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Amphi Festival 2011 - Sonntag - Köln, Tanzbrunnen - 17.07.2011

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Amphi Festival 2011, der zweite Tag. Dank der Unterbringung in Köln-Ehrenfeld ist die Anreise nach Deutz zwar kurz, doch ein kräftiger Regenschauer hält einen zunächst im Bahnhof fest. Gnädigerweise ist das schlechte Wetter nur von kurzer Dauer, für den Rest des Sonntages bleibt es weitestgehend trocken. Zur Sicherheit bleibt die Regenjacke aber an - man weiß ja nie.

Amphi Festival 2011Den Anfang macht mit SHE'S ALL THAT eine Band, die 2010 ihr Debütalbum veröffentlicht hat, die aber vor allem durch ihre höchst ungewöhnliche Bühnenshow im Gedächtnis bleibt. Denn die Bandmitglieder verstecken sich hinter hautengen Masken, was dem Ganzen eine verstörende Atmosphäre gibt. So springt die Figur am Mikrofon zwar wild in der Gegend herum, sieht aber aus, wie ein uralter Kobold. Der Mund bewegt sich zum Gesang, doch ansonsten ist die Mimik unverändert - klar, ist ja nur eine Maske. Ebenso skuril wirkt der Schlagzeuger, während der Gitarrist sich unter Mütze und Gesichtsmaske versteckt. Musikalisch gibt es einen Mix aus Alternative Rock, Pop und Industrial, dazu ist der Gesang oft mal verzerrt. Mit der Zeit bemerkt man dann auch, dass die Figur, die das Publikum pausenlos antreibt, eine Frau ist. Da es immer noch nieselt, suchen viele Leute Schutz unter den Pilzen, was der Band sicherlich zugute kommt. Insgesamt eine spannende Angelegenheit, die auf jeden Fall viel besser gefällt, als das, was Sängerin Shirin in den 90ern gemacht hat - da war sie nämlich mit der Band NOBLE SAVAGES im Dance-Pop unterwegs.

Amphi Festival 2011Schon beinahe penetrant hat Honey von WELLE: ERDBALL, der auch in diesem Jahr wieder Moderator auf der Hauptbühne ist, am Vortag den Auftritt seines Nebenprojektes FUNKHAUSGRUPPE beworben. Erwartend, dass der Sound der Band wohl auch nicht groß anders ist, als von WELLE: ERDBALL, wird das Staatenhaus aufgesucht. Dort gibt es mit ORDO ROSARIUS EQUILIBRIO düster-romantischen Neofolk aus Schweden. Mit zehn-minütiger Verspätung startet die Band in ihren Set, der aus sieben Songs besteht und mit traumhaft schönen Melodien, dunkel-atmosphärischem Gesang, tiefer Melancholie und auch nicht zu unterschätzender Eingängigkeit für ein gelungenes Erlebnis sorgt. Unterstützt von der sehr gelungen, nicht zu bunten Lichtshow kann der apokalyptische Folk der Band seine Wirkung voll und ganz entfalten.

Das interessantere Programm an diesem Nachmittag findet nach Ansicht des Schreibers im Staatenhaus statt. Auf der Hauptbühne spielen DREADFUL SHADOWS und DE/VISION, indoor gibt es DIORAMA und CLAN OF XYMOX zu sehen, da bleibt man doch gerne drinnen. Intelligente, emotionale Musik zwischen Rock und Electro ist das Steckenpferd von Torben Wendt und seiner Band DIORAMA. Mit der Single "Child Of Entertainment" und dem flotten "Prozac Junkie" gelingt ein starker EinsteigAmphi Festival 2011, mit den beiden elektronischeren Songs "Ignite" und "Advance" wird der Auftritt zum Triumphzug. Torben singt herausragend und unterlegt seine Darbietung mit bewegender Gestik und Mimik. "Erase Me" und "Synthesize Me" bilden ein geschicktes Duo, bevor der viel zu kurze Auftritt (was natürlich rein subjektiv ist) mit dem aggressiven "The Girls" zu Ende geht. Stürmischer Applaus vom Publikum und eine dicke Gänsehaut beim Schreiber dieser Zeilen sind das Ergebnis dieses wunderbaren Auftritts.

Amphi Festival 2011Klassischer wird es danach mit CLAN OF XYMOX. Die niederländische Dark-Wave-Legende aus den 80ern hat ihren Sound im Laufe der Jahre zwar mit Postpunk, Gothic Rock und vermehrt auch mit mehr Synthie-Elektronik ausgeweitet, auf der Bühne sehen Bandleader Ronny Moorings und der Bass und Gitarre bedienende Aktivposten Mario Usai aber immer noch schön nach den 80ern aus, während Tastenfrau Yvonne de Ray eher rüschig aussieht. Musikalisch gibt es eine Mischung aus alten Klassikern wie "Louise", "Jasmine And Rose", "Stranger", "There's No Tomorrow" und "Farewell" und starken neueren Nummern à la "In Love We Trust", "Hail Mary" und "Emily". Insgesamt eine nette, runde Sache, die zwar nicht gerade für überbordende Begeisterung sorgt, aber irgendwie hübsch ist.

Amphi Festival 2011Danach ist Zeit für DIE LOKALMATADORE. Wie bitte? Zumindest läuft deren markante Liedzeile "Pillemann Fotze Arsch" in Dauerschleife als Pausenmusik vor dem Auftritt von AGONOIZE - nicht unbedingt unpassend. Die Bühne ist übrigens komplett mit weißem Tuch abgehangen. Die Ansage der Band übernimmt Alexx Wesselsky, der dieses Jahr mal nicht mit EISBRECHER auftritt, sondern nur trinkender Gast ist und die eine oder andere Ansage übernimmt. Die anwesenden Eltern werden gebeten, ihren Kindern Ohren und Augen zu zu halten - aus gutem Grund. Gleich zwei mal erklingt der "Imperial March" aus Star Wars als Intro, dann aber fällt endlich der Vorhang und Sänger Chris L. hängt in eine Zwangsjacke gekleidet an zwei Schnüren unter der Bühnendecke und intoniert so den Opener  "Open The Gate". Dann wird er von zwei Mönchen herab gelassen, ein Meuchelmörder mit Ledermaske kommt auf die Bühne und schneidet ihm die Haut vom Gesicht - zumindest soll man den Eindruck bekommen. Fortan rennt Chris mit entsprechend gerötetem Gesicht über die Bühne. Und sonst? Wenn man AGONOIZE schon zwei Mal live gesehen hat, hauen sie einen beim dritten Mal irgendwie nicht mehr vom Hocker. Das Aggro-Gepose, die Kunstblutfontänen ins Publikum, der pumpende, aber nicht sonderlich außergewöhnliche Aggrotech-Sound - alles ganz nett soweit, aber der Reiz ist inzwischen flöten gegangen. Da im Staatenhaus zudem DAS ICH anstehen, wird der Auftritt nicht zu Ende geguckt, aber dem Wochenend-Trend folgend spielen AGONOIZE ihren größten Hit "Koprolalie" nicht, sondern kredenzen als Zugabe ein Coverversion des KISS-Klassikers (!) "I Was Made For Lovin' You".

Amphi Festival 2011Die Überraschung ist groß, als Bruno Kramm, der diabolische Clown und musikalische Kopf von DAS ICH die Bühne betritt und verkündet, dass Frontmann Stefan Ackermann noch immer wegen schwerer Krankheit unabkömmlich sei und man die Show deshalb mit besonderen Gästen absolvieren würde. Das war wohl auch schon beim Wave Gotik Treffen an Pfingsten der Fall, was dem Verfasser dieser Zeilen ebensowenig bekannt war, wie einem Großteil des Publikums, das dementspreched Schwierigkeiten hat, stimmungstechnisch auf Temperatur zu kommen. Klar ist auch, dass ein extrem charismatischer Sänger wie Stefan Ackermann nun mal einer ist, eigentlich nicht zu ersetzen ist, trotzdem hat der Auftritt ein besonderes Flair. Als ersten Gast begrüßt Bruno die lettische Sängerin Vic Anselmo, die den DAS ICH-Song "Das dunkle Land" auf ihrem kommenden Album covert. Die Dame besticht vor allem durch ihre charakterstarke Ausstrahlung und hat außerdem eine gute Stimme. Im Laufe der Show kommt sie deshalb auch noch für "Meine Wiege", "Reanimat" und das große Finale auf die Bühne. Zweiter Gastsänger ist Myk Jung von THE FAIR SEX, der sich zwar redlich bemüht, aber einen durchwachsenen Eindruck hinterlässt. Zu oft blickt er auf seine Textblätter, was man ihm zwar nicht vorwerfen sollte, doch wirkt er aufgrund der Tatsache, dass er die Texte nicht komplett auswendig kennt, recht unsicher. Da Bruno aber mitsingt, funktionieren "Kain und Abel", "Kannibale", "Kindgott" und "Gottes Tod" noch ganz gut. Dritter Gast ist Sven Friedrich (DREADFUL SHADOWS, ZERAPHINE, SOLAR FAKE), der erst "Schwarzes Gift" singt und auch bei der Zugabe dabei ist. Die lautet natürlich "Destillat" und als alle drei Gastsänger mit auf der Bühne sind und man auch noch Ansagen für Stefan macht, ist das Finale dann doch noch ein kleiner Gänsehautmoment. An dieser Stelle gute und schnelle Genesung an Stefan Ackermann.

Amphi Festival 2011SALTATIO MORTIS auf der Mainstage werden nur im Vorbeigehen kurz belauscht, denn es gilt, zeitig wieder im Staatenhaus zu sein. Dort steht mit FEINDFLUG die Band auf dem Programm, die bei der letzten Show auf dem Amphi mit ihren Bässen dafür sorgte, dass der Putz im Staatenhaus von den Wänden fiel, woraufhin die Location aus Sicherheitsgründen geschlossen wurde. In diesem Jahr bleibt zum Glück alles intakt, als das Kollektiv sein Inferno aus Stroboskop-Blitzen, brachialen Rhythmen und Percussions und wilder Thrash-Gitarre entfacht. Zwar hört sich jeder der zehn gespielten Songs (darunter "AK 47", "Truppenschau", "Roter Schnee" und "Stukas im Visier") irgendwie gleich an, aufgrund der hypnotischen Wirkung der Kombination aus Licht und Sound ist der Auftritt trotzdem beeindruckend. Das militaristische Auftreten muss man zwar nicht zwingend gut finden, doch passt es ins perfekt Konzept, das an diesem Nachmittag die Massen anzieht. Das Staatenhaus ist bis auf die allerletzte Ecke gefüllt und sinnvollerweise wird niemand mehr ins Gebäude gelassen. So warten einige hundert Zuschauer vergeblich vor geschlossenen Toren auf Einlass.

Amphi Festival 2011Dem Comebackalbum "Industrial Complex" folgt nun der NITZER EBB-Auftritt auf dem Amphi Festival. Jason Payne und Bon Harris sorgen für den EBM-Unterbau, zu dem Sänger Douglas McCarthy im schnieken Anzug und mit Pilotensonnenbrille über die Bühne tänzelt. Das wirkt manchmal ein bisschen zu aufgesetzt und gekünstelt und will nicht unbedingt zum klassischen Sound passen. Mit dem eröffnenden "Getting Closer" und dem an fünfter Stelle platzierten "Let Your Body Learn" kommen zwei der größten Hits schon recht früh zum Zuge und heizen die Stimmung schnell an. Der Rezensent begibt sich inzwischen jedoch zum Beachclub, um die schweren Beine ein bisschen hoch zu legen und freut sich, dass im Laufe des Sets auch das ruhige "Undone" vom aktuellen Album zum Zuge kommt. Zurück in Bühnennähe sieht man bei der Zugabe Jürgen Engler von DIE KRUPPS auf der Bühne und zusammen intoniert man "Machineries Of Joy", die englische Version von "Wahre Arbeit, wahrer Lohn".

Über die Headlinerqualitäten von SUBWAY TO SALLY zu sprechen, hieße Eulen nach Athen tragen. Und so zieht die Band auch an diesem Sonntag abend alle Register und lässt Funken regnen und Feuersäulen aufsteigen, was beim Publikum natürlich jede Menge Anklang findet. Geboten wird darüberhinaus ein klassisches Best Of-Set: "Henkersbraut", "Feuerland" und "Knochenschiff" machen den Anfang, nach "Kleine Schwester" lassen "Die Schlacht" und "Kleid aus Rosen" die Stimmung nochmals ansteigen.Amphi Festival 2011 Ein kurzes Gitarrensolo geht in "Maria" über, das von den Gästen inbrünstig mitgesungen wird. Früh wird auch "Blut, Blut, Räuber saufen Blut" skandiert, was Sänger Eric Fish damit kommentiert, dass man nicht zu viel zwischen den Songs singen sollte, damit noch genug Zeit bleibt, den Song auch wirklich zu spielen. "Meine Seele brennt" und "Judaskuss" sind Anlass für erneute Pyro-Einlagen und der berühmte Schrei wird auch an diesem Abend bei "Das Rästel II" gefordert. Die Band ist perfekt eingespielt und zeigt jede Menge Aktion und Interaktion auf der Bühne - besser kann man es als Headliner kaum machen. "Besser Du rennst" und "Falscher Heiland" folgen, bevor man zum "Veitstanz" aufgefordert wird - das Publikum lässt sich natürlich nicht zweimal bitten. Danach verabschiedet sich die Band kurz, kommt aber für zwei Zugaben auf die Bühne: "Sieben", das von den Fans mit entsprechenden Handzeichen (ausgestreckte Finger an der einen Hand, die Hörner an der anderen) honoriert wird und natürlich das unvermeidliche "Julia und die Räuber" werden zum Abschluss gespielt.

Während im Staatenhaus COVENANT noch eine halbe Stunde auf der Bühne stehen, macht der Rezensent sich auf dem Heimweg, da Sonntags die Züge nicht bis tief in die Nacht fahren und man wohl eh keine Chance hat, noch ins Staatenhaus hinein zu kommen. Das Amphi Festival ist auch 2011 wieder die Reise wert, wozu besonders die Shows von KLANGSTABIL, SUICIDE COMMANDO, DEINE LAKAIEN und DIORAMA beigetragen haben. Für 2012 darf man sich unter anderem auf folgende bereits bestätigte Bands freuen: THE SISTERS OF MERCY, CAMOUFLAGE, DAF, CORVUS CORAX und HAUJOBB. Man sieht sich also am 21. und 22. Juli 2012 wieder.

Eine Galerie mit Impressionen vom Festivalgelände und den Besuchern gibt es >> hier <<.

Andreas Schulz (Info)

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Live-Fotos

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