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Stern-Combo Meissen: Die Himmelsscheibe von Nebra (Review)
Artist: | Stern-Combo Meissen |
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Album: | Die Himmelsscheibe von Nebra |
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Medium: | Download/EP-CD/Vinyl-EP | |
Stil: | Progressive- und Art-Rock, Deutsch-Pop |
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Label: | Buschfunk/A&O Records | |
Spieldauer: | 24:15 | |
Erschienen: | 27.09.2024 | |
Website: | [Link] |
Als SILLY noch von 'unbefahrenen Gleisen' singen wollten und das Album dafür verboten werden sollte (um später doch als „Liebeswalzer“ zu erscheinen), begab es sich zugleich, dass eine der großartigsten DDR-Bands des Klassik-Rock-Bereichs sich im Jahr 1985 hinter der Mauer unbedingt mit ihrem neuen Frontmann IC als „Taufrisch“ präsentieren musste und zum Leidwesen ihrer altgestandenen Fans lauthals als aufsteigende Pop-Sterne mit beispielsweise „Wir sind die Sonne“ unbedingt die Sonne besingen mussten und sich damit von dem, was sie groß- und viele stolzgemacht hatte, verabschiedeten. Heute nennen wir es im gesamtdeutschen Neusprech den 'Progressive Rock', damals, in den frühen DDR-Siebzigern, nannten wir es im Osten noch 'Klassik-Rock'.
Niemals vollbrachte in der Vergangenheit eine Band – übrigens in Deutschland West wie Ost – eine dermaßen gigantische Leistung, Klassik und Rock so intensiv miteinander zu vereinen, wie es die STERN-COMBO MEISSEN meisterte, die trotz aller Unkenrufe auch nach 60 Jahren die wohl definitiv dienstälteste, heute noch aktive, deutsche Rockband ist.
Womit wir wieder bei den 'unbefahrenen Gleisen' wären.
Denn während sich heutzutage die deutsche Nation, wenn's um die deutsche Rockmusik und deren Anfänge geht, permanent am immer seltsamer werdenden (sogar den Staatsratsvorsitzenden Honecker-Oberindianer besingenden) Nuschel-Opa Lindenberg festmacht, scheinen die Meisten wohl einfach nicht zu bemerken, welch frischer Wind zwischen Prog-Altertum und Pop-Moderne samt deutscher Texte da doch aus dem Osten einem mitten ins Gesicht bläst, selbst wenn dieser meistenteils viele, anscheinend noch immer an der Mauer steckengebliebene Westohren nicht erreicht.
Egal! Denn die STERN-COMBO MEISSEN sind heute noch nicht nur ein Stück musikalisches Lebensgefühl des Ostens, sondern auch ein musikalisches Wunder in Vergangenheit und Gegenwart, das nunmehr mit „Die Himmelsscheibe von Nebra“ ein Achtungszeichen der Extraklasse setzt, das wie die Miniaturausgabe ihrer kompletten Musik-Laufbahn klingt.
Zum Glück ist das 'COMBO' wieder zwischen STERN und MEISSEN zurück, was man diesmal tatsächlich nicht nur im Band-Namen sieht, sondern ganz offensichtlich auch auf dieser extrem gelungenen EP hört, welche tatsächlich den Mut aufbringt, uns nicht nur „Die Himmelsscheibe von Nebra“, sondern auch die zwei Gesichter (das progressiv ungeschminkte der STERN-COMBO MEISSEN und das poppig angeschminkte von STERN MEISSEN) der Klassikrock-Vorzeige-Band aus der DDR, die gerade ihren 60. Geburtstag feiert, zu präsentieren.
Und los geht’s mit dem dreigliederigen Titelsong, der die altehrwürdige Combo-Aura authentisch wiederbelebt, indem er klassischen Artrock mit einer historischen Geschichte vereint, die sich dieses Mal um besagte Himmelsscheibe dreht, von der man wissen sollte, dass vor fast 25 Jahren Grabräuber in der Nähe der Stadt Nebra in Sachsen-Anhalt einen rätselhaften Fund machten. Nämlich eine mit Gold verzierte Bronzescheibe, wobei allerdings erst 2001, als die Polizei diese sicherstellte und Archäologen übergab, deutlich wurde, um welche sensationelle Entdeckung es sich hierbei handelte: Plötzlich hatten wir es tatsächlich mit der ältesten Himmelsdarstellung der Geschichte zu tun! Seitdem beflügelt die Himmelsscheibe die Fantasie der Menschen, sodass sie sogar vor 10 Jahren ins Weltdokumentenerbe der UNESCO aufgenommen wurde. Da besagte Fantasie eben keine Grenzen kennt, tritt nun auch die STERN-COMBO MEISSEN auf den Plan und kreiert so eins ihrer besten Art-Rock-Stücke überhaupt, das sich geschickt zwischen „Kampf um den Südpol“ und „Eine Nacht auf dem kahlen Berge“ sowie einer anfänglichen 'Dunkelsprech'-Portion der Marke E-NOMINE bewegt.
Ja, sie sind eben 60 Jahre und kein bisschen leise oder weise oder altersschwach, sondern beleben ihre Anfänge genauso wie ihre Gegenwart, indem sie mit dieser EP einen 25-minütigen Federstreich, der in der ersten Hälfte die Frühzeit und in der zweiten Hälfte die dem Pop zulächelnde Neuzeit präsentiert, abliefern, welcher gewagter kaum sein kann, denn schließlich vereint er die beiden SCM-Zeiten, die unter alten wie neuen Fans damals für jede Menge Furore und so einiges Unbehagen sorgten.
Darüber hinaus beinhaltet die EP eine, wiederum für die STERN-COMBO MEISSEN absolut typische, Klassik-Adaption plus drei weitere handgemachte, an die 80er-Jahe gemahnende Pop-Rock-Songs, die sich nahtlos in das künstlerische Schaffen der Band einfügen und für die zudem namhafte Textautoren, wie beispielsweise bei „In der kalten Nacht“ - in welche sich zudem eins zu eins das Bassmotiv von „Also was soll aus mir werden“ eingeschlichen hat - ein Manfred Maurenbrecher, gewonnen wurden.
Leider gerät die Adaption „Variationen über ein Thema von Erik Satie (Gymnopédie No. 1)“, welche schon im Titel ihren Bezug auf den französischen Komponisten verrät, etwas zu kurz, was nichts daran ändert, dass diese zwei Minuten rund um ERIK SATIE und dessen 1888 entstandene „Gymnopédie No. 1“, welche sich auf die Festspiele im antiken Sparta bezieht, bei denen junge nackte Männer zum sportlichen Wettkampf und zum Tanz antraten, ein instrumentaler Hochgenuss an akustischer Gitarre, Keyboard und Bass sind.
Beachtlich ist auch, dass gleich auf zwei Song sogar der Tausendsassa sowie ehemalige STERN-COMBO MEISSEN-Keyboader und -Saxophonist MAREK ARNOLD (SEVEN STEPS TO THE GREEN DOOR, CYRIL, TOXIC SMILE, DAMANEK und viele mehr) auftaucht, von dem aus sicher verbriefter Quelle bekannt ist, dass er in seiner Jugendzeit gar als leidenschaftlicher Anhänger von der MÜNCHNER FREIHEIT galt, was auf „In der kalten Nacht“ tatsächlich ein wenig zu hören ist. Ein Beweis dafür, dass die 'Combo' neben ihrer klassischen Ader zugleich ein ganz großes Gespür für hymnische wie romantische Pop-Balladen besaß, ähnlich wie sie dieses auch in den 80er-Jahren mit IC angingen. Ein Gefühl, das sie bis heute nie verloren haben.
In puncto Romantik wird diese 'kalte Nacht' dann sogar noch mit dem finalen „Leben mit dir“ übertroffen – einer Ballade, die ähnlich gut wohl nur ein PHIL COLLINS zustande gebracht hätte, selbst wenn der Text ein wenig zu übertriebenes Pathos verbreitet.
Doch brauchen wir nicht gerade dieses Gefühl in den nicht nur von den Temperaturen her kälter werdenden Zeiten immer mehr?
Darum: „Leben in großer Liebe / Leben im großen Glück / Leben Leben ein Ganzes / Leben nicht nur ein Stück“.
So wird „Die Himmelsscheibe von Nebra“ zu einem herzerwärmenden und den Geist bereichernden sowie die Musikwelt berührenden Album, das einerseits seinen Blick in die gute alte 70er-Ostzeit wendet, aber zugleich die weltmännische Pop-Schönheit beleuchtet, die keinesfalls peinlich oder anbiedernd wie beispielsweise die letzte Weihnachtsshow von Helene Fischer klingt, bei der spätestens nach Marianne Rosenberg auch für alle Omis und Opis das Fremdschämen begann...
...das am Ende sogar ein Reinhard Mey nicht mehr ausbügeln konnte. Der hätte vielleicht doch besser mit der STERN-COMBO MEISSEN zu deren 60. Geburtstag auftreten sollen.
FAZIT: Aus Anlass ihres 60. Geburtstags begab sich die STERN-COMBO MEISSEN, bei der noch immer Ur-Mitglied Martin Schreier aktiv ist, der allerdings den Chef-Staffelstab offensichtlich an Frontmann Manuel Schmid übergeben hat, auf Geburtstagsmission und veröffentlichte diese faszinierende wie ambitionierte EP „Die Himmelsscheibe von Nebra“, in der sie den gelungenen Versuch unternimmt, ihren anfänglichen Klassik-Rock mit dem späteren deutschsprachigen Art-Pop zu vereinen. Definitiv ein gelungenes Geburtstagsalbum, das sich nicht in die Rente abmeldet, sondern für Jung und Alt eine Bereicherung darstellt. Darf man hier schon von einem Evergreen sprechen? Aber klar doch – bei der STERN-COMBO MEISSEN allemal, denn die sind nicht nur so ewig strahlend wie die Sonne, sondern auch fast so alt wie „Die Himmelsscheibe von Nebra“...
- 1-3 Punkte: Grottenschlecht - Finger weg
- 4-6 Punkte: Streckenweise anhörbar, Kaufempfehlung nur für eingefleischte Fans
- 7-9 Punkte: Einige Lichtblicke, eher überdurchschnittlich, das gewisse Etwas fehlt
- 10-12 Punkte: Wirklich gutes Album, es gibt keine großen Kritikpunkte
- 13-14 Punkte: Einmalig gutes Album mit Zeug zum Klassiker, ragt deutlich aus der Masse
- 15 Punkte: Absolutes Meisterwerk - so was gibt´s höchstens einmal im Jahr
- Die Himmelsscheibe von Nebra
- *Prolog
- **Der geschmiedete Himmel
- ***Epilog
- Variationen über ein Thema von Erik Satie (Gymnopédie No. 1)
- In der kalten Nacht
- Zwischen zwei Herzen
- Leben mit dir
- Bass - Axel Schäfer
- Gesang - Manuel Schmid, Martin Schreier
- Gitarre - Michael Lehrmann
- Keys - Manuel Schmid, Sebastian Düwelt, Marek Arnold
- Schlagzeug - Frank Schirmer, Martin Schreier
- Live (1996)
- Finlandia – Klassik-Adaptionen im Konzert (1976 - 2022) (2022)
- Die Himmelsscheibe von Nebra (2024) - 14/15 Punkten
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