Musikreviews.de bei Facebook Musikreviews.de bei Twitter

Partner

Statistiken

Stray Cats: Live At Rockpalast - Loreley Open Air 1983 + Cologne 1981 (Review)

Artist:

Stray Cats

Stray Cats: Live At Rockpalast - Loreley Open Air 1983 + Cologne 1981
Album:

Live At Rockpalast - Loreley Open Air 1983 + Cologne 1981

Medium: CD+DVD
Stil:

Neo-Rockabilly, Punk & New Wave

Label: MIG Music / SPV
Spieldauer: 70:24 / 64:18
Erschienen: 19.06.2015
Website: [Link]

Es ist mal wieder an der Zeit für ein bisschen Rockpalast-Geschichte, welche diesmal von drei musikalischen „streunenden Katzen“ geschrieben wird. Und das gleich zweimal - 1981 und 1983. Noch während im Osten vor über dreißig Jahren die eisernen Vorhänge fest zugezogen waren, durften im Westen die offensichtlichen Rockabilly-Nachfolger eines ELVIS PRESLEY die Bühnen in Köln und auf der Loreley erobern! Das amerikanische Trio um BRIAN SETZER, das als die STRAY CATS in den 80ern zur legendären Neo-Rockabilly-Ikone und besonders im Neo-elisabethanischen Königreich Britannien zum Hitparadenstürmer wurde, ließ plötzlich mit gegelten Haaren und schnittigen Popper-Allüren die schmuddeligen Punks, denen wohl gerade durch ihren unerwarteten Mainstream-Erfolg immer mehr der eigentliche „Anarchy In UK“-Atem ausging, ziemlich alt aussehen. Besonders die flippige Show der drei frechen Fönwellen-Jungs, die fast „punkig“ rüberkam, aber zugleich mit grazilen „The King“-Tänzelschritten oder wilden Ritten auf dem Kontrabass versehen war, bestätigte mit einem Schlag die These, dass sich Gegensätze tatsächlich anziehen, wovon die beiden Rockpalast-Konzertmitschnitte ein lebendiges Bild zeichnen, das außerdem durch die WDR-Konzertmitschnitte auch noch in guter Qualität daherkommt. Verblüffend dabei ist, dass durch die der DVD zusätzlich beigelegten Audio-CDs der kompletten Konzerte schnell klar wird, welch Erlebnis ein STRAY CATS-Konzert in seiner Gesamtheit darstellt, während die ausschließlichen Audio-Aufnahmen dagegen etwas blass wirken. Auch wundert‘s, dass die Aufnahmen beider Konzerte in chronologisch umgekehrter Reihenfolge auf „Live At Rockpalast - Loreley 1983 + Cologne 1981“ dargeboten werden, wofür es wahrscheinlich eine plausible, später in dieser Kritik geäußerte Antwort gibt.

Dreh- und Angelpunkt der STRAY CATS ist eindeutig BRIAN SETZER, der nicht nur ein sehr guter „Elvis“-Sänger, sondern auch hervorragender Gitarrist mit dem eindeutigen Anliegen ist, „so wie EDDIE COCHRAN“ zu klingen und dabei zugleich eine JAMES DEAN-Aura um sich zu verbreiten. Hier liegt wohl auch der Erfolg der STRAY CATS, die ohne Setzer höchstens noch „Castrated Cats“ wären. Obwohl natürlich der Widerspruch zwischen Bandnamen und Musikern bereits lustig wirkt, wenn Musiker mit Fön-Welle und gegelten Haaren sich als streunende Katzen bezeichnen. Aristocats wäre da wirklich passender gewesen.

Aber auch der stehende, wie Rumpelstilzchen durch die Gegend hüpfende Schlagzeuger SLIM JIM PHANTOM, der nicht nur durch sein ekstatisches Drumming, sondern auch seine lauten Zwischenschreie inmitten der Songs auffällt und ein spezielles Charisma verströmt, während LEE ROCKER seinen Kontra-Bass erst wild bearbeitet und dann wie eine scharfe Frau besteigt, räumen dem Trio im Musikbusiness eine fast exotische Ausnahmestellung ein - ähnlich wie ein bunter Wellensittich, der sich in der grauen Schar einer Spatzen-Dynastie verirrt hat.

Doch die Musik-Geschichte holte die STRAY CATS schneller ein, als ihnen lieb sein konnte, weswegen wohl auch die Chronologie der beiden Konzerte mit dem 83er in Köln beginnt, denn zu diesem Zeitpunkt galten die im 81er-Jahr noch als wilde, bunte Rock-Vögel gefeierten Musiker schon als „zahme Teddy-Boys“, bei denen es auch intern bereits kriselte. Mit dem Ergebnis, dass knapp ein Jahr später die STRAY CATS beerdigt wurden, damit BRIAN SETZER später als Solist weitermachen und dann sein noch heute gefeiertes BRIAN SETZER ORCHESTRA gründen konnte.

Der Loreley-Auftritt ist jedenfalls so gestaltet, dass sich dem Publikum nicht der Eindruck aufdrängt, dass die drei Jungs wirkliche Probleme miteinander hätten. Dazu waren sie definitiv schon Profis genug und wirkten insgesamt auf der Bühne noch recht frisch und authentisch. Setzer hatte sogar seine Haarfarbe vom Blond in ein feuriges Rot verwandelt und Phantom sich sein Elvis-Presley-T-Shirt übergeworfen, während Bassist Rocker permanent mit Fluppe im Mund so wirkte, als hätte er einen Dauer-Werbevertrag mit Philip Morris abgeschlossen. Als lebendigen Gesundbrunnen gab‘s dafür während des verrauchten Konzerts auch jede Menge eingespielte beeindruckende Naturaufnahmen der Loreley zu bewundern.

Auch der Sexy-Moment darf natürlich nicht fehlen. Bereits nach „Something Is Wrong With My Radio“ lässt der qualmende Bassist endlich auch obenrum die Hüllen fallen, um seine männliche Loreley-Sirene heraushängen zu lassen. Später zieht dann der singende Gitarrist nach - oder besser auch aus - sodass bei der Zugabe auch der Schlagzeuger als Letzter seine Hüllen fallen lässt. Damit wäre dann erst einmal der Kaufanreiz für alle weiblichen Rockabilly-Fans gegeben. Doch damit die männlichen Anhänger nicht zu kurz kommen, sei hier auch noch verraten, dass ein paar Herren bei der Zugabe mitten auf der Bühne ihre scharfen Tanzeinlagen gemeinsam mit BRIAN SETZER ins Bild setzen dürfen.

Doch dann gibt es bei diesem Konzert noch zwei weitere Besonderheiten, die selbst für Proggies und Raritäten-Sammler diese DVD besonders wertvoll machen. Auf „Look At That Cadillac“ & „Lonely Summer Nights“ tritt MEL COLLINS, ja, tatsächlich der von KING CRIMSON und CAMEL, mit seinem Saxofon auf. Aber davon mal abgesehen, tat er das später ja auch als festes Mitglied der HELMUT ZERLETT-Band, welche für die tägliche musikalische Umrahmung der Harald-Schmidt-Show sorgte!

Wirklich geil ist aber auch der andere Überraschungs-Gast, der bei „The Race Is On“ und „Tear It Up“ zusätzlich singt und Gitarre spielt: DAVE EDMUNDS, hinter dessen Kurzauftritt sich eine kuriose Geschichte - die nicht nur Anekdote ist - verbirgt!
Im Rahmen des Rockpalast-Festivals, bei dem Edmunds unmittelbar vor den STRAY CATS aufgetreten war, hatte er als „Hammer-Meldung“ verkündet, dass dies sein endgültig letzter Live-Auftritt sein werde. Doch zwei Stunden später stand er dann schon wieder mit den STRAY CATS, von denen er bereits zwei Alben selber produziert hatte, auf der Bühne und bewies offenkundig, dass seine Versprechungen tatsächlich ein Haltbarkeitsdatum von sage und schreibe 120 Minuten haben. Dafür wird man aber mit einem hervorragenden Beitrag seinerseits entschädigt.

Auch der Abgang nach dem Konzert ist sehr interessant, bei dem vielleicht doch das Kriseln innerhalb der Band schon ansatzweise erkennbar ist. BRIAN SETZER verlässt als erster die Bühne und die Kamera folgt ihm fast eine Minute lang, während Rocker und Phantom nicht mehr gesehen werden.

Das KÖLN-Concert, natürlich nicht so legendär wie bei einem KEITH JARRETT, offenbart allerdings einige Unterschiede, die es durchaus auch in einen gewissen Kult-Status erheben, was nicht daran liegt, dass Setzer hier noch als blonder Sunny-Boy auftritt. Die STRAY CATS befriedigen insgesamt eben das klassische Popper-Outfit, bedienen es bewusst und zelebrieren es regelrecht, so als wolle man dem Punk ein Schnippchen schlagen, indem man sich als Popper verkauft, aber trotzdem wie ELVIS PRESLEY klingt, der auch mal während eines Punk-Songs, der gerne „Rumble In Brighton“ heißen darf, seine Sex-Pistole rausholt und sich gehörig einen abwichst.
Dieser zwei Jahre ältere Auftritt ist viel punkiger, besonders weil auch der Schlagzeuger extrem ausgeflippt wirkt und sich in leidenschaftlichen Schreien versucht, während SETZER die Gitarren deutlich härter bearbeitet. Schön auch der Blues-Song „Drink That Bottle Down“, bei dem der Kontra-Bassist singt. Manchmal wirkt das Trio gar wie die Vorreiter der POGUES, die übrigens im Jahr dieses Konzerts gegründet wurden.
Als dann Rauchschwaden aus dem Publikum aufsteigen, bietet das einen idealen Ansatz, um bei „Storm The Embassy“ mit HENDRIXschen E-Gitarren-Rückkopplungen im Psychedelic-Flair zu beginnen, womit endgültig bewiesen wird, dass zwei Jahre später der musikalische Ausstoß der STRAY CATS stromlinienförmiger statt so strudelartig wie 1981 erfolgte. Und weil so vieles bei diesem Konzert anders ist, trifft dies auch auf die Entkleidungszeremonie zu, bei der diesmal der Bassist beim Ausziehen seines Oberteils der Erste ist, während die anderen beiden „a-sexuellen Musik-Pfeifen“ noch nicht einmal nachziehen, sondern tatsächlich bis „Rock This Town“ warten, um gemeinsam ihre Hüllen fallen zu lassen.

Das Kölner Konzert ist die gigantischere Show, bei der die Musiker ihre Instrumente regelrecht traktieren, statt mit lässiger Routine und Erschöpfungserscheinungen die Loreley nur ansatzweise so punkig zu erobern.

Doch trotz euphorischem Publikum und frenetischen Zugabe-Rufen passiert vorerst nichts mehr, weil BRIAN SETZER bei seinem Abgang noch mitteilt, dass sie einfach nichts Weiteres mehr in ihrem Repertoire haben, aber dann doch mit „Gonna Ball“ noch eine klassischen Rock‘n‘Roll-Song abliefern, der kurze Zeit später auf ihrem bis dahin unveröffentlichtem zweiten Album erscheint.

FAZIT: Summa summarum ist das 81er Konzert offensichtlich besser, verspielter und viel stärker improvisiert, was einem erst nach dem Genuss dieses ersten Rockpalast-Auftritts der STRAY CATS bewusst wird. Das zweite Konzert wartet dagegen mit Gästen auf, die es in sich haben, auch wenn die STRAY CATS schon ein wenig zahmer erscheinen, so als hätten sie sich für das hygienischere Katzenklo statt die stinkende Mülltonne entschieden.
Insgesamt kann man dieser DVD (4:3 Bildformat und guter Stereo-Ton) samt beider Audio-CDs unumwunden das Prädikat „Musikalisch besonders wertvoll“ verleihen!

Thoralf Koß - Chefredakteur (Info) (Review 5011x gelesen, veröffentlicht am )

Unser Wertungssystem:
  • 1-3 Punkte: Grottenschlecht - Finger weg
  • 4-6 Punkte: Streckenweise anhörbar, Kaufempfehlung nur für eingefleischte Fans
  • 7-9 Punkte: Einige Lichtblicke, eher überdurchschnittlich, das gewisse Etwas fehlt
  • 10-12 Punkte: Wirklich gutes Album, es gibt keine großen Kritikpunkte
  • 13-14 Punkte: Einmalig gutes Album mit Zeug zum Klassiker, ragt deutlich aus der Masse
  • 15 Punkte: Absolutes Meisterwerk - so was gibt´s höchstens einmal im Jahr
[Schliessen]
Kommentar schreiben
Tracklist:
  • CD1/DVD - Loreley, 20. August 1983:
  • Baby Blue Eyes
  • Double Talkin‘ Baby
  • Rumble In Brighton
  • Drink That Bottle Down
  • Something Is Wrong With My Radio
  • Built For Speed
  • Look At The Cadillac
  • Runaway Boys
  • Lonely Summer Nights
  • Too Hip, Gotta Go
  • Stray Cat Strut
  • She‘s Sexy And 17
  • Banjo Time (Foggy Mountain Breakdown)
  • The Race Is On
  • Tear It Up
  • Oh Boy
  • Rock This Town
  • CD 2/DVD - Satory-Säle Köln, 16. Juli 1981:
  • Sweet Love On My Mind
  • Double Talkin‘ Baby
  • Rumble In Brighton
  • My One Desire
  • Umbangi Stomp
  • Drink That Bottle Down
  • Storm The Embassy
  • Stray Cat Strut
  • Fishnet Stockings
  • Important Words
  • Rock This Town
  • Runaway Boys
  • Somethin‘ Else
  • Gonna Ball

Besetzung:

Alle Reviews dieser Band:

Interviews:
  • keine Interviews
(-1 bedeutet, ich gebe keine Wertung ab)
Benachrichtige mich per Mail bei weiteren Kommentaren zu diesem Album.
Deine Mailadresse
(optional)

Hinweis: Diese Adresse wird nur für Benachrichtigungen bei neuen Kommentaren zu diesem Album benutzt. Sie wird nicht an Dritte weitergegeben und nicht veröffentlicht. Dieser Service ist jederzeit abbestellbar.

Captcha-Frage Wobei handelt es sich nicht um ein Getränk: Kaffee, Tee, Bier, Schnitzel

Grob persönlich beleidigende Kommentare werden gelöscht!