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Prag: Es war nicht so gemeint (Review)
Artist: | Prag |
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Album: | Es war nicht so gemeint |
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Medium: | LP/CD | |
Stil: | Nostalgisches Duo zwischen deutschsprachigem Chanson, Symphonie und Pop |
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Label: | Tynska Records/tonpool | |
Spieldauer: | 45:27 | |
Erschienen: | 18.08.2017 | |
Website: | [Link] |
Auch wenn ich noch immer schwerwiegend mit der Frage beschäftigt bin, warum sich eine deutsche Band unbedingt den Namen der tschechischen Hauptstadt PRAG geben muss, so komme ich keinesfalls bei meinen persönlichen Grübeleien umhin, das Album „Es war nicht so gemeint“ (Aha, das scheint vielleicht auch für die Idee mit dem Bandnamen zuzutreffen!) richtig gut zu finden.
Und wie oft haben wir selber schon diesen Satz gesagt: „Es war nicht so gemeint!“ - obwohl es doch genauso gemeint war, nur wir nicht den Arsch in der Hose hatten, das dann auch demjenigen direkt zu bestätigen, der mehr zu sagen hatte oder uns auf andere Weise irgendwie überlegen war?
Dieser Satz ist eine Rettung des Feigen vor seiner eigenen Courage.
Sieht das etwa jemand anders?
Dann sollte er unbedingt nicht nach Prag fahren – um dort billig einzukaufen -, sondern das wertvolle Album „Es war nicht so gemeint“ von PRAG hören! Denn diese Band hat mehr zu sagen und zu singen als es jede Einkaufsfahrt in fremde Länder zu bieten hat.
Auch sollte unbedingt mit einem weiteren blödsinnigen Vorurteil aufgeräumt werden!
PRAG wurden während ihres vierjährigen Bestehens medial eine zeitlang tatsächlich als ein NORA TSCHIRNER-Projekt verkauft, nur weil die bekannte, aber im Grunde für die Musik von PRAG unbedeutende Schauspielerin auf den ersten beiden Alben fleißig mitsingen durfte. Es ist immer wieder der selbe Scheiß – lass dich in der Musik mit einer/einem mehr schlecht als recht singenden Schauspieler ein und schon werden die (eigentlichen) Musiker zu Statisten degradiert und die (manchmal recht unmusikalischen) Schauspieler/innen als Schlüsselfiguren der Band verkauft. Neben PRAG können auch SILLY ein ausgiebiges Lied davon singen, die als ehemalige DDR-Kult-Band zum Begleit-Ensemble von ANNA LOOS verkamen.
Allerdings machte NORA TSCHIRNER ihre gesangliche Sache bei PRAG wirklich gut und so erschien wohl ihr Abgang im Jahr 2015 als echter Verlust, da zu PRAG eben neben der charismatischen Stimme von ERIK LAUTENSCHLÄGER auch der weibliche Gesang auf einigen Titel einfach mit dazugehörte. Das „Problem“ wird auf „Es war nicht so gemeint“ jedoch ausgezeichnet gelöst, denn an die Stelle der singenden und Gitarre spielenden Schauspielerin, Moderatorin und Synchronisatorin von Schlumpfine bis Lara Croft trat JOSEPHINE BUSCH, ebenfalls Schauspielerin und Sängerin, die beim Lindenberg-Musical „Hinterm Horizont“ die singende Hauptrolle der Jessy spielt und UDO LINDENBERG des Öfteren bei seinen Auftritten als Special Guest begleitet. Auch ihr Gesang passt sich genauso angenehm in die PRAG-Musik ein wie der von Kollegin Tschirner zuvor. Wahrscheinlich erinnert gerade darum „Der Mond“ an eine Lindenberg-Ballade, die uns auch ohne Mond klar macht, dass es hinterm Horizont weitergeht.
Eins ist jedenfalls klar, hätte Sängerin Tschirner nicht PRAG verlassen, würde dieses Album garantiert nicht so klingen, wie es nun vor uns liegt, denn laut PRAG kam es „wegen unterschiedlichen Vorstellungen zu PRAGs Zukunft“ zur Trennung. Ein Statement, das man sich gerne auch von SILLY wünschen würde.
Natürlich krempeln PRAG ihre musikalische Ausrichtung nicht völlig um, erinnern noch immer an die 50er/60er-Chanson-Jahre, lassen sich ausgiebig vom Prager Filmorchester (angeblich der Grund für den Bandnamen) symphonisch begleiten, pendeln ein wenig wie bei ROSENSTOLZ zwischen Pop und Hymne, Liedermacher und Schlager, Chanson und Beat und bieten erstklassige Texte mit viel Sinn für Humor, aber auch jeder Menge hintergründiger Ernsthaftigkeit an: „Ich sehne mich / nach Endlichkeit in diesen Tagen / sehne mich / nach Räumen die noch Türen haben“. Die Sehnsucht nach den kleinen und großen Dingen des Lebens steht offensichtlich im Mittelpunkt von „Es war nicht so gemeint“: „Die Wehmut und die Sehnsucht / die kennen sich schon lang“ („Das schönste Wort der Welt“). Und natürlich die wehmütige Suche nach den Fragen, auf die es keine Antworten gibt, dafür aber die Feststellung „Es wird anders sein“ oder wenn ein noch fest eingeschweißter, weggeworfener Strauß frischer Astern in „Was können die Blumen dafür“ zu einer reinen (Über)Lebensphilosophie wird!
Aber es hat sich auch einiges geändert. PRAGs Musik klingt plötzlich moderner und energischer. Es wird viel mehr mit Sounds und Klangspielereien experimentiert, sich nicht zu sehr in der Musik-Vergangenheit aufgehalten, sondern im Sauseschritt der Musik-Zukunft entgegengeeilt. Sogar Ähnlichkeiten mit dem „Meat Is Murder“-Hardcore-Veganer MORRISSEY, dem SMITHS-Sänger, und seinem großen Pathos fallen auf, woran der zweite PRAGer im Bunde, TOM KRIMI von STEREO DE LUXE, garantiert einen maßgeblichen Anteil hat. Noch dazu tauchen in ihren Songs verschiedene Musikernamen auf, die nicht nur Vorbild, sondern auch Orientierung für PRAGs Musik sind: HERMANN VAN VEEN und GERHARD SCHÖNE.
Aber auch das wunderschöne LP-Cover und die bunt gestaltete, mit allen Texten versehene Innenhülle entstanden in Eigenunion und wurden von Sänger Lautenschläger entworfen und verwirklicht. Der endgültig letzte Beweis dafür, dass PRAG eben PRAG, aber kein Tschirner-Projekt sind oder waren!
FAZIT: Diese Kritik ist im Gegensatz zum Titel des Albums genauso gemeint, wie sie hier zu lesen ist: „Es war nicht so gemeint“ von PRAG ist ein großartiges Album orchestralen Pops mit faszinierenden deutschen Texten!
- 1-3 Punkte: Grottenschlecht - Finger weg
- 4-6 Punkte: Streckenweise anhörbar, Kaufempfehlung nur für eingefleischte Fans
- 7-9 Punkte: Einige Lichtblicke, eher überdurchschnittlich, das gewisse Etwas fehlt
- 10-12 Punkte: Wirklich gutes Album, es gibt keine großen Kritikpunkte
- 13-14 Punkte: Einmalig gutes Album mit Zeug zum Klassiker, ragt deutlich aus der Masse
- 15 Punkte: Absolutes Meisterwerk - so was gibt´s höchstens einmal im Jahr
- Seite A (20:57):
- Erste Schritte (3:07)
- Der Moment (feat. Josephin Busch) (2:59)
- Amnesie (3:12)
- Gute Laune (2:30)
- Der Mond (feat. Josephin Busch) (2:51)
- Abgemacht (3:08)
- Das schönste Wort der Welt (2:21)
- Es war nicht so gemeint (Teil 1) (0:29)
- Seite B (24:30):
- Ich sehne mich (3:11)
- Es wird anders sein (3:00)
- Noch ein paar Meter laufen (3:30)
- Was können die Blumen dafür? (3:16)
- Komm doch (3:30)
- Es scheint (feat. Josephin Busch) (3:32)
- Wenn du magst (2:15)
- Es war nicht so gemeint (Teil 2) (2:16)
- Bass - Paul B. Keeves
- Gesang - Erik Lautenschläger, Josephin Busch
- Gitarre - Tom Krimi
- Keys - Stephan Kunz, Tom Krimi
- Schlagzeug - Achim Färber, Steffen Zimmer
- Sonstige - Trompeten, Flöten, Theremin, Zither, Klarinetten, Saxofone, Geigen, Posaunen, Bratschen, Hörner, Mandoline, Banjo, Ukulele, Spinett, Hackbrett, Chor
- Es war nicht so gemeint (2017) - 13/15 Punkten
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