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Cécile McLorin Salvant: Ghost Song (Review)

Artist:

Cécile McLorin Salvant

Cécile McLorin Salvant: Ghost Song
Album:

Ghost Song

Medium: CD/LP/Download
Stil:

Jazz, Blues, Chanson, Singer/Songwriter

Label: Nonesuch Records/Warner Music
Spieldauer: 46:08
Erschienen: 04.03.2022
Website: [Link]

„'I Lost My Mind' ist der Kern der Matroschka. Ich schrieb es inmitten der Pandemie. Es gab Nächte, in denen ich einfach nur schreien wollte. In den Tiefen meiner Seele gab es diesen Teil, der mir sagte: 'Es ist okay, wenn das Material komplett verrückt klingt, es ist gut, diesem komplett verrückten Ding einfach zu folgen und nicht zu fürchten, dass Leute annehmen könnten, ich hätte meinen Verstand verloren, weil ich daran arbeite.'“ (Cécile McLorin Salvant über „I Lost My Mind“ von „Ghost Song“)

CÉCILE MCLORIN SALVANT – ein Name, der sich wirklich nicht gleich einprägt und den man vielleicht wegen seiner kompliziert anmutenden Länge auch schnell wieder vergisst. Meinetwegen sind Namen auch Schall und Rauch, wie man es so gerne sprichwörtlich von sich gibt. Nur eins ist klar, die Stimme hinter diesem Namen der dreifachen Grammy-Preisträgerin wird man – nur einmal gehört – nie wieder vergessen!

Doch nicht nur dem Verfasser dieser Zeilen geht es so, auch der Moderatorin von 'titel, thesen, temperamente (ttt)' Siham El-Maimouni erging es bei der ersten Begegnung mit McLorin Salvants Stimme ganz ähnlich, als sie einen ttt-Beitrag über die Musikerin mit folgendem Satz ankündigte:
„Nicht irgendeine Jazz-Musikerin, sondern gegenwärtig DIE Sängerin schlechthin: perfekte Intonation, Wahnsinns-Rhythmusgefühl, heftige emotionale Bandbreite und dabei so cool!“
Wie recht El-Maimouni doch hat!

„Ich wähle nur Songs aus, die mich ganz tief berühren. Ich glaube, ich habe noch nie ein Lied gesungen, nur weil es andere beeindruckt oder eine intellektuelle Herausforderung ist“, stellt CÉCILE MCLORIN SALVANT selber fest und genau das hört man ihrer Musik auch an, die das Album „Ghost Song“ gleich mit einer dermaßen außergewöhnlichen Cover-Version von KATE BUSHs „Wuthering Heights“ eröffnet, der man schlicht nur als Beschreibung das Adjektiv „atemberaubend“ verpassen kann und sich zudem sofort fragt: „Wie wohl wird einer KATE BUSH diese Variante eines ihrer ersten Megahits aus dem Jahr 1978 gefallen?“ Übrigens aus einem Jahr, in dem die heute 30jährige McLorin Salvant noch nicht einmal geboren war.

Mit „Optimistic Voices“ folgt „Wuthering Heights“ dann gleich das nächste, ebenso ungewöhnliche Cover-Stück, dessen Urheber GREGORY POTTER ist.

Besonders bedrückend wird’s dann mit „Thunderclouds“, in dem McLorin Salvant ihre eigene Schlaflosigkeit besingt, unter der sie lange litt: „Lay your burden down / Look to the sky, it's raining...“

Im LP-B-Seite-Opener macht die Pariserin zudem keinen Hehl daraus, dass sie symbolhaft ihren Verstand verloren hat und auf der Suche nach demjenigen ist, der ihr dabei helfen kann, diesen wiederzufinden: „I lost my mind / Who can help me find my mind?“ Ein Song, der fragil beginnt und mit einer fetten Kirchen-Orgel endet.
Der „Moon Song“ ist davon eine Fortsetzung, denn hier scheint sie genau den Richtigen für ihre 'verstandsgemäße' Suche gefunden zu haben, um mit ihm gemeinsam den Mond zu bewundern, ein herrlich romantisches Stück: „Let me love you like I love the Moon“.

Musical- oder Chanson- oder Jazz- oder Pop- oder Blues- und Folk-Style, diese in Paris in klassischem Gesang ausgebildete Musikerin sowie studierte Jura- und Politik-Wissenschaftlerin kann einfach alles singen und dabei durch die sonnigsten Höhen oder finstersten Tiefen mit ihrem Organ wandern. Ähnlich wie mit ihrem Geist – im doppelten Sinne.

McLorin Salvant singt ähnlich wie andere großartige Maler ihre weltberühmt kunterbunten Bilder mit einem deutlichen Schuss Expressionismus malen, dabei alles ineinander übergeht und trotzdem perfekt als Kunstwerk in sich geschlossen wirkt. VanGogh und McLorin Salvant wären garantiert ein gutes Gespann. Sie lassen besagten Geist durch den Klang- und Leinwand-Raum schweben und alles verzaubern. Geister, die nunmehr rein musikalisch auf dem „Ghost Song“-Album heraufbeschworen werden.
Wen wundert's da eigentlich noch, dass CÉCILE MCLORIN SALVANT noch dazu malt und zeichnet. Abstrakt und impressionistisch zugleich, sodass der doppelseitiger LP-Einleger gleich neben allen Texten mit zwei ihrer Kunstwerke aufwartet. Ein weiteres findet sich im Inneren des Gatefold-LP-Covers direkt neben ihrem Porträt-Bild.

Und wie es der Album-Titel schon verrät, geht es in allen Songs um Geister, womit „Ghost Song“ tatsächlich zu einem 'gespenstischen' Konzept-Album wird. Diese geheimnisvoll-mysthische Aura hinter den Songs und der Musik verbreitet sich so über die gesamte Musik-Dreiviertelstunde lang. Aus diesem Grunde betont McLorin Salvant speziell die Besonderheit von „Ghost Song“: „Dieses Album unterscheidet sich von allem, was ich bisher veröffentlicht habe. Ich komme damit der Reflexion meiner Persönlichkeit als Kuratorin des Vielschichtigen näher. Ich umarme meine Seltsamkeiten, wenn man es so sehen will.“

Da ist es fast schon traurig, dass nicht auch Charles Dickens' gespenstisches Weihnachtsmärchen um den alten Ebenezer Scrooge, dem die Geister erscheinen, „A Christmas Carol“, einen Song auf diesem Album erhalten hat.

Dafür aber gibt es beispielsweise den STING-Song „Until“, geschrieben für den Film 'Kate & Leopold' zu hören, bei dem einem Faustsches in den Sinn kommt, denn hier imitiert gar eine Flöte den Gesang in den höchsten und tiefsten Tönen, so als wäre für sie eine Extra-Strophe geschrieben worden.

Das große Album-Finale „Unquiet Grave“ ist längst ein Klassiker und eignet sich natürlich ideal für den Abschluss von „Ghost Song“.
An diesem Traditional hat sich JOAN BAEZ gleich auf drei ihrer Alben, aber auch WEEN oder STEVEN WILSON und GRYPHON oder KARLIENE 'abgearbeitet' oder kamen daran einfach nicht vorbei. Doch diese rein auf McLorin Salvants Stimme reduzierte Version am Ende der LP sticht vieles aus und ist genauso emotional und aufrüttelnd wie der rein vokale Beginn von „Wuthering Heights“ am Anfang des konzeptionell ausgerichteten Albums, womit sich der Kreis schließt und auch inhaltlich sein Ende findet, denn auf „Wuthering Heights“ verfolgte der Geist seinen Auserwählten, auf „Unquiet Grave“ drehen sich die Seiten und der Protagonist folgt seinem Geist…

FAZIT: Ein Album, das mit in einer Kirche aufgenommenen Solo-Stimme beginnt und endet. Das könnte in die Hose gehen, doch wenn man solche Stimmbänder wie die US-amerikanische (mit einer Mutter mit französisch-guadeloupischen Wurzeln) Grammy-prämierte Jazz-Sängerin CÉCILE MCLORIN SALVANT besitzt, dann kann dieser Idee nur voller Erfolg beschieden sein. „Ghost Song“ mit seinen 12 sich Geistern widmenden Songs (McLorin Salvant: „Sämtliche Songs stehen in spiegelbildlichem Verhältnis zueinander.“) ist an klanglicher Vielfalt zwischen Musical und Chanson und Jazz oder Pop und Blues und Folk kaum zu übertreffen. Doch alles wird in himmlische Höhen von der glockenhellen, aber auch, je nach Stimmung, grabestiefen Stimme der Musikerin, Komponistin, Texterin und Malerin (insgesamt drei ihrer Kunstwerke sind im Inneren des LP-Gatefold-Covers plus dem vierseitigen Einleger zu bewundern) getragen. Faszinierend – selbst für diejenigen, die im Allgemeinen mit Jazz nicht viel anfangen können.

Thoralf Koß - Chefredakteur (Info) (Review 2225x gelesen, veröffentlicht am )

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Wertung: 14 von 15 Punkten [?]
14 Punkte
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Tracklist:
  • Seite A (21:36):
  • Wuthering Heights (2:44)
  • Optimistic Voices / No Love Dying (7:24)
  • Ghost Song (3:23)
  • Obligation (1:33)
  • Until (6:32)
  • Seite B (24:32):
  • I Lost My Mind (3:41)
  • Moon Song (3:05)
  • Trail Mix (2:24)
  • The World Is Mean (4:48)
  • Dead Popplar (2:36)
  • Thunderclouds (3:37)
  • Unquiet Grave (4:21)

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