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Oscillazioni Alchemico Kreative (OAK): Giordano Bruno (Review)
Artist: | Oscillazioni Alchemico Kreative (OAK) |
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Album: | Giordano Bruno |
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Medium: | Download/Do-LP+CD | |
Stil: | Historischer, religionskritischer Progressive Rock |
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Label: | Aereostella | |
Spieldauer: | 71:45 | |
Erschienen: | 06.07.2018 | |
Website: | [Link] |
„Ich werde in den Menschen leben, die vor lauter Weisheit als verrückt und die vor lauter Aufrichtigkeit als Scharlatane bezeichnet werden. Männer werden wie Verbrecher behandelt, weil sie menschlicher handeln, als man es von ihrer Natur erwartet. Man hält sie für verrückt, weil sie ihre Ideen den Gefühlen ihres Herzens unterwerfen und nicht den Regeln der Mächtigen. Wer vor einem Jahrhundert zum Tode verurteilt wurde, wird in allen Jahrhunderten weiter leben.“
(Giordano Bruno)
Giordano Bruno: Er ist das leuchtende Beispiel für die unerbittliche Brutalität und Mordlust der katholischen Kirche, die nicht nur im Mittelalter mit ihren Kreuzzügen Zwangschristianisierungen mit aller Gewalt herbeiführen und Andersdenkende unerbittlich vernichten wollte, sondern auch dafür, dass selbst in der Gegenwart diese katholische Kirche nie gelernt und erst recht nicht eingesehen hat, Reue für das zu üben, was sie mit massenhaften Morden an Un- oder Andersgläubigen zu verantworten hat!
Bruno wurde 1548 in Nola geboren und auf Befehl von Papst Clemens VIII. aus Anlass des kirchlichen Jubelfestes am 17. Februar 1600 vor Unmengen begeisterter Pilgerer mit festgebundener Zunge, damit er das Wort nicht zu ihnen richten konnte, auf dem Scheiterhaufen hingerichtet … und bis heute – gut 418 Jahre später – noch immer nicht rehabilitiert.
Dafür aber steht Brunos letzter Satz wie in Stein gemeißelt für alle Ewigkeiten in den schriftlichen Annalen des weltweiten Netzes, das auch die katholische Kirche mit noch so vielen Stoßgebeten nicht kreuzgläubig zwangsvereinnahmen oder vernichten kann: „Maiori forsan cum timore sententiam in me fertis quam ego accipiam“ (Mit größerer Furcht verkündet ihr vielleicht das Urteil gegen mich, als ich es entgegennehme.)
Eine berechtigte Furcht, die immer wiederkehrt, wenn man den Namen Giordano Bruno hört, egal wo und wann. Überall dort, wo der Geist stärker als blinder Glaube und das Gebet ist.
Ganz besonders ist die Kunst ja für ihre „freigeistige Ketzerei“ bekannt – und einen außergewöhnlich hervorragenden musikalischen Beitrag leistet hierbei der italienische Multiinstrumentalist JERRY CUTILLO aka OSCILLAZIONI ALCHEMICO KREATIVE (OAK) mit seinem progressiv rockenden Meisterwerk „Giordano Bruno“!
Bei diesem Album weiß man gar nicht, wo man anfangen soll, um die Wirkung und die Leidenschaft dahinter, egal, ob es um das musikalische, das gestalterische oder das textliche Konzept von „Giordano Bruno“ und die Sound-Qualität sowie die hochgradige Gäste-Liste geht, anfangen soll.
Gehen wir also am besten der Reihe nach – so wie sich die Doppel-LP mit beigefügter CD uns präsentiert.
Die künstlerische Gestaltung des Gatefold-LP-Covers erinnert von der Front- und Innenseite her sofort an den derzeitigen Prog-Graphiker schlechthin: ED UNITSKY. Doch es sind nicht nur Erinnerungen an ihn, sondern es ist wirklich Ed Unitsky, der das Album mit dem „behüteten“ Fuchskopf (übrigens der gleiche Hut, den Jerry Cutillo auf der ganzseitigen Foto-Montage der Cover-Rückseite trägt) im Mittelpunkt und vielen Bildern, die sich auf Brunos Leben und das Konzept dieses Albums beziehen, gestaltete. Im Innenteil des Covers ist dann ein großartig gemaltes Bruno-Portrait zu bewundern.
Das fängt, auch ohne sich der Musik gewidmet zu haben, schon einmal gut an, doch es wird noch besser. Denn bereits auf der Rückseite entdecken wir in vier unterschiedlichen Sprachen – Italienisch, Englisch, Deutsch und Japanisch (!!!) – ein Zitat, das offensichtlich die Absicht des Musikers mit der von Giordano Bruno verbindet: „und … an die Herren der Welt, der Spielmann fragt nur, um nicht zwischen ihn und die Musik zu kommen“.
Ja, bekanntlich gibt es heutzutage eine „unsichtbare“ Musik-Inquisition, die sich längst auf alles Progressive eingeschossen zu haben scheint, weil deren „Gott“ Radiotauglichkeit und widerspruchslose Vermarktbarkeit heißt. Auch politische, religiöse, wirtschaftliche Kritiken werden mit einem öffentlichen Bannfluch versehen, wenn man auf seiner Musikerstirn nicht den Button „Liedermacher“ zu kleben hat.
Progressive, religionskritische Musik wie auf „Giordano Bruno“ von OAK wird so etwas für Idealisten und komplex denkende und hörende Musikliebhaber, aber nicht für sich dem Radio-Herdentrieb ergebende Nebenbeihörer.
Betrachten wir „In-die-Tiefe-Geher“ also vorerst die beiden farbigen Innenhüllen der Gatefold-LP – die eine grün wie die Natur und die andere braun wie Brunos Priester-Kapuzenmantel.
Erfreut stellen wir fest, dass zu allen Stücken des Albums eine Inhaltsangabe genau in den vier Sprachen, die wir bereits vom Spielmann-Zitat der LP-Rückseite kennen, dazu beiträgt, dass wir inhaltlich genauestens das verfolgen können, was uns dann musikalisch auf „Giordano Bruno“ erwartet. Unter jeder viersprachigen Inhaltsangabe finden wir außerdem den kompletten Text des jeweiligen Stücks – vorausgesetzt, es ist keins der insgesamt sechs Instrumentals, die sich oftmals durch leidenschaftliche Saxofon-Flöten-Soli und -Duelle auszeichnen und „Giordano Bruno“ zu einem regelrechten Retro-Prog-Feuerwerk zwischen der expressiven Leidenschaft von VAN DER GRAAF und der Virtuosität von JETHRO TULL werden lassen.
Womit wir auch schon bei der Musik von JERRI CUTILLO wären, der ohne Übertreibung nicht nur als Multiinstrumentalist Großartiges leistet, sondern ganz speziell an der Flöte als der italienische IAN ANDERSON gelten muss. Wer glaubt, dass das Querflötenspiel des Einbein-Bläsers und JETHRO TULL-Frontmannes IAN ANDERSON einzigartig ist, der sollte unbedingt „Giordano Bruni“ von OAK hören und wird seinen Ohren nicht trauen. Cutillo klont nicht etwa Mr. Tull-Anderson, sondern er spielt in der gleichen Liga wie er und verleiht seinem sehr eigenständigen Konzept-Album mit viel Retro- und Italo-Prog-Appeal eine Flöten-Tull-Note der Extraklasse.
Nun könnte man annehmen, dass der Kritiker vielleicht etwas übertreibt, aber das, was Cutillo auf „Giordano Bruno“ leistet, ist anscheinend längst auch bei alteingesessenen und zugleich legendären Prog-Musikern angekommen, die sich einerseits als Gäste und andererseits beinahe als feste Projekt-Mitglieder auf dem Konzept-Album einbringen.
Ganz oben auf der Liste steht dabei der VAN DER GRAAF GENERATOR-Saxofonist DAVID JACKSON, aber es tauchen auch RICHARD SINCLAIR von CARAVAN, SONJA KRISTINA von CURVED AIR und MAARTIN ALLCOCK von JETHRO TULL und FAIRPORT CONVENTION darauf auf.
Musikalisch passiert auf der Doppel-LP, der auch gleich die CD-Variante beiliegt, sehr viel, wobei besondere Markenzeichen der mehrsprachige Gesang (Englisch, Deutsch, Italienisch, Lateinisch) ist, der die Handlung wie eine progressive Rock-Oper der 70er-Jahre erscheinen lässt und dabei zugleich auf viele moderne Effekte setzt, wie Sound-Collagen, ausgezeichneten Stereo-Kanaltrennungen, wenn beispielsweise gleich zum Doppel-LP-Beginn des Albums Schritte in Erwartung der Bruno-Verbrennung zwischen den beiden Lautsprecher-Boxen hin- und herlaufen, oder kristallklare Sounds, denen mittelalterliche Klangstrukturen untergemischt werden.
Anschaulicher kann man den Leidensweg eines Giordano Bruno nicht gestalten.
Doch das absolute Highlight auf „Giordano Bruno“ sind die vielen Prog-Bläsereien von Cutillo an der Flöte und Jackson am Saxofon – eine Flöte wie zu besten, also frühen JETHRO TULL-Zeiten trifft so auf das authentisch-gigantische Saxofon-Spiel von Mr. VAN DER GRAAF GENERATOR-Saxofonisten himself DAVID JACKSON.
Was in den Siebzigern nie gelungen ist, gelingt dem umtriebigen Cutillo anno 2018 aus musikalischer Sicht tatsächlich und macht uns zugleich klar, wie schade es ist, dass es nicht viel mehr solcher progressiven Kombinationen aus Flöte und Saxofon gibt.
Spätestens nach „Un Valzer Per Il Mocenigo“, der die letzte LP-Seite des Doppel-Albums eröffnet und den Verrat an Bruno durch Zuane Mocenigo thematisiert, der dazu führte, dass die Inquisition Bruno am 22. Mai 1592 in Venedig verhaftet und ihn acht Jahre lang in ihrem Kerker in Rom zu foltert, damit sie ihn beim großen Pilgerfest „feierlich“ hinrichten konnten, wobei erneut ein wildes Gefecht zwischen Saxofon und Flöte auf „Sandali Rossi“, dem längsten Stück des Albums, entfacht wird, ist wohl auch dem Letzten klar, welche Dimension sich hinter dieser Flöte-Sax-Gigantomanie verbirgt!
So treten also Saxofon und Flöte selbst am Ende des Albums auf „Sandali Rossi“ in wilden Widerstreit, als würden JETHRO TULL versus VAN DER GRAAF GENERATOR einen progressiven Wettkampf mit dem Ziel ausfechten, die Mauern der Inquisition davonzublasen und dem religiösen Irrsinn um „Giordano Bruno“ ein Ende zu setzen, um ihn aus dem Kerker vor seinen Peinigern, Folterern und allen anderen Kreuz-Anbetern zu befreien, was in der Reprise zu „Campo De Fiori“, dem Album-Opener, der mit der Hinrichtung Brunos das Konzept-Album eröffnet, dann rückblickend seine Geschichte erzählt, die am Ende wieder mit seiner Hinrichtung endet. Hymnisch, melancholisch, bedrohlich geht so das „Giordano Bruno“-Konzept-Album von OAK zu Ende, während wir ganz zum Schluss hoffnungsvoll seine letzten gesprochenen Worte vernehmen, welche als Einleitung zu dieser Review verwendet wurden.
Das traurige Ende Brunos ist uns nunmehr bekannt, doch leider lodern noch immer die Feuer der geistig-religiösen Scheiterhaufen, auch wenn sie nicht mehr Menschen verbrennen, ihren Geist aber jagen sie noch immer durch das Fegefeuer gläubiger Indoktrinierung. Damals wie heute – und hätte die Kirche noch immer die gleiche Macht wie vor 400 Jahren, dann würden auch weiterhin die Philosophen mit universalem Herzen, aber ohne religiösen Gottesglauben auf dem Scheiterhaufen brennen, denn sonst hätte man einen Giordano Bruno längst rehabilitiert und nicht noch immer in Rom eine religiöse Gerichtbarkeit, die der Inquisition – die sage und schreibe erst im 20. Jahrhundert abgeschafft, aber zugleich durch eine sog. Glaubenskongregation ersetzt wurde, der tatsächlich auch der (spätere) deutsche Papst Ratzinger seit 1981 bis zu seiner Wahl zum Papst im Jahre 2005 als Präfekt vorstand.
Am Ende bleibt noch ein ganz besonderer Satz, formuliert im „Wittenberger Fuchstanz“ auf der LP-C-Seite, von Bruno und zu diesem großartigen Album übrig, der einen deutlichen Verweis zu einem anderen literarischen Meisterwerk, in dem ebenfalls ein Fuchs nicht nur eine maßgebliche Rolle spielt, sondern auch den Schlüsselsatz darin formuliert: „All unser Wissen ist Unwissen, die Wahrheit an sich bleibt der menschlichen Erkenntnis verschlossen!“
Das Bild vom Fuchs im „Wittenberger Fuchstanz“ verdeutlicht noch einmal, dass das Christentum den Fuchs als Bedrohung, aber Bruno ihn dagegen als seinen Verbündeten ansieht, der in der Lage ist, die Welt zum Besseren zu verändern.
Genauso, wie wir es aus einem Buch, das übrigens neben der Bibel, die als meistverkauftes Buch der Welt gilt, mit zu den meistverkauften Büchern unserer irdischen Welt zählt (und das sich als das versteht, was im Grunde auch die Bibel ist - ein Märchen): „Man sieht nur mit dem Herzen gut, das Wesentliche ist für die Augen unsichtbar!“
Eine Erkenntnis aus „Der Kleine Prinz“ von Exupéry, die der Fuchs dem Kleinen Prinzen mit auf den Weg gibt, wenn man sich einen wahren Freund „zähmen“ möchte.
FAZIT: Welch Pech für alle Hardcore-Katholiken und Glaubenskongregationisten, dass OAK sich „Giordano Bruno“, dieses außergewöhnlichen Mannes und philosophischen Universal-Genies, der im Jahre 1600 auf dem Scheiterhaufen endete, auf einer Konzept-Doppel-LP (plus beigefügter CD) annehmen – und welch großes Glück für alle Freunde richtig guter progressiver Rockmusik zwischen Retro- & Italo-Prog, progressive Rock-Oper, symphonischem Art-Rock und religionskritischem Konzept-Album, das sich nicht nur im Umfeld von Giordano Bruno (1548 – 1600), sondern auch den Weisheiten des Kleinen Prinzen und seines Fuchses bewegt. Das OSCILLIAZONI ALCHEMICO KREATIVE um JERRY CUTILLO gelingt mit „Giordano Bruno“ ein progressives Konzept-Album der Extraklasse, bei dem auch namhafte Gäste von VAN DER GRAAF GENERATOR, JETHRO TULL, CURVED AIR und FAIRPORT CONVENTION mitwirken und deutliche 70er-Jahre-Prog-Spuren darauf hinterlassen.
- 1-3 Punkte: Grottenschlecht - Finger weg
- 4-6 Punkte: Streckenweise anhörbar, Kaufempfehlung nur für eingefleischte Fans
- 7-9 Punkte: Einige Lichtblicke, eher überdurchschnittlich, das gewisse Etwas fehlt
- 10-12 Punkte: Wirklich gutes Album, es gibt keine großen Kritikpunkte
- 13-14 Punkte: Einmalig gutes Album mit Zeug zum Klassiker, ragt deutlich aus der Masse
- 15 Punkte: Absolutes Meisterwerk - so was gibt´s höchstens einmal im Jahr
- Seite A (15:13):
- Campo De Fiori (5:23)
- Viator Temporis (1:44)
- Liber In Tiberi (5:50)
- Angeli Senza Ali (2:16)
- Seite B (18:45):
- Circe (7:19)
- Diana/Morgana (5:40)
- La Cena Delle Beffe (5:46)
- Seite C (20:12):
- Dreams Of Mandragora (4:39)
- Danse Macabre (3:20)
- The Globe (4:14)
- Wittenberger Fuchstanz (7:59)
- Seite D (17:35):
- Un Valzer Per Il Mocenigo (5:32)
- Sandali Rossi (8:23)
- Campo De Fiori (Reprise) (3:40)
- Bass - Jerry Cutillo, Fab Santoro, Richard Sinclair, Maart Allock, Pat Rowbottom
- Gesang - Jerry Cutillo, Sonja Kristina, Richard Sinclair, Valentina Ciaffaglione, Jenny Sorrenti, Gertrude Urner, Pat Rowbottom, Alexa Trinity, Sue Lleewellyn, Daniele Nuzzo
- Gitarre - Jerry Cutillo
- Keys - Jerry Cutillo, Francesco De Renzi
- Schlagzeug - Derek Wilson, Giacomo Pettinelli, Charles Yossarian, Derek Wilson, Jerry Cutillo
- Sonstige - David Jackson (Saxofone), Jerry Cutillo (Flöte, Tubular Bells, Time Generator, Orchestral Arrangement), Mirko Valtulini (Timpani)
- Giordano Bruno (2018) - 14/15 Punkten
- Nine Witches Under A Walnut Tree (2020) - 12/15 Punkten
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