
Schluss jetzt! Genug ist genug! Dieses ewige Geseier von "ewiggestrigem Sound", von "angestaubten Klängen", von "Musik wahrlich aus der Gruft" - alles Blödsinn! In einer Zeit, in der abgehalfterter Deutsch-Stadion-Rock als Gothic verkauft wird, in der Glühwürmchen-Techno als "the next big thing" gehandelt wird, in der immer noch (vergeblich) versucht wird, den Zusammenhang zwischen Dudelsäcken und Dark Wave zu erklären, in genau dieser Zeit veröffentlicht das nordirische Trio SOLEMN NOVENA ein Debüt-Album, welches wie die Essenz dessen klingt, was Goth einst ausgemacht hat.
Gitarren, die nicht von dieser Welt stammen - mal schwebend-atmosphärisch, mal aggressiv-vorpeitschend, ohne dabei in nervige Metal-Riff-Klischees zu verfallen -; ein Drumcomputer, der stoisch-cool den druckvollen Beat vorgibt; Bassläufe, die so tief in der Magengegend wummern, dass man die Musik auch endlich wieder fühlt - dafür stehen Frontfrau LOUISE CRANE (by the way sicherlich auch die sexieste Gawf-Sängerin seit was-weiß-ich-nicht-wann), Gitarrist, Sänger und Mastermind MARC McCOURT (der als DOMINIC LaVEY bereits als Frontmann der UK-Vampire Goffs NOSFERATU und als Mitglied der 90s Goth-Underground-Heroen RETURN TO KHAF'JI aktiv war) und Bassist STUART HARLAND.
Bereits seit einigen Jahren zirkulierten die Demoaufnahmen des aus Belfast stammenden Dreiergespanns im Untergrund. Songs wie das überirdische "Siren", welches auf "Kiss The Girls" in einer noch viel cooleren Album-Version enthalten ist, haben dabei spielend die Dancefloors von London bis Berlin und von Los Angeles bis Athen erobert. Kein Wunder, dass es allerhöchste Eisenbahn für ein offizielles Erstlingswerk wurde, welches hierzulande bereits frenetisch nach dem viel umjubelten, exklusiven Deutschland-Debüt-Gig beim 2008er "Sex & Drugs & Drum Machines"-Festival im Berliner Slaughterhouse gefordert wurde.
"Kiss The Girls" macht dabei alles richtig. SOLEMN NOVENA extrahieren die feinsten Ingredienzen von Genre-Legenden wie ROSETTA STONE, ALL ABOUT EVE oder den bereits erwähnten NOSFERATU, um einen ganz eigenen Sound zu entwickeln, der auch von der Produktion her bestens in die zweite Dekade des 21. Jahrhunderts passt. "Ruined", das vorab als Digital Only-Single ausgekoppelte "Silver", "Trick Or Treat", der gleichnamige Titelsong und das bereits angesprochene "Siren (2009)" stehen in den Startlöchern bereit, um der Welt da draußen zu zeigen, dass Goth immer noch cool sein kann; dass Goth weitaus mehr ist, als das, was einem heutzutage gerne untergemogelt wird; dass Goth immer noch den Geist von dunkler Rock-Musik atmet; dass Goth schlicht und einfach die Seele berühren kann.
(Thomas Thyssen / Berlin im Frühling 2010)