Musikreviews.de bei Facebook Musikreviews.de bei Twitter

Partner

Statistiken

BAP: Rockpalast / Markthalle, Hamburg / 28.11.1981 (Review)

Artist:

BAP

BAP: Rockpalast / Markthalle, Hamburg / 28.11.1981
Album:

Rockpalast / Markthalle, Hamburg / 28.11.1981

Medium: DVD
Stil:

Deutsch Rock

Label: EMI
Spieldauer: DVD 146:00 / Bonus 6:00
Erschienen: 27.04.2009
Website: [Link]

Endlich wird der dicke Fundus des ROCKPALAST sukzessive vermarktet – viel zu lange haben wir darauf warten müssen. Die EMI hat sich des Kölner Urgesteins BAP angenommen und nun alle sieben ROCKPALAST Gigs der Männer um Wolfgang Niedecken auf 5 DVDs veröffentlicht. Keine andere deutsche oder internationale Band hat öfter für den WDR gespielt. Die hier zu besprechende DVD, am 28. November 1981 in der Hamburger Markthalle aufgezeichnet, zeigt den ersten Gig BAPs und eine kleine Zeitreise. Ein Trip in vorsintflutlich anmutende Zeiten, in der sich junge Menschen noch für Politik interessierten und für ihre Überzeugungen die Begegnung mit einem Wasserwerfer oder Gummiknüppel nicht scheuten. Eine Ära, in der neue Männer, die das Land angeblich brauchte, mit beschissenen Frisuren und geschlechtsteil-betonenden Stretchhosen frauenverstehend an ihrem Müsli knabberten. So war das damals in den grauen Tagen, in denen man noch sein Gewissen prüfen lassen musste, wenn man keinen Bock auf Kriegsspiele hatte. Immer mit der Angst im Nacken, dass Dich Schorsch Orwell 1984 aus dem Hinterhalt anspringt…
Du wirst es sicher erraten haben, lieber Leser: Der Schreiberling dieser Zeiten wird eher ungern an seine Tage als junger Erwachsener erinnert. Allerdings hat sich dieser über die Jahre die Fähigkeit erworben, herzhaft über den Unsinn zu lachen, den er damals jedem, der es hören wollte [oder auch nicht], fröhlich verzapfte.

Der ROCKPALAST Gig in der Hamburger Markthalle war seinerzeit der erste TV-Auftritt der kölschen Rocker und wurde kurz vor dem ganz großen Durchbruch aufgezeichnet. Die LP „Für Usszeschnigge“ [für Nicht-Kölner: „zum Ausschneiden“] war wenige Wochen zuvor in den Handel gekommen und die erste Single „Verdamp lang her“ lief im (damals noch nicht so ganz miefig-mainstreamigen) Radio ’rauf und ’runter. Mit dem „Major“ hatte Wolfgang Niedecken ein Jahr zuvor seinen ultimativen „side-kick“ gefunden und das sensationelle „Affjetaut“-Album eingespielt. Mit „BAP rockt andere kölsche Lieder“, dem Erstling von 1979, hatte Niedecken noch seiner Vorliebe für Singer/Songwriter á la BOB DYLAN gefrönt. „Major“ brachte mit seiner scharf sägenden Gibson Les Paul Custom endlich die härteren Töne und vor allem seine kompositorischen Qualitäten ein, die letztendlich für den kommerziellen Erfolg sorgten. Den brachte dann die siebenmonatige „Für Usszeschnigge“-Tour ein Jahr später, also 1982.
Mittlerweile sind BAP zwar komplett umformiert worden, aber noch immer eine der erfolgreichsten deutschsprachigen [wenn man „Kölsch“ als so etwas bezeichnen mag ;-)] Rockbands geblieben. Nicht wenige Fans bedauern allerdings nach wie vor, dass es zwischen Niedecken und dem „Major“ 1999 zu dem großen Zerwürfnis kam.

Für eine ganze Woche, vom 23. bis zum 30. November, hatte das ROCKPALAST-Team die Hamburger Markthalle gebucht. Einzig der 28. war noch zu besetzen und so engagierte man BAP, eine junge, aufstrebende Band aus der Heimatstadt des WDR, unwissend, ob und wie diese in der Kölsch-Diaspora ankommen würde. Der Abend wurde komplett für den ROCKPALAST aufgezeichnet. Hoch sympathisch, dass man auch die Pannen in voller Länge bringt: Bei „Helfe kann Dir keiner“ schafft Niedecken auch im dritten Anlauf nicht den Gesangseinsatz und muss sich vom „Schmahl“ Boecker helfen lassen. Niedecken ist es offensichtlich peinlich – aber geschadet hat es letztendlich niemandem. Mit kabarettistischen Einlagen muss man kurz darauf eine unplanmäßige Umbaupause überbrücken… Das Set ist schweißtreibend aufgebaut und basiert weitgehend auf die ersten beiden Alben. Ein Drittel der Songs sind vom damals brandneuen Album, darunter EDDIE COCHRANs Abrocker „Summertime Blues“ der auf kölsch „Wo mer endlich Sommer hann“ heißt.
Die Texte decken einerseits das politische Spektrum der damals aufkommenden grün-alternativen Bewegung ab. Allerdings nicht ohne augenzwinkernde Seitenhiebe wie beim berühmt-berüchtigten „Müsli Man“. Andererseits geht’s Niedecken um „Beziehungskisten“, die sich seinerzeit im gesellschaftlichen Umbruch befanden. Die feministische Forderung „Neue Männer braucht das Land“ stürzte die gestandenen „Elf-Finger“ in tiefe Identitätskrisen. Niedecken schafft es in seinen Songs immer, eine reflektierende Haltung einzunehmen.
Musikalisch zeigt die Band ein ums andere Mal, warum sie damals als Herausforderer des PANIK ORCHESTERs als beste deutsche Band galten. Knackig und mit enormen Druck und Zug rockt man sich durch das Set. Größten Anteil hat dabei der „Major“, aber auch die beiden Schlagwerker, die Gebrüder Boeckel, und vor allem der neue Keyboarder Alexander Büchel können den Songs entscheidende Impulse geben.
Nach knapp zwei Stunden endet der offizielle Teil des Abends auf dem Peak einer Begeisterungswoge. Mit geradezu südländischen Zugabeforderungen der als unterkühlt geltenden Hanseaten habe ich so nicht gerechnet. Immerhin fünf Zugaben wissen sie BAP zu entlocken.

FAZIT: Für alle Leute, die erst nach dem eindrucksvollen „Kristallnaach“ zu BAP fanden, ist diese DVD Pflichtprogramm. Auch den heutigen Schulbankdrückern und –innen könnte diese Scheibe im Politik-Unterricht [oder wie immer das heute heißen mag] als unterhaltsames Anschauungsmaterial dienen. Immerhin waren Niedecken und BAP die musikalische Front der Friedensbewegung der 1980er Jahre. Unvergessen sind und bleiben die Auftritte am 10. Juni 1982 und 22. Oktober 1983 vor jeweils etwa einer halben Million Menschen auf den Kundgebungen im Bonner Hofgarten bzw. den dortigen Rheinwiesen gegen den NATO-Doppelbeschluss. So könnte Politik zur Abwechslung auch einmal mit Spaß vermittelt werden….

Steve Braun (Info) (Review 10801x gelesen, veröffentlicht am )

Unser Wertungssystem:
  • 1-3 Punkte: Grottenschlecht - Finger weg
  • 4-6 Punkte: Streckenweise anhörbar, Kaufempfehlung nur für eingefleischte Fans
  • 7-9 Punkte: Einige Lichtblicke, eher überdurchschnittlich, das gewisse Etwas fehlt
  • 10-12 Punkte: Wirklich gutes Album, es gibt keine großen Kritikpunkte
  • 13-14 Punkte: Einmalig gutes Album mit Zeug zum Klassiker, ragt deutlich aus der Masse
  • 15 Punkte: Absolutes Meisterwerk - so was gibt´s höchstens einmal im Jahr
[Schliessen]
Kommentar schreiben
Tracklist:
  • Rockpalast Vorspann
  • -
  • Morgenmagazin
  • ’Ne schöne Jroos
  • Stell Dir vüür
  • Südstadt verzäll nix
  • Stollwerck-Leed
  • Wat ess?
  • Jraaduss
  • Neppe, Ihrefeld un Kreuzberg
  • Helfe kann Di keiner
  • Frau, ich freu mich
  • Müsli Man
  • Ruut-wiess-blau querjestriefte Frau
  • Jupp
  • Pardong
  • Anna
  • Verdamp lang her
  • Wo mer endlich Sommer hann
  • Waschsalon
  • Liebesleed
  • Hang on Sloopy
  • Wahnsinn
  • Et letzte Leed
  • Wie ’ne Stein
  • Dat bin ich nit
  • Das grosse Schu-bi-du
  • -
  • Bonus:
  • Rockpalast Trailer Loreley 1982
  • Rockpalast Trailer Grugahalle 1986
  • Rockpalast Trailer Koblenz 1996

Besetzung:

Alle Reviews dieser Band:

Interviews:
  • keine Interviews
Kommentare
Tina R
gepostet am: 11.12.2023

User-Wertung:
1 Punkte

... ich war dabei und bin es seitdem immer wieder!- Toll wie sich Wolfgang mit immer neuen Texten und Songs weiterentwickelt hat und mit ihm die Band, alles ganz hervorragende Musiker. Es macht immer wieder viel Spaß!
Tina, das Nordlicht! ;-)
(-1 bedeutet, ich gebe keine Wertung ab)
Benachrichtige mich per Mail bei weiteren Kommentaren zu diesem Album.
Deine Mailadresse
(optional)

Hinweis: Diese Adresse wird nur für Benachrichtigungen bei neuen Kommentaren zu diesem Album benutzt. Sie wird nicht an Dritte weitergegeben und nicht veröffentlicht. Dieser Service ist jederzeit abbestellbar.

Captcha-Frage Was kommt aus dem Wasserhahn?

Grob persönlich beleidigende Kommentare werden gelöscht!