dass die LP in einer zwar stabilen aber ungefütterten Innenhülle steckt. Zur Schonung der Oberfläche sollte man nachrüsten.
Unschwer zu erkennen, dass es sich bei dieser Ausgabe, mit einem Preis von ca. vierzig Euro aufwärts, um eine Fan-/Sammler-Edition handelt.

Aufgenommen mit dem ersten Line-Up der Band – neben Lee und Lifeson gab der 2008 verstorbene Drummer John Rutsey ein einmaliges Statement, bevor Neil Peart zum treuen Begleiter und rhythmischen Rückgrat wurde. Rutsey erledigt seinen Job ordentlich, und wenn es etwas zu meckern gibt, dann stören sich die schnöseligeren Freunde der späteren progressiv-metallischen Klänge an der musikalischen Ausrichtung des Premierenalbums (und seines Nachfolgers „Fly By Night“). Denn hier spielen RUSH noch rüpeligen Rock’n’Roll/Hard Rock, der mit mehr als einem Auge Richtung LED ZEPPELIN schielt. Geddy Lee gibt den Aushilfs-Robert Plant, dass es eine Wonne ist. Und das ist keineswegs ironisch gemeint. Lee legt sich mächtig ins Zeug und liefert eine Hommage an (s)ein Sanges-Idol vom Feinsten.

Musikalisch bewegen sich die Tracks ebenfalls auf vorgelegten Pfaden, RUSH spielen rüde Rocker, meist in gehobenem Mid-Tempo und handfeste Balladen wie das vorzügliche „Here Again“. Ein bisschen Blues, etwas mehr Hardrock, auf Tasteninstrumente wird noch verzichtet, ergibt eine gutgelaunte, ruppige Melange, die zwar nicht sonderlich originell aber ungemein mitreißend daherkommt. Kleine handwerkliche Highlights insbesondere an Bass und Gitarre, kurze, knackige Soli und feistes Trio-Werk führen zu einem Einstieg in die RUSH-Welt, die sich im weiteren Verlauf nachhaltig weiterentwickeln und ändern wird. Nicht immer zum Vorteil.

Klanglich in der vorliegenden Ausgabe ein Genuss, dem man seine vierzigjährige Vergangenheit nur musikalisch anhört.

FAZIT: Es gibt schlechtere Arten, sein Taschengeld auszugeben als für das „40th Anniversary Reissue“ des ersten RUSH-Albums. Wer Vinyl schätzt, kleine nette Gimmicks mag (gut, das Poster kann man sich anschauen, aber aufhängen muss man es nicht unbedingt) und den Cent nicht umdrehen muss, der dürfte an der klanglich eindrucksvollen Ausgabe seinen Spaß haben. Die Box macht auch an der Wand, in Vitrine oder Regal einigen Eindruck ohne protzig zu wirken. Wer sich nur für die Karriere und musikalische Reifung der Kanadier interessiert, ist mit der günstigen remasterten CD-Version gut bedient.