Wer hinter dieser Semi-Best-of wieder einmal Geldschneiderei eines der Millionäre von Iron Maiden wittert, kratzt nur an der Oberfläche, denn "Scream For Me Sarajevo" ist nicht nur der Soundtrack einer herausragenden Dokumentation über die Wirkung und Rolle von Musik gerade in extremen Zeiten, sondern rückt die enthaltenen Stücke im Kontext ebendieses Films in ein ganz anderes Licht.

Wer "Scream For Me Sarajevo" gesehen hat bzw. die Geschichte von BRUCE DICKINSONs ehemaliger Soloband kennt, die sich während des Krieges im heute nicht mehr existierenden Jugoslawien Anfang der 1990er aufmachte, just dort zu spielen, wo es am heftigsten brodelte, kann sich denken, wie Songs wie 'Gods Of War' oder der "Accident Of Birth"-Ohrwurm 'Road To Hell' als Untermalung von Archivvideoaufnahmen wirken, wenn da Gebäudefassaden von Granaten perforiert und Zivilisten auf offener Straße beschossen werden.

'Tears Of The Dragon', einer der schwersten Hits in der Solokarriere von "Mr. Air Raid Siren", oder die beiden (Halb-)Balladen 'Arc Of Space' und 'Omega' mit ihren sowieso schon hochemotionalen Texten, laufen in der Dokumentation an genau den richtigen Stellen, um wahrlich zu Tränen zu rühren, auch wenn die Schöpfer nicht darauf pochen, Mitleid oder etwas Ähnliches zu erwecken - und dass diese CD oder übrigens auch LP bei aller Funktionalität im cineastischen Sinn auch für sich genommen eine runde Sache ist, garantiert die Auswahl der weiteren Songs.

Gemeinsam mit der einen oder anderen wirklichen Rarität ('Acoustic Song' etwa, und den muss man als Dickinson-Fan gehört haben, eine bislang nicht veröffentlichte Live-Aufnahme von 'Inertia') bilden kleine Epen wie 'Darkside Of Aquarius' und 'Navigate The Seas Of The Sun' neben kompakten Krachern ('Power Of The Sun') das Rückgrat der Diskografie der englischen Ikone insgesamt. Kürzer kann man deren musikalisches Schaffen also nicht zusammenfassen.

FAZIT: "Scream For Me Sarajevo" ist die denkbar gestauchteste Werkschau von BRUCE DICKINSON, aber mehr noch ein in seiner Dramaturgie bestechender Soundtrack zu einer Musikdokumentation im nicht herkömmlichen Sinn, die eine Ausnahmesituation rekapituliert, extrem mutige Künstler ins Schlaglicht (zurück-)holt und in Zukunft zu den wichtigsten Werken in diesem Genre zählen muss. Die endgeile Musik wird da beinahe Nebensache.