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Atlantis: The Complete Vertigo Studio-Recordings 1972 – 1975 (Review)
Artist: | Atlantis |
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Album: | The Complete Vertigo Studio-Recordings 1972 – 1975 |
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Medium: | Do-CD | |
Stil: | Progressive-, Kraut- und Blues-Rock, Soul, Funk |
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Label: | MIG music | |
Spieldauer: | 149:32 | |
Erschienen: | 29.11.2024 | |
Website: | - |
Als Michael Ende anno 1979 seinen Roman „Die unendliche Geschichte“ vollendet hatte, schrieb eine deutsche Band, die mit ihre Frontfrau und deren unvergleichlichen Stimme (selbst wenn man ihr manchmal das Janis-Joplin-Attribut aufdrückte) für Aufregung sorgte und progressiv sowie krautrockig begann, schon wieder an einem gänzlich neuen Kapitel.
Das zuvor allerdings war reichlich gefüllt mit Soul, Blues und klassischem Rock, ohne sich von der progressiven Spielweise und dessen kompositorischen Abwechslungsreichtum zu verabschieden. Auch sollte diese Episode von 1972 bis 1976 ein weiterer gewichtiger Schritt in der Musikgeschichte der 70er-Jahre sein. Eine Geschichte, die mit den CITY PREACHERS begann, sich dann mit FRUMPY und dem Kult-Song „How The Gipsy Was Born“ fortsetzte und einen weiteren Höhepunkt nach deren völlig überraschenden Auflösung erreichte.
Denn plötzlich erschuf mitten in Deutschland eine Band rund um INGA RUMPF (deren Name bereits für 'Frumpy' als Wortspiel herhalten musste, da das Zentrum ihres Nachnamen in dieser Verbindung als Bedeutung 'mürrisch' oder 'altmodisch' hieß) und JEAN-JACQUES KRAVETZ ihre ganz eigene mythische Insel, die nicht nur ein Donovan besang, sondern die auch dem Untergang geweiht war – und sie nannten sich (Etwa in weiser Vorahnung?) ATLANTIS, während man verhallend noch Donovans „Hello ATLANTIS“-Stimme zu vernehmen meinte.
Auch wenn die Fans von FRUMPY die Auflösung der Krautrocker nicht verstehen oder im schlimmsten Falle akzeptieren wollten, so wurde doch anhand der insgesamt vier Alben, die ATLANTIS bei dem namhaften englischen Vertigo-Label veröffentlichten, unweigerlich klar, warum dieser Trennungsschritt vollzogen werden musste.
Was viele zudem nicht wissen werden, da innerhalb Deutschlands (speziell der Bundesrepublik) der Blick über den Tellerrand mehr in die weltoffene Freiheit als in Richtung der Mauer gerichtet war, dass FRUMPY auch in der DDR bereits durch „How The Gipsy Was Born“ absoluten Kultstatus besaßen, da dieser Song bei einer Sendung im DDR-Rundfunk in voller Länge gespielt worden war und sich diese gigantische Nummer wie ein Lauffeuer in der DDR verbreitete und dort wieder und wieder von den Hörern gewünscht wurde. Das hatte zudem zur Folge, dass auch ATLANTIS im (musikalisch viel zu oft ignorierten) Osten Deutschlands viel Aufmerksamkeit erhielt und gerade das erste Album der Band, das schließlich im gleichen Jahr entstanden war wie das FRUMPY-Live-Album, für horrende Summen auf dem Schwarzmarkt wegging.
ATLANTIS schlugen allerdings im Gegensatz zu FRUMPY neue, bestens zu der tiefen, voluminösen Stimme von INGA RUMPF passende, offensichtlich auf den amerikanischen Markt schielende Wege ein, setzten vielmehr auf souligere Klänge, wechselten beliebig zwischen sehr unterschiedlichen Musik-Stilen (Rock, Pop, Blues, Soul, Psyche, Funk) und überzeugten trotz eines musikalischen wie personellen Bäumchen-wechsel-dich-Spiels auf ganzer Linie. Ein Hauptgrund dafür war, dass ATLANTIS mehr international als krautig klang und damit zugleich die englischsprachige Welt, die sie auch für ihre Konzerte bereiste, für sich einnahm, in der sie gemeinsam mit so großartigen Mega-Sellern wie Traffic, Procol Harum, Lynyrd Skynyrd, Aerosmith, Ike & Tina Turner, Mothers Finest oder Rufus mit Chaka Khan auftraten und hierbei ihr Publikum restlos zu begeistern verstanden.
So ging es Schlag auf Schlag, dass die letztendlich gerade einmal vier Jahre bestehende Band Jahr für Jahr ein aufregendes, oft auch von den Tasteninstrumenten bestimmtes, Studio-Album nach dem anderen veröffentlichte, das 1972 mit dem recht bluesrockig-orientierten „Atlantis“ begann (wobei der psychedelische Zehnminüter „Living At The End Of Time“ noch überdeutlich die FRUMPY-Insignien in sich trug), sich 1973 in dem schweren, etwas wechselhaften Zweitling „It's Getting Better“, extra aufgenommen in einem Studio in London, fortsetzte und der Hörer trotz englischem Aufnahmehintergrund rätselte, ob es, auch seiner stärkeren britischen Eingängigkeit wegen, wirklich besser geworden war als der Vorgänger.
„Ooh, Baby“ bestach dann als dritter Teil in der unendlichen Geschichte nicht nur durch ein herrliches Cover, von dem einem ein Baby regelecht frech entgegenblickte, sondern auch durch eine deutlich stärkere Soul-Ausrichtung, in der die ganze Rumpf-Stimmkraft zur vollen Entfaltung kam und eine ungeahnte vokale Meisterleistung offenbarte, in der die Sängerin ihre ganze Leidenschaft für Gospel, Soul und Blues ausleben konnte. Doch leider drehte sich dieses Album im Grunde nur noch um seinen vokalen 'Rumpf', denn Jean-Jacques Kravetz hatte sich verabschiedet – und diesen Verlust hört man überdeutlich, denn damit waren mit ihm zugleich die bis dahin noch erkennbaren FRUMPY-Momente aus der ATLANTIS-Musik verschwunden – und der Untergang leitete sich ein.
„Get On Board“ 1975 schien diesbezüglich bei diesem Albumtitel schon mit einer gehörigen Portion Ironie mit der Tatsache umzugehen, wie viele Musiker in der kurzen Zeit, die wohl nicht umsonst geheimnisvoll versunkene Insel verlassen und sich einen neuen Hafen gesucht hatten, der so namhafte Musikkapitäne wie Udo Lindenberg (der sogar kurze Zeit bei ATLANTIS für Curt Cress die Trommelstöcke schwang) oder Klaus Doldinger, Randy Pie, Guru Guru, Lake und Eric Burdon sowie Peter Maffay aufzuweisen hatte.
In gewisser Weise spürte man in dem letzten ATLANTIS-Studio-Album unter Vertigo Records bereits das sich auflösende, titanische Bandgefüge und die wechsel- wie sprunghafte Stimmung an, auch weil die neu eingestiegenen Musiker (erstmals waren mir Ringo Funk und Rainer Marz gleich zwei Musiker der Hardrockband JERONIMO mit dabei) viel stärker an dem kompositorischen Prozess beteiligt waren als auf den drei Alben zuvor, sodass dieses Schiff dann doch nur noch zu einem souligen Kutter wurde, an dessen Steuer eine singende Frontfrau stand, die ihre Segel längst in eine Richtung gesetzt hatte, die nunmehr alle FRUMPY-Freunde genauso mit von Bord nicht nur gehen, sondern in hohem Bogen herausspringen ließen.
1976 verkündeten Sängerin INNGA RUMPF und Bassist KARL-HEINZ SCHOTT das Ende von ATLANTIS, das allerdings nur der Abschluss eines musikalisch verdammt spannenden Kapitels war, denn die 'unendliche Geschichte' um die Sängerin und viele Bandmitglieder sollte natürlich weitergehen – obwohl die Wege nunmehr in unterschiedliche Richtungen verliefen, selbst wenn diese sich im Laufe der Jahre bei einigen immer wieder kreuzten. Doch das ist schon wieder ein völlig neues Kapitel...
Und das schönste wie hoffnungsvollste wurde dann mit einem Live-Album im Jahr 1995 geschrieben, bei dem allerdings wiederum durch die Frontfrau alle so stolz gehissten Segel gestrichen werden mussten.
Doch dazu später...
FAZIT: Eine weitere, klangtechnisch bestens remasterte, großartige Pionierleistung aus dem Hause MIG music, die uns mit diesem CD-Doppeldecker samt einem achtseitigen Booklet mit 'veralteten' Linernotes aus dem Jahr 2007 der Frontfrau und einigen Bildern aufwartet. Auf „The Complete Vertigo Studio-Recordings 1972 – 1975“ begleiten wir ATLANTIS, die unmittelbar aus FRUMPY hervorgegangen, dann aber offensichtlich durch ihre Sängerin INGA RUMPF eine Soul-Richtung einschlugen, die nach zwei („Atlantis“ und „It's Getting Better“) – der insgesamt vier („Ooh, Baby“ und „Get On Board“) – Studio-Alben der wichtigste Mann an den Tasten, Jean-Jacques Kravetz, nicht mehr mitgehen konnte. Man hört auch warum. Gerade darum ist diese Doppel-CD mit den kompletten vier ATLANTIS-LPs ein mehr als gelungenes Zeitdokument, das sehr anschaulich und anhörlich den Untergang dieser geheimnisvollen Musik-Insel dokumentiert.
- 1-3 Punkte: Grottenschlecht - Finger weg
- 4-6 Punkte: Streckenweise anhörbar, Kaufempfehlung nur für eingefleischte Fans
- 7-9 Punkte: Einige Lichtblicke, eher überdurchschnittlich, das gewisse Etwas fehlt
- 10-12 Punkte: Wirklich gutes Album, es gibt keine großen Kritikpunkte
- 13-14 Punkte: Einmalig gutes Album mit Zeug zum Klassiker, ragt deutlich aus der Masse
- 15 Punkte: Absolutes Meisterwerk - so was gibt´s höchstens einmal im Jahr
- CD 1 „Atlantis“ (1972) & „It's Getting Better“ (1973) (70:58)
- = ATLANTIS (1972) =
- Get Up
- Big Brother
- Rock'n'Roll Preacher
- Maybe It's Useless
- Let's Get On The Road Again
- Living At The End Of Time
- Words Of Love
- = IT'S GETTING BETTER (1973) =
- It's Getting Better
- Drifting Winds
- Days Of Giving
- Changed It All
- Fighter Of Truth
- Woman's Sorrow
- A Simple Song
- CD 2 „Ooh, Baby“ (1974) & „Get On Board“ (1975) (78:34)
- = OOH, BABY (1974) =
- Brother
- Son Of A Bitch's Son
- Waiting And Longing
- Mr. Bigshot
- The Way I Choose
- Ooh Baby
- Smiling People
- New York City
- Godfather
- Leave It ToThe Devil
- Good Friends
- = GET ON BOARD (1975) =
- Get On Board
- Change My Mind
- The Man
- Let Me Stay For A While
- Keep The Music Going On
- Chartbuster
- The Captain And The Ship
- If I Couldn't Sing
- Tried To Climb A Mountain
- Mainline Florida
- Bass - Karl-Heinz Schott
- Gesang - Inga Rumpf
- Gitarre - Frank Diez, Inga Rumpf
- Keys - Jean-Jaques Kravetz, Pascal Kravetz
- Schlagzeug - Carsten Bohn
Interviews:
-
keine Interviews