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Friedrich Gulda: Nachricht vom Lande (Review)
Artist: | Friedrich Gulda |
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Album: | Nachricht vom Lande |
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Medium: | Do-CD | |
Stil: | (Free-)Jazz, Experimentelles |
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Label: | Moosicus/MIG music | |
Spieldauer: | 92:05 | |
Erschienen: | 31.01.2025 | |
Website: | [Link] |
Als FRIEDRICH GULDA (fast) siebzigjährig am 27. Januar des gerade neu angebrochenen Jahrtausends in Weißenbach am Atterssee in aller Stille starb, waren die Welt und das neue Jahrtausend gleich um einen großartigen Jazz- wie Klassik-Kreativisten, der sich als spannender Komponist, begnadeter Pianist und musikstilistischer Grenzgänger auszeichnete, aber leider auch als Kettenraucher seiner Gesundheit nicht immer förderlich diente, ärmer geworden.
Gulda, der Mozart- und Beethoven-Fan aus Österreich war sein Leben lang dafür bekannt, dass er absolut exakt und werkgetreu die Kompositionen der beiden Klassik-Legenden am Klavier wiedergeben konnte, aber auch ein extrem ausgezeichnetes Gedächtnis besaß, womit er sich längere Notentexte umfangreich einprägen konnte. Zudem besaß er die Gabe, einen Johann Sebastian Bach originalgetreu auf einem Clavichord nachspielen zu können, das im Falle dieser extrem verspielten, frei jazzenden Doppel-CD „Nachricht vom Lande“ auch zum Einsatz kommt.
Immer galt zudem für Gulda der Grundsatz, dass gerade der Jazz „das wirklich Fortschrittliche“ der Musikkultur darstellt.
Ursprünglich erschienen beim 'Brain'-Label, das ja bekanntlich besonders für Prog, Kraut und Jazz Rock die allererste Musik-Adresse war, fühlt sich dieses 1976 erstveröffentlichte Doppel-Album bei 'Brain' allerdings ein wenig fehl am Platze an. Doch bei dem Namen, den dieser begnadete österreichische Pianist besaß und mit den paar vorsichtigen Krautrock-Einsprengseln versehenen Rhythmen zwischen wenig Melodie und viel Kakophonie, konnte sich ein FRIEDRICH GULDA sicher aussuchen, wo er veröffentlichte. Denn schließlich war er beispielsweise auch für seine unfassbaren Interpretationen echter Rock-Klassiker bekannt, von denen das Highlight (im doppelten Sinne) „Light My Fire“ der DOORS war.
Dagegen besitzt „Nachricht vom Lande“ jedoch ein anderes Kaliber, wobei die erste CD in etwas verrauschter, nur mittelmäßiger Stereo-Qualität als ein Live-Mitschnitt daherkommt, wogegen die zweite CD in richtig guter Klangqualität ihre Kreise zieht. Die Aufnahmen stammen hier vom Musikfestival „Days Of Free Music“, das im Jahr 1976 auf dem Schloss Moosham in der Nähe von Salzburg bei schlechtem Wetter mitgeschnitten wurde. Daher auch die zwei Klammerbemerkungen 'Das Gewitter' und 'Nach dem Gewitter'.
Auf „Nachricht vom Lande“ findet der Hörer Free Jazz in Reinkultur, bei dem die Saxophone tröten, die perkussiven Schlaginstrumente mitunter sehr eigenartige Effekte verbreiten, die ein wahres Eigenleben entwickeln, genauso wie die manchmal undefinierbaren Exkursionen an den Tasten oder dem Schlagzeug, wobei selbst elektronische Verfremdungen und Effekte (besonders auf der zweiten CD) in die von Gulda und seinen Mitstreitern geschaffenen Klangwelten einziehen.
Diese „Nachricht vom Lande“ kommt definitiv nicht als unterhaltsam bunte Postkarte, sondern als schwer zu greifender, in den seltsamsten Schriftarten und mitunter nur schwer zu entziffernden Brief aus dem Jenseits daher, der jeden, der die Sprache des frei improvisierten Jazz nicht halbwegs zu lesen vermag, deutlich überfordert. Wer allerdings musikalischer Hieroglyphen-Experte ist, der bekommt viel zu tun und wird dafür über 90 Minuten lang belohnt.
Das führt uns zu einem FAZIT der frei improvisierten Art: Denjenigen also, die sich gerne mit besagten frei improvisorischen Hieroglyphen auseinandersetzen und den Sinn hinter jedem Zeichen und jeder Note und jeder noch so verrückten Idee gerne auf die Spur gehen, genau für die ist FRIEDRICH GULDAs „Nachricht vom Lande“ gedacht und gemacht und live im Jahr 1976 mitgeschnitten worden. Zum Erfolg dieser Aufnahmen tragen neben dem Pianisten und Meister am Clavichord die sehr namhaften Gulda-Musikbegleiter aus der Jazz-Szene bei, aus denen besonders der weltberühmte Posaunist ALBERT MANGELSDORFF und der britische Saxophonist JOHN SURMAN, der auch in die Synthesizer-Tasten haut und an den richtigen Knöpfchen dabei dreht, heraus. Free Jazz von Freigeistern für Freigeister. Wer hier jedoch unvorbereitet nur zuschlägt, weil er weiß, dass dieses Album 1976 erstmals auf dem progressiven Kult-Krautrock-Label 'Brain' erschien und deshalb wohl auch typisch danach klingen würde, der liegt falsch...
- 1-3 Punkte: Grottenschlecht - Finger weg
- 4-6 Punkte: Streckenweise anhörbar, Kaufempfehlung nur für eingefleischte Fans
- 7-9 Punkte: Einige Lichtblicke, eher überdurchschnittlich, das gewisse Etwas fehlt
- 10-12 Punkte: Wirklich gutes Album, es gibt keine großen Kritikpunkte
- 13-14 Punkte: Einmalig gutes Album mit Zeug zum Klassiker, ragt deutlich aus der Masse
- 15 Punkte: Absolutes Meisterwerk - so was gibt´s höchstens einmal im Jahr
- CD 1 (51:13):
- Einsamkeiten
- Begegnung auf Moosham
- Wechselnde Begegnungen auf Moosham
- CD 2 (40:52):
- Mooshamer Begegnungen (Das Gewitter)
- Mooshamer Begegnungen (Nach dem Gewitter)
- Nachklänge – Rückkehr – Zweisamkeit
- Bass - Barre Phillips
- Keys - Friedrich Gulda, Cecil Taylor, John Surman
- Schlagzeug - Ursula Anders, Stu Martin
- Sonstige - John Surman (Saxophone), Albert Mangelsdorff (Posaune)
- Nachricht vom Lande (2025)
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