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Distorted Harmony: Chain Reaction (Review)

Artist:

Distorted Harmony

Distorted Harmony: Chain Reaction
Album:

Chain Reaction

Medium: CD
Stil:

Modern Progressive Metal

Label: Eigenproduktion
Spieldauer: 51:16
Erschienen: 09.07.2014
Website: [Link]

Ensemblemusik. Für die junge Generation des Progmetal hat dieser Begriff offenbar wieder eine Bedeutung. Anstatt zugkräftiger Frontsäue, denen die Restband allenfalls zuspielt, steht wieder das Gesamtgefüge im Vordergrund, was der Vielseitigkeit nur gut tun kann. DISTORTED HARMONY haben derartige Anlagen schon auf „Utopia“ unter Beweis gestellt, einem ambitionierten Debüt, das von reichhaltigen Kompositionen lebte, die nicht einfach nur darauf hinauswollten, möglichst „Metal“ oder „Prog“ zu sein. „Chain Reaction“ geht aber nochmals einen Schritt weiter. Es macht die großen Rockstargesten immer unsichtbarer, ohne auf die großen Hymnen verzichten zu müssen, und ähnelt dabei immer mehr dem Soundgewand einer Band wie HAKEN.

Das betrifft auch gerade Misha Soukhinin, dessen ausschließlich klar gesungene, gerade im höheren Frequenzbereich ungemein facettenreiche Vocals genau wie die von HAKENs Ross Jennings begrüßenswert „untrue“ sind und damit einen hochspannenden Kontrast zum scharfkantigen Heavyprog-Sound ergeben. Tatsächlich ist „Chain Reaction“ im Gesamten ein Stück härter geworden als sein Vorgänger. Das Mischungsverhältnis ist äquivalent zu demjenigen der polnischen Instrumental-Progger DISPERSE, die einem keyboardlastigen Debüt ebenfalls ein gitarrenfokussierteres, dennoch eingängig-bekömmliches zweites Album folgen ließen. Perlende Keyboardsoli genießen nicht mehr ganz so viele Solistenmomente wie einst, gehen andererseits aber auch nicht unter, sondern stehen gleichberechtigt neben allen anderen Instrumenten. Auf dem Zwischenspiel „Nothing (But The Rain)“ geben sie in Begleitung elektronischer Chillout-Beats dann aber beispielsweise doch wieder den Ton an. Das ist dann auch ganz angenehm zum Runterkommen nach dem wohl größten Moment der Platte, der epischen Übernummer „Misguided“. Diese nicht als Single-Auskopplung auszuwählen, wäre vollkommen irrational, denn sämtliche Charakterzüge im Sound der Israelis kommen hier zum Tragen: jugendlich-moderne Elektro-Effekte, ein vorbildlicher Spannungsaufbau, Soukhinin, der im Gänsehautrefrain das volle Spektrum ausloten darf, coole Zwischenpassagen und bei aller Komplexität eine nachvollziehbare, melodische Basis. Der Fretless Bass schmeichelt mit einer warmen Grundierung à la CYNIC und passt damit hervorragend zu den Vocals, die über einen tonalen Höhenanstieg im Finale nochmals zusätzlich dramatisiert werden; hier kommt dann wohl die MUSE-Schule zum Vorschein.

Von „verzerrter Harmonie“ kann man bei derartigen Kompositionen natürlich nur bedingt sprechen. Zwar geht „Children Of Red“ beispielsweise mit verstimmten Tunes zu Ende, auch sonst ergeben sich alleine aufgrund des hohen Frickelfaktors durchgehende Taktdissonanzen, insgesamt passt „Glacéed Harmony“ ob einiger zuckersüßer Passagen aber an mindestens ebenso vielen Stellen, auch wenn kitschige AOR-Gefilde immerzu vermieden werden. Mit Drama jedoch ist stets zu rechnen; schon der tiefe Gesang am Ende von „As One“ lässt an JOLLY denken, die mit „The Audio Guide To Happiness Pt. I & II“ ja kürzlich das ultimative Experiment zum Thema Emotionalität abgeliefert haben. Die spektrale Bandbreite von „Chain Reaction“ wird spätestens auf „As You Go“ spürbar, das zu zwei Dritteln ohne Schlagzeug auskommt und dessen leichtes Akustikgitarren-Countryfeeling Devin-Townsend-Moods verströmt. Das härtere Pulver ist aber noch nicht verschossen; hört man kurz vor Ende „Natural Selection“, ist man erstaunt, welchen Fundus an durchweg starken Songs diese jungen Kerle da aus dem Hut zaubern und was erst auf dem dritten, vierten, fünften Album passieren wird, wenn man den eigenen Weg noch weiter gefestigt. Sogar „Methylene Blue“, das zunächst alle Klischees eines typischen Abschlusstracks bestätigt, hat noch ein, zwei Überraschungen in petto. Und das Ende ist der Anfang; der Repeat-All-Knopf ist nur allzu gerne gedrückt.

FAZIT: Das Schönste an dieser eigentlich schon so wunderbaren Platte ist ihr Versprechen, am Ende der Karriere des israelischen Quintetts nicht das Highlight geblieben zu sein. All die Progressive-Metal- und Djent-Größen, sie sind noch sehr präsent im Klangbild von DISTORTED HARMONY. Irgendwann wird das vollständig abgeschüttelt sein und dann nehmen sie ihr eigenes „The Mountain“ auf.

Sascha Ganser (Info) (Review 5208x gelesen, veröffentlicht am )

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Wertung: 12 von 15 Punkten [?]
12 Punkte
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Tracklist:
  • Every Time She Smiles
  • Children Of Red
  • Misguided
  • Nothing (But The Rain)
  • As One
  • Hollow
  • As You Go
  • Natural Selection
  • Methylene Blue

Besetzung:

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