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Odd Beholder: All Reality Is Virtual (Review)

Artist:

Odd Beholder

Odd Beholder: All Reality Is Virtual
Album:

All Reality Is Virtual

Medium: CD/LP/Download
Stil:

Alternative-, Dream- und Synthie-Pop sowie Indie-Electronics

Label: Sinnbus
Spieldauer: 34:26
Erschienen: 19.10.2018
Website: [Link]

Man sollte vor dem Hören von „All Reality Is Virtual“, dem Debüt der Züricher Musikerin Daniela Weinmann aka ODD BEHOLDER mit Unterstützung von Martin Schenker, einen genaueren Blick auf das im ersten Moment banal wirkende Cover-Foto werfen. Verbirgt sich dahinter etwa die Botschaft: Alle Selfies sind für den Arsch … oder doch: Selfies sind in jeder noch so unmöglichen Position unerlässlich im Zeitalter digitaler Entblößung und Masturbation?

All Reality Is Virtual“ gibt darauf eine eindeutige Antwort und bestärkt diese mit einer Musik, die in elektronischen Sphären schwebend und mit wunderschönen Melodien sowie elfengleichem Gesang – direkt aus dem Orbit kommend – aufwartet, den man bereits nach dem ersten Hördurchgang nicht mehr aus seinen Gehörgängen bekommt.

Electronica vereint sich mit Melancholie und knallharter textlicher Kritik sowie Synthie- und Dreampop. Ein Traum voller virtueller Realität, zu der die Züricher Musikerin feststellt: „Ich habe den Eindruck, wir haben ein seltsames Pop-Album aufgenommen, das bunt ist und nachdrücklich. Und das sich mit den eigenartigen Versuchungen unserer Zeit befasst – von Tinder zu KI, von Offline-Einsamkeit zu obsessiver Selbstvermarktung.“ – womit auch die „Selfie-Botschaft“ hinter diesem Album geklärt wäre. Allerdings ist das Fehlen einer Textbeilage auf LP und CD, besonders wenn die Texte eine wichtige Rolle im Gesamtkonzept eines Albums spielen, ein echter Makel.

Aus Sicht von ODD BEHOLDER entfremden wir uns mithilfe der digitalen Versuchungen von unserer eigenen Identität und hinterlassen zwar jede Menge Fotos von uns, die im Grunde aber gar nichts über uns aussagen. Das Thema Entfremdung ist ein sehr beliebtes in der Kunst und ODD BEHOLDER greift es konzeptionell für das gesamte Album auf, welches bereits mit „DX Manual“ durch ein seltsam atmosphärisches, abgehobenes Intro eingeleitet wird.

Zur Umsetzung des Themas führte die Musikerin im Vorfeld akribisch Buch über all die Seltsamkeiten, die wir kaum noch bewusst wahrnehmen, um diese dann mit bedrückender Electronica-Melancholie zu vertonen. Auslöser war dabei die Überlegung, wie viel Zeit Daniela Weinmann täglich online verbrachte und womit sie sich dabei beschäftigte. Auch erkannte sie als Künstlerin den fast schrecklichen Zwang, dass man ohne all die Netz-Plattformen kaum noch eine Chance hat, anderweitig wahrgenommen zu werden: „Ich habe nie gelernt, mich sicher zu fühlen in einer Umgebung, die nur aus Worten und Bildern besteht. […] Die Stücke auf dem Album handeln auch davon, mit sich selbst konfrontiert zu werden, mit den eigenen Schwächen, Lügen und Wahrheiten“

Eine ganz besondere Wirkung erzielt hierbei der Song „Loneliness“, der nicht nur in ganz unterschiedlichen Stimm(lag)en gesungen, sondern immer bedrohlicher wird, indem im Hintergrund sich ein Basston stärker und stärker in den Vordergrund spielt – so als würde in dem Song die auf Dauer extrem zerstörerische Wirkung von Einsamkeit musikalisch auf die Spitze getrieben. Das Video zu „Loneliness“ setzt dann in seiner ungewöhnlichen Umsetzung noch das Sahnehäubchen auf die ODD BEHOLDER-Einsamkeitsphilosophie: „In ‚Loneliness‘ sah ich zu Beginn eine Figur in der Wüste. Später dachte ich eher an eine Kämpferin, ich stellte mir die Waffen vor, die sie aussucht.“

Dass die HUNDREDS sich ODD BEHOLDER mit ihrem Electro-Pop, der sich zwischen APHEX TWIN und DEPECHE MODE bewegt, als Vorband für ihre Tour auswählten, erscheint so kaum verwunderlich – und das jedenfalls war echte Wirklichkeit, die kurze Zeit später, nach zwei EP-Veröffentlichungen, „All Reality Is Virtual“ als Longplayer-Debüt zur Folge hatte.

FAZIT: „All Reality Is Virtual“ von ODD BEHOLDER setzt sich zeitkritisch und in bester Electro- und Dream-Pop-Manier mit der Entfremdung des eigenen Ichs in den virtuellen Welten des Netzes auseinander, wobei größtenteils melancholische Töne in dem leider mit 34 Minuten etwas zu kurz geratenen Album angeschlagen werden.

Thoralf Koß - Chefredakteur (Info) (Review 2912x gelesen, veröffentlicht am )

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Wertung: 11 von 15 Punkten [?]
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Tracklist:
  • Seite A (16:29):
  • DX Manual (0:59)
  • The Likes Of You (3:33)
  • Loneliness (3:58)
  • All Reality Is Virtual (4:33)
  • Uncanny Valley (3:26)
  • Seite B (17:57):
  • Reforesting Fire (3:38)
  • Like This (1:30)
  • Easy Difficult (4:02)
  • Numbered Days (3:04)
  • Not The Sun (5:43)

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