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Interview mit Kärbholz (05.07.2011)

Kärbholz

Kerniger, metallischer Rock mit deutschen Texten ist derzeit angesagter denn je. Immer mehr Bands aus diesem Bereich wollen mit ihren Veröffentlichungen ein Stück vom großen Kuchen einheimsen, doch selten gelingt dies so gut wie bei KÄRBHOLZ, einer Band aus dem Süden von Nordrhein-Westfalen. Die konnten mit ihrem aktuellen Album "100%" jede Menge positiver Kritiken für sich beanspruchen und zeigen im Interview, dass sie mehr zu bieten haben, als plumpe Anbiederung an eine Szene, die gerne mal verlauten lässt, dass sie stolz auf die Heimat ist.

Tag die Herren. Wie geht’s?

Tag auch, danke der Nachfrage uns geht’s bestens.

Zunächst mal eine Frage zum Bandnamen. Kerbholz schreibt man ja mit "e", ihr jedoch schreibt euch mit "ä" – hat das eine bestimmte Bedeutung oder wolltet ihr einfach nur den "Heavy-Metal-Umlaut" wie bei Blue Öyster Cult oder Motörhead einbauen?


So ähnlich, ja. Mit dem ersten eigenen Lied kam auch der Wunsch nach einem eigenen Bandnamen auf. Es sollte einer sein der einprägsam und dreckig ist, einer der auch noch mit fünf Atü auf dem Kessel auszusprechen ist. Nach langem Hin und Her kam dann unser damaliger Schlagzeuger auf die Idee "Wie wäre es denn mit Kerbholz?". Fix noch ein a aus dem e, zwei Punkte drauf und tadaa, der Name war da.

Euer neues Album "100%" ist vor knapp drei Wochen erschienen. Könnt ihr schon was zu den Resonanzen sagen? Seid ihr zufrieden mit dem Feedback, das ihr bisher aus der Presse und von den Fans bekommen habt?

Wir sind vollkommen zufrieden. Es gibt zwar auch Stimmen, die unser Album zerreißen, wie beispielsweise ein Review von einem Oi-Magazin, die uns vorwerfen nicht tief genug respektive überhaupt in der Szene verwurzelt zu sein. Aber da das eingentlich eh nicht "unsere Szene" ist, ist das nicht schlimm. Aber sonst sind die Resonanzen durchweg positiv und das, was wir bisher von unseren Fans gehört haben und aus diversen Reviews entnehmen konnten, ist pure Begeisterung. Die sind alle so begeistert von der neuen Scheibe wie wir selbst.

Das Album hat einen schön knackigen Sound - wo und mit wem habt ihr die Platte aufgenommen?

Diesmal haben wir uns ein anderes Studio gesucht und sind schlussendlich bei Andy Classen im Stage One Studio in Bühne gelandet. Andy macht ja sonst eher Metal Acts, von daher war es eine sehr interessante Zusammenarbeit, aber wir haben von Anfang auf einer Wellenlänge gelegen und das hat sich auch im Album niedergeschlagen.

Ich kenne die Vorgängeralben nicht. Wo seht ihr selber Unterschiede, was habt ihr ggf. anders gemacht, wo habt ihr euch aus eurer eigenen Sicht verbessert?


Allein schon beim Sound haben wir einen Riesenschritt nach vorne gemacht. Das haben wir Andy zu verdanken, der sich große Mühe gegeben hat, alle Feinheiten schön rauszuarbeiten. Auch musikalisch hat sich einiges getan. Je länger man selber spielt bzw. auch zusammen spielt, desto mehr "Spielereien" schleichen sich ein und umso mehr Einflüsse von außerhalb verarbeitet man in seiner Musik und Spielweise.

Kommen wir auf die Songs selber zu sprechen. Der Opener "K.H.C.C." wartet mit dem Begriff Countrycore und entsprechenden Sounds auf. Allerdings ist es auch der einzige Song auf dem Album, der diese Countryelemente beinhaltet. Wie kommt’s?

Das ist ein augenzwinkernder Verweis auf unsere eher ländliche Herkunft. Bei den anderen Liedern hat es weniger gepasst, Country einzubauen. Allerdings haben wir z.B. auf unserem letzten Album einen Song mit Country-Anleihen. Da das ein Teil der Musik ist, die wir privat hören, fand das natürlich auch Eingang in unsere eigenen Lieder.

In "Dumm geboren" stellt ihr euch unter anderem gegen platte Stammtischparolen. Wie sieht das in eurer Heimat Ruppichteroth aus? Ist dieses "Phänomen" in dem 10.000-Einwohner-Städtchen sehr ausgeprägt?

Wahrscheinlich ist ein solches Phänomen auf dem Land ausgeprägter bzw. fällt es eher auf. Aber Stammtischparolen kommen überall vor, nicht nur bei uns.

In diesem Zusammenhang denkt man ja schnell die Bild-Zeitung, die gerne mal Futter für Stammtischdiskussionen liefert. Eure Meinung zu dem Blatt?

Na, das ist doch einwandfreier, investigativer und unabhängiger Journalismus in Reinform. Ha ha, eher nicht. Die Bild kann mal zur Belustigung beitragen aber sie kann nicht die Grundlage einer Weltanschauung sein, bzw. sie ist einfach kein Spiegel dessen, was in der Welt vor sich geht.

Und laufen in eurer Stadt viele "Timmis" herum oder sind die Inhalte dieser beiden Songs eher allgemein gehalten? Beide Themen sind ja in Deutschland zuhauf anzutreffen…

Leider läuft einem zu oft der ein oder andere "Timmi" über den Weg. Das und zudem kamen gehäuft Vorwürfe, wir würden uns am rechten Rand bewegen. Da wir aber nichts mit diesen hirnlosen Spinnern zu tun haben wollen und in keinster Weise diese oder eine ähnliche Ideologie gutheißen oder vertreten, war es für uns an der Zeit, ein ganz klares Statement gegen rechts zu bringen. Natürlich besitzt der Song dadurch eine Allgemeingültigkeit, da das nicht nur ein Problem bei uns ist, sondern deutschlandweit.

Songs wie "Auf beiden Beinen", "Nichts zu verlieren" oder "Du bist König" thematisieren Authentizität und Integrität eines jeden einzelnen. Ist es euch ein besonderes Anliegen, solche Dinge anzusprechen, besonders im Hinblick darauf, dass in unserer heutigen Gesellschaft die Individualität immer weiter abnimmt?

Es ist uns in sofern ein besonderes Anliegen, als dass wir selbst das sind und leben, was wir besingen und das dementsprechend weitergeben wollen. Jeder einzelne hat seinen Weg, den er gehen und auf dem er sich versuchen sollte. Jeder hat nur dieses eine Leben, davon muss man erstmal einfach ausgehen. Aus unserer Sicht ist Selbstverwirklichung, das eigene Leben selbst in die Hand zu nehmen und zu lenken vielleicht sogar die Grundessenz unseres Daseins. Und das ist ja hier zu Lande, zum Glück, nicht nur reine Utopie, sondern jeder hat ja die Möglichkeit, selbst etwas zu verändern und zu bewegen, für sich selbst etwas zu schaffen.

"Was wir immer gesucht ham" und "Bilder" sind wehmütige Songs, die einen Blick auf Vergangenes werfen. Inwieweit beruhen die auf persönlichen Erfahrungen und wie wichtig ist es euch, solche Dinge mit euren Fans zu teilen?

Die Vergangenheit ist elementarer Bestandteil eines jeden. Ohne sie würde man nicht zu der Person werden die man ist. Von daher ist es wichtig, hin und wieder einen Blick zurück zu werfen, um aus den Fehlern zu lernen und sich an positiven Dingen zu erfreuen. Deshalb ist es auch ganz wichtig, hin und wieder wehmütig zurückzuschauen und das auch zu sagen, damit klar wird, dass nicht immer alles Eitel Sonnenschein ist, aber dass es ok ist.

Bei den BÖHSEN ONKELZ war es ja so, dass sich viele Fans besonders mit solchen persönlichen Texten identifiziert haben und daraus auch positive Aspekte für sich selbst ziehen konnten. Habt ihr ähnliche Erfahrungen dahingehend gemacht, dass Fans sich bei euch gemeldet haben und erzählt haben, dass ein bestimmter Text von euch ihm oder ihr im Leben weiter geholfen hat? Ist es euch vielleicht sogar ein Anliegen, mit euren Texten positive Anstösse und Hilfestellungen zu geben?

In erster Linie konzipieren wir keine Texte mit der Absicht, dass jetzt Lieschen Müller und Karl Otto daraus eine Lektion oder Hilfestellung ziehen sollen, wir erzählen einfach aus unserem Leben oder über das, was uns innerlich bewegt. Manche hören das und denken dann "Mensch, so was ähnliches hab ich auch schon mal erlebt" oder "Ja, die haben recht" und können sich dann daraus etwas für sie Hilfreiches oder Tröstendes ziehen. Sowas ist dann natürlich toll. Wir hatten auch schon Fans, die auf uns zukamen und sagten, hier dieses oder dieses Lied hat mir geholfen, mich getröstet oder aufgemuntert. Ist für uns ein sehr tolles Gefühl, die Leute so sehr zu berühren. Zeigt, dass wir unseren Inhalt auch vermitteln können und die Leute nicht einfach nur drüberhören, Deckel zu und fertig.

Wo wir gerade bei den Onkelz sind: ich denke, dass viele Onkelz-Fans mit eurer Musik sicher auch etwas anfangen können. Waren die Onkelz Inspiration oder Einfluss für euch? Und wie beurteilt ihr die Relevanz der Onkelz für deutschen Rock?


Die Relevanz für die deutsche Rockmusik ist eher das, was du selbst schon angesprochen hast, dass sie ihre Fans berührt haben. Sie hatten ganz klar eine Vorreiterstellung in der deutschen Musiklandschaft und haben da einen ganz neuen Sektor Musik salonfähig gemacht und der breiten Masse vorgestellt. Aber als Inspiration für die Band KÄRBHOLZ kann man sie nicht bezeichnen! Wir hören sehr viel unterschiedliche Musik, da kommt viel zusammen und vermischt sich, das wäre zu einfach, das auf eine Band zu reduzieren.

Sehr positiv aufgefallen ist mir, dass es bei euch keine "Deutschtümelei" gibt. Andere Bands aus dem Deutschrock (ich will mal keine Namen nennen), kokettieren aber gerne mal mit Begriffen wie dem Stolz auf die Heimat und ähnlichem. Ihr scheint das aber nicht nötig zu haben. Ein Statement dazu?

Die einfachste Erklärung dafür ist wahrscheinlich, dass wir da keine Lust drauf haben. Jeder kann für sich entscheiden, wo er gerne leben möchte oder auf was er stolz sein will, aber das wollen wir keinem vorschreiben.  Uns ist dieses Thema einfach nicht wichtig genug, als dass wir uns berufen fühlen würden, darüber zu singen. Wenn man dieses ganze "Heimatliebe Zeug" als Grundstein seiner Musik sieht, dann muss man ja sonst sehr wenig zu sagen haben...

Was waren denn so eure bisherigen "Karrierehighlights". Gab es Momente, die für euch unvergessen bleiben werden?

Highlights sind selbstredend Sachen wie vor einer Menschenmenge von knapp 18.000 Leuten zu spielen. Aber auch Begebenheiten mit Fans, wenn sie uns z. B. Komplimente machen oder wir Spaß an der Theke haben, sind Sachen, die in Erinnerung bleiben. Highlights müssen nicht immer Auftritte vor besonders vielen Leuten usw. sein, oft sind es kurze, aber intensive Augenblicke auf Tour, die einen nachhaltig beschäftigen.

Habt ihr besondere Ziele mit KÄRBHOLZ oder irgendwelche Träume? Bspw. eine bestimmte Band, mit der ihr mal auf Tour gehen wollt oder sowas?

Auf eine bestimmte Band erstmal zu einigen wäre sehr schwierig, unsere Interessen gehen manchmal sehr auseinander ;-). Träume dahingehend, dass es wohl so weitergeht wie bisher. Und welcher Musiker träumt nicht davon vielleicht irgendwann von seiner Musik leben zu können?

Was sind deine oder eure fünf liebsten Platten aus dem großen Bereich deutscher Rock und Punk?


BETONTOD – Schwarzes Blut
WESTERNHAGEN – Mit Pfefferminz bin ich Dein Prinz
BROILERS – LoFi

Die zwei weiteren Plätze teilen sich sehr viele geile Platten ;-)

Und welche vielleicht noch nicht so bekannten Bands könnt ihr Leuten, die auf euren Sound stehen, noch empfehlen?

Zum Beispiel DIE BONKERS, KRANKENKASSE, EPHEDRIN, geht einfach öfter mal auf Konzerte, wir haben schon oft echt geile Bands gesehen, die niemand kannte, die aber den Hauptbands in nichts nachstanden...

Jetzt mal Butter bei die Fische: was habt ihr denn schon so alles auf auf Kerbholz? ;-)

Hallo, nu aber mal... Wir waren brave Sonntagsschüler :-D. Das ein oder andere Ding, welches jugendlichem Leichtsinn oder innerem Wahnwitz zuzuschreiben ist, haben wir uns schon geleistet.

Letzte Frage und zurück zu Ruppichteroth – was kann man denn da machen außer im Bergischen spazieren zu gehen oder eine Band zu gründen?

Trecker fahren!!! Oder in unsere Stammkneipe einkehren. Oder, mit dem Trecker zur Kneipe fahren, das ist dir Kür!

Danke fürs Beantworten meiner Fragen und alles Gute für Euch!

Andreas Schulz (Info)
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