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Nucleus Torn: Knell (Review)
Artist: | Nucleus Torn |
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Album: | Knell |
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Medium: | CD | |
Stil: | Klassik / Avantgarde / Metal |
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Label: | Prophecy | |
Spieldauer: | 56:03 | |
Erschienen: | 22.02.2008 | |
Website: | [Link] |
Klammheimlich und unauffällig haben NUCLEUS TORN im Jahre 2006 eines der wunderbarsten Prog/Metal/Folk-Alben der letzten Jahre herausgebracht. In der „großen“ Presse werden solche Releases üblicherweise totgeschwiegen – aber vielleicht ist es ja gut so, dass Bands, die leidenschaftlich Musik und Kunst erschaffen, nicht neben den üblichen Szenekaspern genannt werden und der Musikfan sich noch einbilden kann, beim Hören dieser unterbewerteten Alben etwas ganz für sich allein entdeckt zu haben…
Knell bedeutet so viel wie „Totenglocken“. Da kommt einem das dunkel romantische „When We Two Parted“ in den Sinn, ein Gedicht, das Lord Byrons Feder entstammte und in welchem es an einer Stelle heißt:
„They name thee before me,
A Knell to mine ear;
A shudder comes o'er me -
Why wert thou so dear?“
Diese Frage stellt sich jeder Mensch mindestens einmal im Leben, wenn nach einer Trennung die nötige Zeit vergangen ist. Und auch, wenn es auf diese Frage keine rationale Antwort gibt, so ist hingegen die Frage, warum „Nihil“ dereinst so viel Freude bereitete, gar nicht schwer zu beantworten. Selten bekommt man ein Album auf den Tisch, das kitschfrei romantisch und dabei verstörend abgründig klingt, das ohrenschmeichelnden Folk mit schrägem Prog und Metal verbindet, mit anderen Szeneveröffentlichungen kaum zu vergleichen ist und ein Maß an Einzigartigkeit bietet, das den Hörer zu wahren Entdeckungsreisen einlädt.
Es war bereits angekündigt, dass „Knell“ kein zweites „Nihil“ werden sollte. Zeitgenossen, denen die teilweise ungewöhnliche Harmonik des Debüts schon dicke Fragezeichen ins Gesicht malte, dürften diese „Todesglocken“ erst recht in die Flucht schlagen. Dies soll aber nicht bedeuten, dass NUCLEUS TORN ihre Musik nun schräger oder atonaler Gestalten als auf dem Erstlingswerk – es ist eher so, dass die „Songhaftigkeit“ weiter zurückgeschraubt wurde. Platte „Strophe/Refrain“ Schemata waren zwar noch nie Sache der Schweizer, aber „Nihil“ bot nicht wenige Passagen, die sogar beim Nebenbeihören gut klangen, fast schon eingängig waren. Die schlicht mit den römischen Ziffern „I“ bis „IV“ betitelten Tracks spannen einen deutlich weiteren Bogen, bieten weniger Flächen, an denen sich ein Reisender orientieren und festhalten kann. Die vier Klanglandschaften sind wie Wanderungen durch nebelverhangene Landstriche, bei denen jeder Schritt die nächste Überraschung parat halten kann, bei denen man nie weiß, ob sich hinter der nächsten Biegung Schönheit oder Abgrund verbirgt.
Will man das Bild einer Wanderung aufrecht erhalten, dann handelt es sich beim Hören von „Knell“ um eine Reise der Gegensätze: Die ruhigen Passagen sind noch ruhiger geworden, die harten, lauten Passagen noch härter und lauter. Momente höchster Stille erzwingen die Aufmerksamkeit, man möchte nichts verpassen, wenn die Saiten derart sanft angeschlagen werden, dass das Quietschen der Finger auf dem Metall lauter ist als die entlockten Töne, die klingen wie das Trippeln kleiner schwarzer Füße auf der blanken Seele. Dann brechen die verzerrten Gitarren mit voller Wucht herein, mal doomig schleppend, mal im ratternden Black-Metal-Beat und immer von Last befreiend, denn auf „Knell“ liegen die stillen Passagen wie Blei auf der Seele, während die heftigen reinigend auf den Hörer wirken.
Die „schönen“ Folk-Parts von „Nihil“ sind einer anderen Instrumentierung gewichen. Violinen, Flöten und Celli klingen mehr nach experimenteller Klassik, nach avantgardistischen Ausflügen an der Grenze zu bildgewaltigen Soundtrackmotiven. So abstrakt wie die Labelkollegen von ELEND klingen NUCLEUS TORN nicht, doch von leichter Kost kann bei diesem Album keinesfalls die Rede sein.
Anfangs machte sich leichte Enttäuschung breit. Es ist schwer, sich frei zu machen von Erwartungen und irgendwie fühlt sich doch jeder Wohl, wenn Liebgewonnenes in kleinen Variationen an das Ohr dringt. Es war also ein kleiner Kraftakt, „Knell“ die Chance zu geben, die es sich tausendfach verdient hat. Und siehe da, irgendwann funktioniert dieses Album, das Atonale wühlt auf, schmerzhaft schöne Streicherklänge und helle Pianoperlen lassen Wunden heilen und die zahlreichen Momente höchster Stille üben eine fast schon meditative, dunkle Wirkung aus. Und nie war diese Rezensentenphrase so wahr: NUCLEUS TORN bieten reinste Kopfhörermusik.
FAZIT: Die Schweizer bleiben eine der wenigen Bands, die sich scheinbar mühelos bemühen, Neues zu schaffen und dabei noch im unkommerziellen Sinne erfolgreich sind. Vielen recht machen werden es NUCLEUS TORN nicht, doch das kann auch nie das Ziel von Künstlern sein. Echte Entdecker, die nicht zu träge sind, sich ihre Erlebnisse zu erarbeiten, erwartet mit „Knell“ eine Pilgerfahrt ins Dunkle, die nachwirkt.
- 1-3 Punkte: Grottenschlecht - Finger weg
- 4-6 Punkte: Streckenweise anhörbar, Kaufempfehlung nur für eingefleischte Fans
- 7-9 Punkte: Einige Lichtblicke, eher überdurchschnittlich, das gewisse Etwas fehlt
- 10-12 Punkte: Wirklich gutes Album, es gibt keine großen Kritikpunkte
- 13-14 Punkte: Einmalig gutes Album mit Zeug zum Klassiker, ragt deutlich aus der Masse
- 15 Punkte: Absolutes Meisterwerk - so was gibt´s höchstens einmal im Jahr
- I
- II
- III
- IV
- Bass - Fredy Schnyder
- Gesang - Maria D'Alessandro, Patrick Schaad
- Gitarre - Fredy Schnyder
- Keys - Fredy Schnyder
- Schlagzeug - Christoph Steiner
- Sonstige - Christine Schüpbach-Käser (violin), Rebecca Hagmann (cello), Anouk Hiedl (german flute), Fredy Schnyder (hammered dulcimer, irish bouzouki, oud)
- Nihil (2006) - 13/15 Punkten
- Knell (2008) - 12/15 Punkten
- Andromeda Awaiting (2010) - 12/15 Punkten
- Golden Age (2011) - 11/15 Punkten