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Mirna Bogdanovic: Confrontation (Review)

Artist:

Mirna Bogdanovic

Mirna Bogdanovic: Confrontation
Album:

Confrontation

Medium: CD/Download
Stil:

Jazz, Experimentelles, Pop, Klassisches, Elektronisches

Label: Klaeng Records
Spieldauer: 57:52
Erschienen: 18.12.2020
Website: [Link]

Am Ende eines jeden Jahres zieht man natürlich immer wieder sein Resümee – ganz besonders als Kritiker und soll dann auch noch meist seine besten Alben und Bands empfehlen. Nur vergisst man dabei nicht viel zu oft, wie vieles hierbei übersehen wird und dass viel zu oft zwar die großen oder größeren Acts berücksichtigt werden, während leider alles, was in diesem Pool nicht mitschwimmt oder komplett übersehen wird, einfach untergeht, obwohl es so viel mehr Beachtung verdient hätte. Darum hier eine weitere Entdeckung der (größtenteils) Unentdeckten, selbst wenn die junge slowenische Sängerin in der Nische Jazz (Ja, leider ist diese faszinierende Musikform in Zeiten der Main-STREAM-Kultur längst dazu verdammt worden!) einen der wichtigsten Preise in Deutschland abräumen konnte: MIRNA BOGDANOVIC mit „Confrontation“.

Confrontation“, wer sein Album so nennt, sucht genau diese. Die Konfrontation – womit aber?
Mit musikalischen Maßstäben und Grundsätzen? Auf jeden Fall!
Mit vorauseilenden Erwartungen? Auf jeden Fall!
Mit sich selbst? Auf jeden Fall!
Mit seinen Mitmusikern? Nein, auf keinen Fall, denn die bilden auf „Confrontation“ in Vereinigung mit der Sängerin eine in sich geschlossene Klangform, welche gemeinsam (Be)Wunderbares hervorbringt.

Bogdanovics musikalischer Grundsatz besteht darin, dass der Mensch mit keinem Instrument den Schwingungen der Natur näher kommt als mit der Stimme: „Denn sie ist uns genauso bedingungslos gegeben wie das Augenlicht und der Blutkreislauf. Die menschliche Stimme ist gewissermaßen unsere akustische DNS, unverwechselbar und einmalig.“
Doch liegt die Faszination von „Confrontation“ nicht nur in der glockenklaren, hellen Bogdanovic-Stimme, die ein wenig an die junge KATE BUSH sowie an ANNA TERNHEIM erinnert, sondern auch in dem, was ihre Band keinesfalls im Hintergrund, sondern immer wieder auch im Vordergrund leistet – bereits unüberhörbar im melancholischen Einstieg ins Album mit „Melancholia“, in dem besonders der Kontrabass und das Saxophon ihre besonderen Einsätze erhalten.

Genauso flexibel und variabel wie die Instrumente, die das Album zu einer Klangreise durch den Jazz, Pop, Electronics, Klassik, Experimentierlust und rundum verspielter Musizierkunst werden lassen, sind auch die insgesamt drei Sängerinnen, bei denen natürlich MIRNA BOGDANOVIC die erste Stimme angibt. Vielleicht hätte man gerade in der vokalen Vielfalt noch etwas weiter gehen und auch eine männliche Stimme als konträren Pol – ganz im Sinne des Albumtitels „Confrontation“ mit integrieren sollen, dann wäre dieses ein rundum perfektes Debüt, das man eigentlich nicht besser machen könnte. So aber bleibt es bei einer Geschlechtertrennung von männlichen Instrumentalisten und weiblichen Sängern.

Eine Besonderheit des Albums wartet mit „Rain“ auf, denn es ist neben allen Eigenkompositionen ein Stück von JACO PASTORIUS, dem im Alter von 35 Jahren viel zu früh verstorbenen Bass-Genie von WEATHER REPORT, wobei der Text übertragen auch Bezüge zu Pastorius' von Süchten bestimmten und am Ende vor einem Club totgeschlagenen Existenz zu erzählen scheint, wenn selbst der hoffnungsvolle Regen: „It cools the fire that burns in me / And I simply lose control...“, seinen Sinn zu verlieren scheint.

Eins der beeindruckendsten Werke von „Confrontation“ aber ist „Cold Lake“, wobei auch hier wieder Männer mit ins Spiel kommen – zumindest wenn man nach musikalischen Vergleichsgrößen sucht und diese bei den wohl allergrößten findet. Denn gerade durch die verspielten Electronics auf dem Stück denkt man tatsächlich an RADIOHEAD und die elektronischen Klangspielereien der „Kid A“- und „Amnesiac“-Zeiten sowie die Solo-Ausflüge ihres THOM YORKE.
Ein Song, in dem man tatsächlich ertrinkt wie in dem kalten See – nur dass man dabei nicht wirklich Ängste vor dem Tod, sondern die Schönheit der Unterwassermomente erlebt und der Lichtspiele, die einem den Weg zur rettenden Oberfläche bahnen.
„Cold Lake“ enthält genau die Essenz dessen, was einen Song von einem sehr guten zu einem außergewöhnlichen werden lässt, der eigentlich die ganze Welt erobern sollte.

MIRNA BOGDANOVIC scheint in allem, was sie tut – also Singen wie Komponieren – sehr intuitiv und mit wechselnden Gefühlen zu handeln, die sich von Natürlichkeit statt Regelkonformität leiten lassen.
So trug sie sich an der Idee für dieses Album schon seit ihrem Studium am Jazz Institut Berlin. Ideen, die eben nicht ohne Weiteres umsetzbar waren, denn schließlich sollten Instrumente und Stimmen eine Vereinigung eingehen, die jedem Raum einräumte, statt ihn diesen im Interesse eines anderen Instruments zu nehmen. Auch durften keine starren Genre bedient werden, nein, sie sollten ineinanderfließen, ohne dabei schmerzhafte Brüche zu verursachen. Das hieß für die Musikerin, sich in jeden Instrumentalisten hineinzuversetzen, ihn zu denken statt zu führen – was ihr nur zu gut gelang, denn schließlich ist sie nicht nur Sängerin, sondern auch studierte Pianistin – und gerade für das Komponieren eignet sich ein Klavier ideal.
Mit allem, was diese begnadete Musikerin tut, verfolgt sie eine klare Absicht, die etwas Trennendes zu vereinen versucht: „In instrumentalen Konzerten denke ich oft, dass mir da eine Stimme fehlt. Zur selben Zeit fühle ich mich in Vokalkonzerten immer ein wenig satt von der Stimme. Ich sage mir, lass mich einen Weg finden, auf dem ich mich wohlfühlen kann.“

Doch ein Album ist mehr als 'nur' Musik. Eine Tatsache, die leider viel zu oft vergessen oder lapidar übergangen wird – und so durchaus Zerstörerisches für echte Musikfreunde mit sich bringt. Doch auch hier beweist MIRNA BOGDANOVIC ein ausgeprägtes, feines Gespür für jedes Detail. Das beginnt bei der wunderschönen Gestaltung des Digipaks, das man eigentlich in seiner Achtflügeligkeit als Digi-Box bezeichnen müsste und endet mit der hervorragende Post Produktion mit einem gigantischem Klang, der Fragiles genauso wie Bombastisches in einen perfekten Einklang bringt. So lebt diese Musik auch vom Sound und der Optik. Was will man mehr von einem Album, das unter die Top Ten jeder Jahres-Wertungsliste gehört?

Nur, zeigt mir bitte die Jahreslisten, auf denen MIRNA BOGDANOVICConfrontation“ steht!

Da passt es nur zu gut, dass in weiser Voraussicht der letzte Akt auf diesem epischen Meisterwerk „Knowing Nothing“ heißt.

FAZIT: Die junge Sängerin und Komponistin MIRNA BOGDANOVIC verzaubert uns auf „Confrontation“ mit einem der schönsten und besten Alben dieses Jahres, das Jazz, Pop, Electronics, Klassik, Experimentierlust und rundum verspielte Musizierkunst in sich vereint. Ein unglaubliches Debüt! Und ja – es muss fast eine Selbstverständlichkeit sein, dass genau dieses auf Konfrontation getrimmte Album den Deutschen Jazzpreis für das „Debüt-Album des Jahres“ erhält. Denn es gibt wirklich kein besseres Debüt als dieses, zumindest aus der Sicht des Kritikers.

PS: Leider versuchen sich heutzutage noch immer viel zu viele Musiker an einer Cover-Version verschiedener Songs von LEONARD COHEN. Das aktuellste BOGDANOVIC-Stück „Dance Me To The End Of Love“ aber ist ebenfalls ein Cohen-Cover, womit die Sängerin samt ihrer Band beweist, mit wie viel Würde und Feingefühl und Inspiration man sich diesem Ausnahmemusiker nähern und ihn verstehen kann.

Thoralf Koß - Chefredakteur (Info) (Review 3087x gelesen, veröffentlicht am )

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Wertung: 14 von 15 Punkten [?]
14 Punkte
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Tracklist:
  • Melancholia
  • June
  • Never Believed
  • Cold Lake
  • July
  • Rain
  • Confrontation
  • Patterns
  • Changes
  • Knowing Nothing

Besetzung:

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