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Grobschnitt: Razzia (1982) – „Black & White“-180g-Vinyl-Serie (Review)

Artist:

Grobschnitt

Grobschnitt: Razzia (1982) – „Black & White“-180g-Vinyl-Serie
Album:

Razzia (1982) – „Black & White“-180g-Vinyl-Serie

Medium: Do-LP/farbig
Stil:

Deutschsprachiger Krautrock

Label: Universal Music/Vertigo/Brain
Spieldauer: 89:48
Erschienen: 16.03.2018
Website: [Link]

„‘Razzia‘ hatte nichts mit der aufkommenden Neuen Deutschen Welle zu tun, obwohl viele Kritiker immer wieder versuchten, die Platte in diese Genre-Ecke zu drängen. Das Album war lediglich ein weiterer notwendiger Wechsel im Stil und in der Band.“
GROBSCHNITT

Mit „Razzia“ schließen GROBSCHNITT den dritten Teil ihrer „Black & White-Vinyl-Serie“ mit dem neunten Album innerhalb ihrer ambitionierten Vinyl-Offensive ab, auf der neben dem von EROC remasterten Original-Album auf schwarzer LP eine weiße Live-Bonus-LP mit noch nie auf Vinyl veröffentlichten Aufnahmen enthalten ist. Noch dazu ist die Gestaltung des Albums hervorragend, es liegt ein Download-Kärtchen bei und zwei umfangreiche LP-große Bildmappen bzw. Booklets.

Und mit „Razzia“ stellten GROBSCHNITT endgültig auch ihre bis dahin fest auf sie eingeschworenen, den vergangenen, krautrockig-progressiven, englisch gesungenen GROBSCHNITT-Zeiten huldigenden Fans vor eine schwere, mitunter für einige unerträgliche Belastungsprobe.
Doch alle, die nicht kapieren wollten, dass dieser Richtungswechsel gewollt, sogar bei der kaltkriegerischen Entwicklung Deutschlands höchst überfällig für GROBSCHNITT war, die durchgängig deutschsprachig Farbe bekennen wollten, sogar im Inneren der LP-Klapphülle (Ja, es gibt tatsächlich für alles auch deutsch Begriffe!) ihren ureigenen „Abgeschlossenen Roman“ untergebracht hatten, für die galt im wahren Leben wie auch im GROBSCHNITT-musikalischen die letzte, zusammenfassende Romanbotschaft: „Aus einem verzagten Arsch kommt selten ein glücklicher Furz.“

Für „Razzia“ galt also: Entweder man liebte oder hasste das Album – ein Dazwischen schien es kaum noch zu geben. Und die Proggies unter den GROBSCHNITT-Fans hassten es, weil ihre Kult-Band sich mit einem lauten Donnerschlag einfach von allen so liebgewonnenen Traditionen verabschiedet hatte. Eine wichtiger Grund für diesen plötzlich so „unprogressiv“ erscheinenden Klang war wohl auch, dass der alteingesessene Keyboarder Volker Mist die GROBSCHNITTigen Segel gestrichen hatte (Im vierseitigen LP-großen Booklet ist dazu von der Band zu lesen: „Kurz nach Beginn der Produktion 1982 trennte sich die Gruppe von ihrem langjährigen Tastenvirtuosen Volker „Mist“. Es gab private Gründe, die die Band veranlassten, die überaus erfolgreiche Zusammenarbeit mit ihm zu beenden. Es ist jedoch unumstritten, dass mit seinem Weggang ein echtes Juwel aus der GROBSCHNITT-Krone herausbrach.“) und die Gitarren vordergründig die Musik-Messer zum finalen Schnitt wetzten. Dazu kamen auch noch ausschließlich deutsche Texte, die, zwang man sich einfach nur genauer hinzuhören, vor ein paar grandiosen lyrischen Provokationen nur so übersprudelten und zum Arschtritt gegen die damalige Politik des Kalten Krieges ausholte, in die wir gerade wieder mit unseren kleinkarierten Groko-Establishment-Arschgesichtern frontal hineinschliddern und die „Razzia“ urplötzlich auch anno 2018 wieder top-aktuell erscheinen lässt: „Die Sonne reißt den Morgennebel auf / Die Macht marschiert in Reih‘ und Glied / Sie hat Pistolen, Peitschen, Panzerglas - / Wir haben unser kleines Lied / Wir wollen leben, wir wollen leben...“

Noch dazu gab es mit einem weiteren Schlag eine der größten Hymnen im GROBSCHNITT-Zenit darauf - „Wir wollen leben“, das in den Konzerten, wie man es auch auf dem weißen Vinyl dieser Ausgabe zu hören bekommt, frenetisch von Band und Fans ausgelebt wird.

Ein absolutes, fast sensationelles Novum aber ist der letzte Titel der offiziellen „Razzia“-LP auf schwarzem Vinyl, denn er sollte...
Ach, lassen wir besser LUPO dazu sprechen:
„Ich hatte das Instrumentalstück ‚Sweetwater River‘ bereits Ende 1981 für das Album komponiert und gemeinsam mit Willi die tragenden Akustikgitarren-Parts arrangiert. Wir haben den damals noch namenlosen Titel probeweise in der Scheune aufgenommen und eine alte Kassette aus meinem Archiv erinnert noch an die Originalfassung mit Keyboarder Mist. Später haben Willi und ich die Gitarren neu eingespielt und Erke hat die Keyboards und das Akkordeon hinzugefügt. […] Da wir uns aber nicht hundertprozentig sicher waren, ob der Titel stilistisch auf das ‚Razzia‘-Album passen würde, legten wir das Stück für das nächste Album an die Seite. Mehr als 35 Jahre später erscheint jetzt die Fassung von 1982 auf der Original-‘Razzia‘-Vinyl und findet dort endlich seinen ursprünglich angestammten Platz.“

Die Bonus-Live-Aufnahmen des weißen Vinyls stammen allesamt aus dem Jahr 1983 und wurden bei einem Konzert am 23. April in der Düsseldorfer Philipshalle mitgeschnitten. Leider sind die Live-Aufnahmen trotz des EROC-Remaster nicht so klar und sound-technisch hochwertig wie auf den beiden Vorgängern („Volle Molle“ und „Illegal“) innerhalb der dritten „Black & White“-180g-Vinyl-Serie“. Historisch aber sind sie unverzichtbar, da hier noch einmal Mist und J.R. Kramer am Keyboard zu hören sind.

Etwas überraschend wirkt im Falle von „Razzia“, einem der meistgeschmähten und oft (übertrieben ungerechtfertigt) hart kritisierten Album das diesbezügliche ‚Coming Out‘ von EROC: „Mein liebstes GROBSCHNITT-Album ist ‚Razzia‘! Ich halte es für ein mindestens ebenso wichtiges Album im Reigen unserer Veröffentlichungen wie z.B. ‚Jumbo‘. Und der Titelsong hat für mich bis heute keinen Funken seiner unglaublich authentischen, bedrohlichen, faszinierenden Stimmung eingebüßt. Das mag zwar zu jener Zeit für viele nicht in ihr gewohntes GROBSCHNITT-Bild gepasst haben, aber es war und ist ein eigenständiges, ungeheuer wertiges Bild und zieht somit durchaus auch mit ‚Rockpommel‘s Land‘ gleich.“

Braucht‘s da noch ein FAZIT?
Vielleicht nur so viel: „Da ‚aus einem verzagten Arsch nur selten ein glücklicher Furz kommt‘, furze ich glücklich und zufrieden GROBSCHNITTs „Razzia“ im tiefschwarzen und schneeweißen 180g-Vinyl zu und denke auch nach dem x-ten Hören von „Razzia“, dass mir die Musik darauf genau das Gefühl verleiht, welches der neuerdings vorletzte und nicht der (bis dato) letzte, zur Hymne gewordene GROBSCHNITT-Titel in seiner textlich-musikalischen Dimension zum klangvollen Ausdruck bringt: „Wir wollen leben!“

Thoralf Koß - Chefredakteur (Info) (Review 4212x gelesen, veröffentlicht am )

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  • 7-9 Punkte: Einige Lichtblicke, eher überdurchschnittlich, das gewisse Etwas fehlt
  • 10-12 Punkte: Wirklich gutes Album, es gibt keine großen Kritikpunkte
  • 13-14 Punkte: Einmalig gutes Album mit Zeug zum Klassiker, ragt deutlich aus der Masse
  • 15 Punkte: Absolutes Meisterwerk - so was gibt´s höchstens einmal im Jahr
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Tracklist:
  • Schwarze Seite A (21:03):
  • Wir wollen sterben (3:35)
  • Remscheid (4:28)
  • Razzia (8:43)
  • Der alte Freund (4:17)
  • Schwarze Seite B (18:45):
  • Schweine im Weltall (4:34)
  • Poona Express (5:25)
  • Wir wollen leben (4:10)
  • Sweetwater River (4:36)
  • Weiße Seite C = Live = (24:58):
  • Live Intro (Tour 1983) (2:36)
  • Razzia (7:42)
  • Mary Green (9:12)
  • Poona Express (5:28)
  • Weiße Seite D = Live = (25:02):
  • Live Intro (Tour 1981) (3:27)
  • Silent Movie (3:34)
  • Medley (8:59)
  • Wir wollen leben (9:02)

Besetzung:

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Interviews:
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