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Symphony X, Nevermore, Psychotic Waltz, Mercenary, Thaurorod - Luxemburg, Esch-sur-Alzette, Kulturfabrik - 08.03.2011
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Eine der interessantesten Tourneen des Jahres geht bereits Ende Februar beziehungsweise Anfang März über die Bühnen Europas. "Power of Metal" stellt Jedermannslieblinge, einen langjährigen Insidertipp und reanimierte Kulthelden dem vermeintlich heißesten Scheiß aus der Newcomerriege gegenüber. Das Ergebnis? Alte Besen kehren besser, und Esel, denen es zu bunt wird, begeben sich aufs Glatteis …
THAUROROD wirken 2011 fast schon wie ein Relikt aus der Vergangenheit - oder liegt es daran, dass viele der Anwesenden sich selbst nicht mehr als Jungspunde sehen? Das Publikum besteht anders als bei den üblichen Mammutveranstaltungen kaum aus Nachwuchsbangern, womit sich die verhaltenen Reaktionen auf die Finnen erklären lassen. Schließlich zieht sinfonischer Power Metal mit Songtiteln aus Rollenspielen heuer niemandem mehr die Wurst vom Teller, wenngleich Neusänger Michele Luppi - ein Italiener obendrein, der unter anderem schon bei VISION DIVINE glänzte und RHAPSODY-Assoziationen unvermeidbar auf den Plan ruft - grundsympathisch wirkt und stimmlich obenauf ist. Gleiches gilt für die technischen Fähigkeiten seiner Hintermänner, wiewohl zwischen Handwerk und Kunst bekanntermaßen ein himmelweiter Unterschied besteht. So fehlt es unter der Oberfläche schlicht an Tiefe, um mehr in THAUROROD zu sehen als nur einen weiteren Platzhalter für die berühmten 15 rühmlichen Minuten. Das richtige Outfit dazu haben die Musiker bereits; Zerrissene Hosen, Stirnbänder und Glam-Posen gehen allerdings gar nicht, wenn man Metal spielen will, was in Finnland einfach kaum jemand kann - so im ursprünglichen Sinn jetzt. Wir denken also weiterhin, wenn ers um dieses Fleckchen Erde geht, lieber an Querschläger wie WALTARI und wegweisende Bands wie AMORPHIS, die sich längst aus allen Schubladen freigespielt haben. THAUROROD krebsen bei aller Liebe und Könnerschaft am unteren Ende des glatten "Power" Metal herum.
MERCENARY sind ein weiterer Fall für die Tonne, zieht man das zugkräftige Label und auf ihren Ohren sitzende Kritiker ab, die der Band irgendetwas Progressives andichten. Vielleicht hört man davon etwas auf den Scheiben der Combo - am ehesten noch "11 Dreams", dessen Songs speziell zum Ende des Sets hin noch am einfühlsamsten klingen - und mit viel Liebe im beflissenen Leadspiel von Martin Buus, doch live bleiben die Dänen eine gesichtslose Band in der Grauzone des Konsens-Brüllmetal. Die wüste Rodung der Besetzung hat zweifellos ihre Spuren hinterlassen. Dass René Pedersen ein richtiger Wonneproppen ist, ändert daran genauso wenig wie die engagierte Performance der Mannen - oder kann ein Leser dieser Zeilen auf Anhieb einen Song von MERCENARY trällern beziehungsweise gar Herzergreifendes in ihr Schaffen hineininterpretieren? Eben nicht.
Im Vergleich gerät der Auftritt von PSYCHOTIC WALTZ zu einem Quantensprung, und zwar in mehrfacher Hinsicht: Nicht nur, dass die Herren um Devon Graves ihren Vorgruppen eine Lehre erteilen - nein, mit einem Schlag sieht man auch alle höher-schneller-weiter-Truppen zu Staub verfallen, die sich am Rande des Genres eingenistet haben und musikalische Klasse für sich beanspruchen wollen. Hier ist sie wieder, die alte Schule des Progressive Metal, für dessen Kreativität sich andere die Daumen abscheiden und trotz fehlender Superlative in puncto Geschwindigkeit auch den Rest ihrer Gliedmaßen brechen würden. Mit Ur-Basser Ward Evans war es klar, dass "Bleeding" kaum bedacht werden sollte. "Morbid" allein muss es richten, doch bei verhältnismäßig kurzer Spielzeit sind keine Abstriche zu verzeichnen. Wir reden hier schließlich in erster Linie über "A Social Grace" und "Into the Everflow", Alben mit wie in Stein gemeißelten Songs, deren Highlights in dieser Position unmöglich alle dargeboten werden können. Dazu stellt Graves nach dem Gig eine Headlinertournee nebst neuem Album in Aussicht, was man ihm eingedenk seiner beseelten Performance und mit Hinblick auf den sichtlichen Spaß der geschlossenen Mannschaft sofort abkauft. Ähnlich wie bei DEATH ANGEL musste diese Band wohl eine jahrelange "Reinigung" durchlaufen, um endlich losgelöst von personellen und geschäftlichen Zwängen einfach nur ohne Erwartungsdruck ihrer Musik frönen zu können. Der Altfan dankt es, und die nicht wenigen Neuentdecker kaufen hoffentlich tütenweise die Alben, die ihrerzeit nur einer kleinen Traube Eingeschworener vorbehalten waren. So hippiesk speziell das geniale Gitarrenduo Rock/McAlpin beziehungsweise Graves anmuten, so visionär war und ist der Sound von PSYCHOTIC WALTZ. Obwohl der Rezensent sie zum ersten Mal sieht, scheint es, als seien sie nie in den vorübergehenden Ruhestand getreten. Evans zupft stoisch, die Gitarristen versinken in ihre Akkorde und Leads, und Devon mimt den Zeremonienmeister wie Ian Anderson mit metallischen Genen. Ein Fest!
Kult sind NEVERMORE schon lange nicht mehr, waren es auch vielleicht bestenfalls für die ersten zwei, drei Alben, zu deren Zeit echter Metal vorübergehend ein Schattendasein fristete. In jedem Fall aber stellt sich mittlerweile leichte Übersättigung ein, zumal "The Obsidian Conspiracy" als schwacher Abglanz der beiden vorangegangenen Scheiben beziehungsweise von Fronter Danes Soloalbum nur mehr vom gleichen Alten auf niedrigerem Niveau feilbietet. Die Band verblasst zusehends und auch mit Zweitgitarrist Attila, der gute Mine zum bösen Spiel von Obergrantler Warrel macht. Wenn dieser Mensch heute wirklich drogenfrei ist, dann wäre es mit Verlaub zumindest in künstlerischer Hinsicht besser gewesen, er hätte sich weiterhin seinen Ausschweifungen hingegeben. Singen wie auf dem Debüt, dessen andauernde Abkanzlung als Demo kopfschütteln macht, kann er schon lange nicht mehr. NEVERMORE ist der Erfolg bestimmt nicht zu Kopf gestiegen, zumal sie ihn verdient haben, doch Dane wirkt ebenso unzufrieden, wie er auf seinen Zubringer und Ideenkanalisierer Loomis beziehungsweise Drum-Dynamo Williams nicht verzichten kann. Seine Lyrics allein machen den Bock nicht fett, wie schon das blutarme "Praises To the Warmachine" bewiesen hat. Die erwähnte Zurückweisung des Einstands verdeutlicht ohnehin die verzerrte Selbstwahrnehmung der Musiker: Statt sich auf Grenzgeiles wie "The Sanity Assassin" oder die "Politics of Ecstasy"-Schoten zu berufen, hauen sie die "Paranoids" und "Smokes on the Water" der Neuzeit heraus - "Inside Four Walls", "The Heart Collector", "Enemies of Reality" und so weiter. Dass Jim Sheppard ob einer Hirnoperation fehlt und von Dagna Barrera aus Warrels Soloband ersetzt wird, ist momentan umso tragischer, als dass NEVERMORE allmählich ihr Gesicht verlieren, andauernd mit schlechtem Sound und einem missgestimmten wie drucklos tönenden Sänger nerven. Wie gesagt: Der langjährige Volltreffer, dem es als everybody's darling zu bunt wird, schießt sich offenbar gern selbst ins Knie.
Sieh an, die Fünferkonstellation gerät nicht so ellenlang wie bei ähnlichen Veranstaltungen, wo sich Grunz- und Keifbands die umgedrehten Staffelkreuze in die Hand geben, und so kommt die "Power of Metal"-Tour mit den glorreichen SYMPHONY X zu einem ebensolchen Ende. Zwar wechselt man sich allabendlich mit den Seattlern ab, doch es ist schwer vorstellbar, dass NEVERMORE andernorts einen Stich gegen Romeo und Konsorten haben, auch wenn diese weniger heftig über die Bühne fegen - außer Russell Allen natürlich. Es ist das dritte Mal, dass der Chronist die Gruppe live sieht - erstmals bei ihrem Europaeinstand 1998 anlässlich des damaligen Rock Hard Festivals und 2001 in Karlsruhe. Lachend denkt er dabei an eine Rezension im seligen Eternal Flame zurück, die Michael Romeo als unfähigen Komponisten und bloßen Shredder bezichtigte … Blanker Hohn angesichts solcher Unsterblichkeiten wie "Of Sins and Shadows" oder dem aktuelleren "The Serpent's Kiss". Allen hat sich zum Obersympathen und Knuddelbären sondergleichen entwickelt, wie die Weiblichkeit feststellt, Jason Rullo festigte seine Position an den Drums über die Jahre hinweg, wie auch Mike LePond Thomas Miller am Bass längst vergessen gemacht hat. Pinella und Romeo halten das Zepter in der Hand, und wenngleich einige die Solofreudigkeit der Recken bekrittelen, kommt man nicht umhin, SYMPHONY X einen Triumphzug zu attestieren. "End of Innocence" reiht sich ins Oeuvre der Gruppe ein, verleitet aber in diesem Kontext noch nicht zu Vorabjubel anlässlich des kommenden Albums, wiewohl die Erwartungen nach so langer Pause groß sind.
FAZIT: Man befürchtete einen Krachbandwurm und musste zwei Bands lang darben, ehe man alles vor Augen und Ohren geführt bekam, was progressiven Metal auszeichnet. Bezüglich NEVERMORE empfiehlt sich eine Wachablösung, die weder THAUROROD noch MERCENARY übernehmen könnnen, doch so lange es SYMPHONY X immer noch und PSYCHOTIC WALTZ wieder gibt, wird der Metal vorerst vor einem Absturz Marke Nationalelf 1998 unter Berti bewahrt. Die Zukunft des Metal fand auf dieser Tournee nicht statt, wohl aber die Musik, die auch in selbiger noch weiter Bestand haben wird und Aufstrebenden gar nicht genug als Inspiration dienen kann.
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