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The Healing Road: Tales From The Dam (Review)
Artist: | The Healing Road |
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Album: | Tales From The Dam |
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Medium: | CD/LP+CD | |
Stil: | Instrumentaler Prog-Rock, der das Oldfield-Erbe anfangs bewahrt, um es dann zu überflügeln! |
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Label: | Musea | |
Spieldauer: | 42:11 | |
Erschienen: | 31.03.2008 | |
Website: | [Link] |
Vielleicht hat sich ja unter dieser Seite herumgesprochen, dass ich nach dem letzten Album von MIKE OLDFIELD „Man On The Rocks“ entsetzt war - im negativen Sinne, weil ich nicht glauben wollte und konnte, dass einer der ganz großen ehemaligen Prog-Götter nur noch mit ganz kleinen Mainstream-Melodien liebäugelte und für mich wie Ikarus, welcher der Sonne zu nahe gekommen war, jämmerlich abstürzte. Viele Fans sahen das natürlich anders. Aber so ist das mit der Musik nun mal - sie polarisiert und manchmal manipuliert sie.
Für mich jedenfalls wurde aus Mr. Oldfield ein Manipulator, der sich besser Mr. Newstream hätte nennen sollen, der unter altem, klangvollem Namen neuen, nichtssagenden Schrott verscherbelte.
Also war es an der Zeit, nach neuen Ufern zu suchen, an die noch wahrhafte Ex-Oldfield-Wellen schlugen, die nichts mit Männern auf Bergen, sondern Röhrenglocken und Beschwörungen oder Breitengraden zu tun hatten.
Und wer suchet, der findet - selbst wenn er nicht an die Bibel oder Matthäus 7, sondern einfach nur an hervorragende Musik glaubt!
So begab sich eines Tages, dass mich meine Suche auf die heilende Kraft einer Straße führte, die vom Multiinstrumentalisten HANS HESS liebevoll geebnet und mitten hinein in ein symphonisches, altes Feld gebaut wurde, das plötzlich eine völlig neue Schönheit erlangte. Doch diesmal ging es nicht um „Tubular Bells“ und „Incantations“, „Ommadawn“ oder „Hergest Ridge“, sondern um die Geschichte einer Staumauer, über die zwar kein Schimmelreiter bis zu seinem schrecklichen Ende galoppiert, sondern die ein Musiker mit einfallsreichen Kompositionen und beeindruckenden Instrumentalfertigkeiten errichtet, bis sie sich gegen die Banalität jeglicher Hauptströmungen wendete, welche uns von medialen Banal-Wasserträgern als der pure Wasserfall verkauft werden soll.
Darum willkommen auf THE HEALING ROAD und den „Tales From The Dam“! Selbst wenn diese „Tales“ nicht nach „Mystery And Imagination“ aus dem Hause ALAN PARSONS PROJECT klingen, obwohl atmosphärisch durchaus einige Parallelen durchschimmern, so sind sie mindestens für jeden Ur-OLDFIELD-Verehrer garantiert genauso interessant.
Die erste Besonderheit von „Tales From The Dam“ besteht bereits darin, dass es das Album nur im LP-Format zu erstehen gibt, dem auch die CD-Ausgabe beiliegt. Den Grund dafür klärt HANSPETER HESS auf dem Einleger der LP gleich selber auf:
„Warum Vinyl?
2008 veröffentlichte M. Oldfield sein Album ‚Music Of The Spheres‘. Ich mochte das Album sehr und legte wieder mal seine alten Scheiben auf. Dabei bemerkte ich, dass ich von ‚Hergest Ridge‘ keine CD-, sondern nur die LP-Ausgabe besaß. Wow! Allein der Geruch der LP und das Gefühl, diese große schwarze Scheibe ganz vorsichtig zu berühren, die plötzlich, nachdem sie auf meinem Plattenteller lag, einen unglaublich warmen, analogen Sound verbreitete, nahm mich völlig gefangen. Die folgenden Tage und Wochen wurden für mich zur Tortur. Denn mir wurde klar, so verrückt es auch klingen möge, mein nächstes Album musste eine LP sein! Doch ganz schnell teilten meine Verrücktheit auch ähnlich verrückte Musiker wie ich, um mit mir diese LP Wirklichkeit werden zu lassen. So wurde ‚Tales From The Dam‘ zum Leben erweckt, wofür ich allen Beteiligten sehr dankbar bin!“
Und da der Kritiker dieser Zeilen sich genau dem gleichen Experiment unterworfen hat und immer wieder mal die digitale kleine versilberte und dann wiederum die analoge große schwarze Variante des Albums angehört hat, kann er nur mit ganzem Herzen und weit offenen Ohren diese Ansicht des musikalischen Steppenwolfs unterstützen!
Warum also nicht noch ein paar weiteren Ausführungen des THE HEALING ROAD-Kopfes lauschen, die er auf meine Anfrage hin auch sehr bereitwillig im Rahmen dieser Kritik äußerte?
„Das Album ist rückblickend für mich sehr facettenreich. Musikalisch waren ein paar Sachen mit eventuell zu heißer Nadel gestrickt, vor allem im zweiten Teil. Die erste LP-Seite liebe ich. Da hat es gepasst, von den Ideen über die Entwicklung des Stücks und die Wahl der Gastmusiker bis hin zu dem großen Finale, das ich haben wollte.“
Dem kann natürlich nicht widersprochen werden, bis auf eine Aussage. Aus meiner Sicht hält auch die zweite LP-Seite, gerade weil sie unglaublich eigenständig und experimentell wirkt, mindestens genauso viele musikalische Reize wie die A-Seite offen. Da gibt es keinen qualitativen Abfall, geschweige denn irgendwelchen Musik-Ausschuss, sondern nur kompositorisch neue Felder zu erleben, die bei Weitem nicht mehr so viel mit den „Oldfieldern“, sondern einer geschickten Kombination aus Akustik und Elektronik zu tun haben.
So sieht dann insgesamt das Kritiker-End-Ergebnis aus:
A-Seite!
Alle kurz aufstrebenden OLDFIELD-Visionen verwandeln sich innerhalb einer Minute der ersten LP-Seite in TANGERINE DREAMs „Tangram“, um dann wieder kurz den Mike raushängen zu lassen, bevor JEAN MICHEL JARRE um die Ecke kommt und uns mit „Oxygene“-Hilfe komplett neue „Air“ atmen zu lassen, während STEFAN DITTMAR sein Schlagzeug dazu nutzt, endlich auch eine gehörige Brise Rock über den Damm zu jagen, welche THOMMY FRANKs Gitarre umgehend mit zarter Flamenco-Akustik vertreibt, so als hätte er aus genau diesem Grunde mal kurz seinen Platz neben PACO DE LUCIÁ verlassen. Doch es geht noch immer ein bisschen verrückter, denn der Countertenor HERMANN VOGES verleiht kurzum mit seiner Stimme diesem musikalischen Damm, der „inhaltlich als Metapher für all das steht, was wir aufstauen, statt es rauszulassen, für die falschen Hemmungen, die wir oft haben, für die Angst, dass das Öffnen der Schleusen Zerstörung mit sich bringen könnte“ (Originalzitat HANSPETER HESS), auch noch einen klassischen Charakter! Und über allem thront das, was ein MIKE OLDFIELD seit Jahren nicht mehr hinbekommt und ein HANS HESS locker verwirklicht - obwohl sich alle Ohren auf den alten „On The Rocks“-Mann und sein Mainstream-Musikfeld konzentrieren, anstatt einem deutschen Ausnahmemusiker, welcher auch noch den gleichen Nachnamen wie der Autor des „Steppenwolfs“ trägt, die ihm zustehende Aufmerksamkeit zu widmen.
B-Seite!
Die B-Seite feuert regelrecht elektronischen Bombast auf den Hörer ein, so als wollte er den Damm zum Einsturz bringen. Selbst E-Gitarren steuern ihr wahres Saiten-Feuer bei, bis plötzlich ein Piano den Druck rausnimmt und Röhrenglocken eine „Tubular Bells“-Sehnsucht entwickeln, der wiederum rockige E-Gitarren erst den Garaus machen, um dann mit Jazz-Piano-Einlagen neue Klangexperimente einzuläuten. Jazz der MEZZOFORTE-Sorte oder eines EBERHARD SCHOENERS auf „Bon Voyage“-Reise und des WEATHER REPORTs lächeln einen auf der zweiten LP-Seite aus jeder schwarzen Rille an. Auch wird uns nun klar, dass der Gitarrist THOMMY FRANK nicht nur ein hervorragender Saiten-Zauberer ist, sondern auch PAT METHENY sehr mag. Der zweite Teil dieses Dammes schenkt uns das musikalische Abenteuer, welches uns MIKE OLDFIELD schon immer verwehrte - nämlich wie er klingen würde, wenn er sich auch mal dem progressivem Jazz und mehr Elektronik zugewandt hätte!
THE HEALING ROAD gehen genau diesen Schritt! Welch Glück!
Allerdings sollte ein weiterer Aspekt, der bei jeder guten LP eine wichtige Rolle spielt, nicht vergessen werden:
Das Cover!
Mal wieder einfach bei HANSPETER HESS nachgefragt, mal wieder gleich eine Antwort bekommen:
„Der Chef-Grafiker Matthias Klaiber recherchierte eigens für die Cover-Fotos, wo es in Frage kommende Dämme geben könnte. Extra dafür nahm er sich Urlaub und ging ganz gezielt auf Foto-Tour. Das Ergebnis jedenfalls kann sich sehen lassen!“
Mich jedenfalls erinnert das an die Arbeitsweise des leider im April 2013 verstorbenen HIPGNOSIS-Gründers STORM THORGERSON - und auch wenn bei „Tales From The Dam“ kein Gummischwein über ein Kraftwerk fliegt, so sind die Damm-Motive auf dem Außen- und Innen-Cover von gänzlich ähnlicher Qualität!
FAZIT: A-Seite + B-Seite + Cover = großartige Leistung, selbst wenn der „alte“ Oldfield noch immer ziemlich intensiv auf der HEALING ROAD wandelt, entwickelt dieses musikalische Projekt eine Ausstrahlung, die unser „Man On The Rocks“ längst verloren hat. Leider scheint THE HEALING ROAD aber nach wie vor nur ein Studio-Projekt zu sein und zu bleiben. Für mich jedenfalls wäre klar, dass, wenn ich vor die Alternative gestellt werden würde, ein Live-Konzert von Oldfield oder Healing Road zu besuchen, HANS HESS seinen ersten zahlenden Besucher hätte!
- 1-3 Punkte: Grottenschlecht - Finger weg
- 4-6 Punkte: Streckenweise anhörbar, Kaufempfehlung nur für eingefleischte Fans
- 7-9 Punkte: Einige Lichtblicke, eher überdurchschnittlich, das gewisse Etwas fehlt
- 10-12 Punkte: Wirklich gutes Album, es gibt keine großen Kritikpunkte
- 13-14 Punkte: Einmalig gutes Album mit Zeug zum Klassiker, ragt deutlich aus der Masse
- 15 Punkte: Absolutes Meisterwerk - so was gibt´s höchstens einmal im Jahr
- Tales From The Dam Part 1
- Tales From The Dam Part 2
- Gesang - Hermann Voges
- Gitarre - Thommy Frank, Claus Flittiger, Gilbert Cyppel, Matthias Zalepa
- Keys - Hans Hess
- Schlagzeug - Stefan Dittmar, Hans Hess
- Tales From The Dam (2008) - 13/15 Punkten
- Backdrop (2011) - 12/15 Punkten
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