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BAP: Rockpalast – Euskirchen 15.06.2001 Tote Brücke (Review)

Artist:

BAP

BAP: Rockpalast – Euskirchen 15.06.2001 Tote Brücke
Album:

Rockpalast – Euskirchen 15.06.2001 Tote Brücke

Medium: DVD
Stil:

Urwüchsiger Deutsch-Rock mit kölschenen Texten

Label: EMI Music
Spieldauer: 184:00
Erschienen: 01.05.2009
Website: [Link]

„Wat shriev mer en su enem Fall?“
Na ja, auf jeden Fall eine knallharte Kritik – „Suwiesu!“

Wir schreiben das Jahr 2001. Das Jahr des sechsten Rockpalastauftritts von BAP, die damit zu den „Königen des Rockpalasts“ werden, welche nun mit der Anzahl ihrer Auftritte unangefochten an der Spitze dieser Konzertreihe stehen. Auch lassen sie endgültig RORY GALLAGHER hinter sich, der es gerade mal auf „läppische“ fünf Konzerte dort bringt. Selbstverständlich teilt Herr NIEDECKEN, regelrecht stolz dieses symbolische Königszepter über der Zuhörerschar schwingend, diese Tatsache dem Publikum in einer seiner Ansagen mit.

Was er jedoch zu diesem Zeitpunkt nicht weiß, ist, dass es auch für BAP das letzte Rockpalastkonzert in dieser Besetzung sein wird. Zwei, die gerade das ohne den „Major“ neu reformierte Bild um NIEDECKEN wesentlich prägten, werden ihn zwei Jahre später verlassen.

Die eine, SHERYL HACKETT, versucht solo erfolgreich ihren Weg zu gehen, der dann völlig unerwartet 2005 mit ihrem Tod endet.

Der zweite, JENS STREIFLING, trifft eine Entscheidung, die mir aus künstlerischer Sicht ehrlich gesagt unbegreiflich ist und WOLFGANG NIEDECKEN offensichtlich ärgert. Er lässt sich sogar zu den Worten hinreißen: „Er (Streifling) ist zu einer Karnevalskapelle desertiert.“, womit der BAP-Frontmann kein Unrecht hat. Der Sachse STREIFLING scheint sich, getreu dem Motto „Geld stinkt nicht!“, für ein gänzlich anderes Musiklager entschieden zu haben – seine neue Band ist auch aus Köln, hat aber mit BAP in etwa so viel zu tun, wie eine Gen-Tomate mit gesunder Ernährung. Dem Anspruch von BAP zum Hohn entscheidet er sich für eine Zukunft bei HÖHNER – Karnevalsnase statt beeindruckender Texte. Wirklich schade – dieses Konzert nämlich ist der Beweis für Niedeckens und auch meine Enttäuschung! Denn Streiflings Elan und Können sowie die Vielzahl der von ihm beherrschten Instrumente prägen immer stärker das Bild der Kölner Anti-Karnevalsgruppe, aus dem sie spätestens seit „Nit für Kooche“, nie einen Hehl machten. Solche Zeilen wie: „Oh nein, nicht für Kuchen, bleib ich Karneval hier!“, oder „Wenn der letzte Verklemmte mir das Du anbietet / und einmal im Jahr auch meine Sprache spricht / Ich kann wirklich nicht drüber lachen, wenn jene fragen / die sonst nichts ohne Schlips und Kragen machen / ob ihre Pappnase richtig sitzt.“, sprechen diesbezüglich schon eine mehr als deutliche Sprache, der auch ich schmunzelnd und seit Geburt pappnasenlos beipflichte.

Hätte NIEDECKEN hellseherische Fähigkeiten gehabt, bestimmt wäre „Nit für Kooche“ fester Bestandteil ihrer „’Aff un zo’-Konzert-Tour“ gewesen. Er wusste und ahnte es aber nicht und so erklingt von ihrem 82er-Erfolgsalbum „BAP – vun drinnen noh drusse“ leider nicht ein einziger Titel.

Das dreistündige Konzert in Euskirchen, wie gehabt in hervorragender Bild- und Tonqualität (5.1. Dolby- und 2.0 Stereo-Ton) für die BAP-DVD-Edition aufgezeichnet, beginnt bei Tageslicht und endet in tiefer, nächtlicher Dunkelheit. Und das, was man an der „Toten Brücke“ geboten bekommt, hat viele lichte, aber auch einige düstere Momente.

Im Gegensatz zum vorangegangenen „Rockpalast-Auftritt“ (1999 im Musical Dome) ist die Freiluftatmosphäre eine völlig andere. Die Stimmung ist aufgeheizter und die eine oder andere Ansage von NIEDECKEN geht ein wenig in der Unruhe vor der Bühne unter. Nicht alle hängen wie im Musical Dome an seinen Lippen, sondern wollen statt Texten einfach nur Musik hören. Doch auch hier gibt es eine bewegende Ausnahme. Bei seiner Ansage zu „Chippendale Desch“ kann man regelrecht eine Stecknadel fallen hören und auch der Kameraschwenk über die interessierten Gesichter aus dem Publikum fängt deren Bewegtsein hervorragend ein. NIEDECKEN spricht über seine Erinnerungen an diesen Tisch, der seine Kindheit prägte, und er spricht über den Tod seiner Mutter, die zum Zeitpunkt des Konzerts vor genau einem Jahr verstorben war. Ein wirklich emotionaler Höhepunkt des Konzerts!

Insgesamt aber hält sich Niedecken mit seinen erklärenden oder hintergründigen Worten zu einzelnen Titeln ziemlich zurück. Mitunter zieht die Band ihr Repertoire einfach durch – und zu diesem Repertoire gehört auch, dass ihr „Aff un zo“-Album komplett live über die Bühne geht. In Anbetracht der Tatsache, dass dies ohne ein Rumoren der Fans oder das ständige Einfordern bekannterer Titel gelingt, bedankt sich Niedecken bei seinem Publikum sogar für dessen Verständnis. Ein bisschen komisch ist das schon. Allerdings gehörte besagtes Album auch nie zu den wirklichen Favoriten meiner BAP-Plattensammlung.

Dafür erklingt aber einer meiner absoluten Lieblingstitel bereits zum zweiten Mal beim Rockpalast, der besonders wegen seiner politischen Aussage – denn BAP waren und sind schon immer Musiker gewesen, die sich zumindest einmischen und zu Wort melden, wenn es im Lande stinkt und statt blöden Büttenreden klare Worte finden (Nicht wahr, Herr Streifling?) – so wert- und wundervoll für mich ist.

Denn während diese Kritik entsteht, muss ich daran denken, dass ich in einer Stadt des sächsischen Landkreises Meißen sitze, die RIESA heißt und sich dafür rühmt, eine Wirtschafts- und Sportstadt zu sein, nachdem sie zuvor bei dem Versuch, Kulturstadt zu werden, jämmerlich gescheitert war. Eine Stadt, die aber auch den traurigen Ruhm erlangt hat, den Nazis der zweiten Generation und deren üblen Presseorgan „Deutsche Stimme“ eine NPD-Heimat zu sein. Von hier aus spinnen die Gansels und Apfels dieser Welt ihr rechtes, propagandistisches und menschenverachtendes Netz, ziehen in alle sächsischen Kreistage und den Landtag ein und kaum einer wehrt sich. Die Verwaltung guckt zu und streicht die Gewerbesteuern der strammen deutschen Burschen(schaften) und (heimatverbundenen) Mädels ein, während die meisten Bürger einfach stillhalten oder aus ihrer Sicht entweder nicht den Mut oder einfach größere Probleme als den Kampf gegen diese braune Brut haben. Da möchte man manchmal laut rufen: „BAP, wir brauchen euch hier, vor Ort, wenn ihr (von mir für diese Kritik mal eingedeutscht) singt: ‚Wenn wir den Arsch nicht hoch kriegen, ist es eines Tags zu spät. Der Schoß ist fruchtbar noch, aus dem die Nazibrut rauskroch. Jetzt gilt es: Arsch hoch, Zähne auseinander, jetzt, nicht nächste Woche’!“ Tägliche Dauerbeschallung des Riesaer Rathauses mit diesem Titel wünsch ich mir, bis endlich wer re(a)giert, der stolz darauf ist, nicht unbedingt Deutscher, dafür aber Mensch zu sein und der „Keine macht den Nazis“ als einen Grundsatz seiner verwaltungspolitischen Arbeit sieht! Leider ist bei uns in Riesa wohl doch noch „täglich Kristallnaach“, auch wenn keine Schaufensterscheiben mehr eingeworfen werden.

Na ja, nach diesen Zeilen scheinen meine Chancen, Ehrenbürger der Stadt Riesa zu werden, wohl auch ins Bodenlose gesunken zu sein – aber was soll’s, wenn nichts mehr hilft, bewerbe ich mich einfach bei dem „Thor Steinar“-Laden auf unserer Riesaer Hauptstraße als Hausmeister und Reinigungskraft zur braunen Müllbeseitigung.

Oder ich schreibe weiterhin solche Kritiken – vielen Dank, BAP, dass ihr mir durch eure Musik und Texte die Chance dazu gebt!

FAZIT: Während dieses 6. Rockpalastauftritts von BAP war WIM WENDERS gerade dabei, seinen BAP-Film „Viel passiert“ zu drehen. Damit war der Kult-Status dieser ehrlichen Band endgültig besiegelt. Trauriger Höhepunkt dieser DVD ist wohl das Duett von WOLFGANG NIEDECKEN mit SHERYL HACKETT, in dem sie genau diesen Bob-Dylan-Titel (My Back Pages), der auch dem Film seinen Namen gab, gemeinsam singen: Niedecken die kölsche, Hackett die englische Version. Seit dem Jahr 2005 ist eine Wiederholung dieses Duetts leider ausgeschlossen. Liebe Sheryl, ruhe in Frieden und in der Hoffnung, dass man im Himmel nicht nach schwarz und weiß unterscheidet – „Maat et joot!“

Thoralf Koß - Chefredakteur (Info) (Review 12231x gelesen, veröffentlicht am )

Unser Wertungssystem:
  • 1-3 Punkte: Grottenschlecht - Finger weg
  • 4-6 Punkte: Streckenweise anhörbar, Kaufempfehlung nur für eingefleischte Fans
  • 7-9 Punkte: Einige Lichtblicke, eher überdurchschnittlich, das gewisse Etwas fehlt
  • 10-12 Punkte: Wirklich gutes Album, es gibt keine großen Kritikpunkte
  • 13-14 Punkte: Einmalig gutes Album mit Zeug zum Klassiker, ragt deutlich aus der Masse
  • 15 Punkte: Absolutes Meisterwerk - so was gibt´s höchstens einmal im Jahr
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Tracklist:
  • Rockpalast Vorspann / Ansage
  • Rock’N’Roll-Star
  • Wat ’e Johr
  • Aff un zo
  • Eddie’s Radio Show
  • Shoeshine
  • Mau Mau
  • Vill passiert sickher
  • Die Moritat vun Jan un Griet
  • Kilometerweit entfernt
  • Souvenirs
  • Chippendale Desch
  • Nix wie bessher
  • Noh zahle mohle
  • Suwiesu
  • Hück ess sing Band en der Stadt
  • Irjenden Rock’N’Roll-Band
  • Dir allein
  • Istanbul
  • Diss Naach es alles drinn
  • Verdamp lang her
  • Arsch huh, Zäng ussenander
  • Für ’ne Moment
  • Maat et joot
  • Leopardefellhoot
  • Waschsalon
  • Hey Hey, My My ...
  • Wat shriev mer en su enem Fall
  • Insgesamt 6 Rockpalast DVD-Trailer mit BAP-Konzerten

Besetzung:

Alle Reviews dieser Band:

Interviews:
  • keine Interviews
Kommentare
Horst sein Peter
gepostet am: 30.05.2009

User-Wertung:
1 Punkte

Habt ihr BAP-Tage oder was? Kommt bald Peter Maffay? BAP ist musikalisch kaum zu unterbieten, die Ansagen peinlich, die Musik was für Tatort-Gucker mit Fettbauch, welche noch immer Lederjacken mit Fledermausärmeln tragen, sich über ihre 25-jährige Tochter ärgern und gern eine Sechzehnjährige hätten, nicht als Tochter natürlich. Friede! Weg mit Atomkraft! Nie wieder Krieg außer ich darf nicht mehr Autofahren!
Peter's Horst
gepostet am: 10.02.2012

Finde diese Seite irgendwie jetzt erst und muss sagen ...

... diese Review ist für den Popo. Nicht nur, dass hier so gut wie wenig über die Musik und das Konzert berichtet wird, nein - entgegen aller journalistischen Grundregeln schweift der Autor massiv in der Beurteilung ab um seiner Selbst willen. Das ist in Nebensätzen gut, aber in dieser Ausführlichkeit mangelhaft.

Ich selbst bin seit vielen Jahren BAPtist und muss sagen, dass die Kölner mit dieser DVD den schwächsten Auftritt ihrer Zeit präsentieren. Nehmen wir die liebe Sheryl (die meiner Meinung nach zu BAP passte wie verständliche Ausdrucksweise zu Herbert Grönemeyer) mal raus, dann bleibt hier ein Konzert mit einer schlappen Performance. BAP hatten, wie der Schreiber selbst zugibt, eins ihrer schwächsten Alben an den Start gebracht (nur noch getoppt von dem 3 x 10 Jahre-Mist!!!) und dies entsprechend auf der Bühne umgesetzt. Man befand sich im Umbruch, war auf der Suche nach der neuen Identität, nachdem der Maschinist von Bord gegangen war. Dafür präsentierte man sich im ROCKPALAST um nicht in Vergessenheit zu geraten. Ich selbst durfte auf der Tour das Konzert in der Dortmunder Westfalenhalle 2 (die kleine!!!) besuchen und war einfach nur enttäuscht. Das Konzert "an der toten Brücke" steht für mich seither als Synonym für vertane Auftritte.

Glücklicherweise haben sich die Mannen wieder gefangen und zeigen sich heutzutage spielfreudiger, rockiger und mitreißender.

Nichtsdestotrotz eine interessante Seite!

Glück auf oder bess demnähx
Thoralf Koß [musikreviews.de]
gepostet am: 10.02.2012

Mensch, Peters Horst - hier ist der Popo-Kritiker.

Deine Ausführungen kann ich sehr gut verstehen, aber vielleicht hättest du auch versuchen sollen, die Beweggründe meiner Kritik zu verstehen.

Ganz besonders froh bin ich aber darüber, dass dich meine andere BAP-Kritik so sehr begeistert ;-) Liegt's daran, dass es ein Verriss geworden ist?
Peter's Horst
gepostet am: 13.02.2012

Tach Thoralf!

Ich gehe mal nur auf den letzten Abschnitt ein:

Nein und Ja!

JA! Wenn eine Band eine schlechte VÖ auf den Markt schmeißt und wird trotzdem überall mit Lobhudeleien überschüttet, tut es natürlich gut, dass es auch kritische Betrachter der Szene gibt. Menschen, die in der Lage sind, ein Produkt einer Band mit Tradition trotzdem schlecht zu bewerten. Das zeugt von Stil! Gibt es leider immer seltener, weil man es sich ja weder mit Promotern noch mit Bands, Labelns und wem noch verscherzen will. Das ist dann leider nicht das, was die Bands sehen und lesen möchten und kann auch mal dafür sorgen, dass man nicht mehr mit Produkten zu Bemusterungen versorgt wird (ich spreche aus Erfahrung).

NEIN!, weil ich - auch wenn diese beiden DVDs Mist sind - nicht auf Verriss geil bin. Mir gefällt eine ehrliche objektive Meinung.

Und natürlich stimmt es mich als langjährigem BAPtisten traurig zu sehen, wie sie die Mannschaft um Herrn Niedecken in dieser Phase präsentiert hat: wie ich schon schrieb: orientierungslos, auf der Suche, sicherlich immer das Beste gebend, ... - aber eben mies. Nicht umsonst sind denen die Fans in Scharen davongelaufen.

Aber sie kriegen scheinbar das Boot auf Kurs, denn die letzten Scheiben hatten wieder deutlich mehr zu bieten!

Von daher: bleibt unabhängig und last Euch die Meinung nicht aufdiktieren.

In Deiner Review hier ging es mir auch nur und ausschließlich darum, dass für die vielen Worte zu wenig über das Produkt selbst zu lesen war.

Aber jeder hat seinen Stil, woll.

Glück auf und bess demnähx
Peter's Horst
gepostet am: 13.02.2012

Wie wäre es mal mit einer "ordentlichen" Vorschauansicht seiner Kommentare, bevor man alles wegschickt. Dann würden einem auch die ganzen Schreibfehler mehr auffallen?

Git mreundlichen Früßen :-)
Frank Horn
gepostet am: 13.09.2023

@ Horst sein Peter

diese Kommentar zeugt von wahrer Intelligenz.

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