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Psychotic Waltz: A Social Grace (Re-issue 2024) (Review)
Artist: | Psychotic Waltz |
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Album: | A Social Grace (Re-issue 2024) |
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Medium: | CD/LP/Download | |
Stil: | Progressive Metal |
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Label: | Inside Out / Sony | |
Spieldauer: | 141:42 | |
Erschienen: | 31.05.2024 | |
Website: | [Link] |
Was allein in den USA gegen Ende der 1980er und Anfang der 1990er für das werdende Genre Progressive Metal geleistet wurde, kann in seiner Bedeutung gar nicht hoch genug eingeschätzt werden: "Operation: Mindcrime" (1988) von Queensrÿche, Fates Warnings "Perfect Symmetry", "Think This" von Toxik, das Dream-Theater-Debüt "When Dream and Day Unite", die zweite Watchtower-LP "Control and Resistance" (alle 1989), im Thrash-Bereich Metallicas "…and Justice for All" und Megadeths "Rust in Peace" (1990) sowie schließlich die bahnbrechenden frühen Tech-Death-Alben von Acts wie Atheist, Death oder Cynic. Man diese Liste sicherlich noch eine Weile fortführen, genannt werden muss aber auf jeden Fall PSYCHOTIC WALTZ' Einstand "A Social Grace" von 1990.
Das Quintett wurde 1985 unter dem Namen Aslan (in Anklang an den Löwen aus C.S. Lewis' "Die Chroniken von Narnia") in San Diego gegründet und brachte bald darauf ein Demo mit drei Songs heraus. Eine andere Band gleichen Namens nötigte die Kalifornier zu einer Umbenennung, weshalb ihr nächstes Tape 1988 unter dem Banner PSYCHOTIC WALTZ erschien. Schon die beiden Kassetten begeisterten in Europa und insbesondere Deutschland zahlreiche Fans, weshalb das erste Studioalbum dann auch über ein hiesiges Label (Rising Sun Records; Leiter Clemens Väth leitet heute den Mailorder Just For Kicks) veröffentlicht wurde.
Das Original-Vinyl enthielt zehn Lieder, die CD-Erstpressung drei Bonustracks ('Successor', 'Only In A Dream', 'Spiral Tower'), die nicht ans Ende der Tracklist gehängt, sondern mittendrin eingefügt wurden. Die vorliegende Neuauflage, die der Band selbst zufolge ultimativ sei - 2011 zur Reunion gab es bereits Re-Releases des gesamten Backkatalogs -, orientiert sich an jener 13-Track-Version. Die aktuelle Bonus-CD bietet das vollständige 1989er Demo der Gruppe (alle Songs landeten auch auf "A Social Grace") und annehmbare Proberaumaufnahmen, die einen Teil des Materials in einem interessanten Frühstadium zeigen. Außerdem probte die Band anscheinend schon damals 'Hanging On A String' vom zweiten Album "Into the Everflow" (1992), hinzu kommen die beiden nie professionell aufgenommenen Stücke 'The Keeper' (ex existiert noch eine Live-Version auf der raren 1998er Compilation "Live and Archives") und 'Back Again'.
Für das ausgezeichnete Remastering zeichnet Vielarbeiter Patrick W. Engel verantwortlich: Das Material bewahrt seinen alten Zauber, klingt aber irgendwie luftiger und lebendiger; speziell die Gesangsarrangements kommen nun effektvoll im Stereo-Panorama zur Geltung, außerdem wirken Bass und Drums besser aufeinander abgestimmt. "A Social Grace" ist eines der besten (Prog-)Metal-Debüts aller Zeiten, ein musikalischer und emotionaler Parforceritt, Headbanger-Stoff und Hirnnahrung zugleich mit Liedtexten, in denen die Grenzen zwischen Innenschau und Panoramablick, Traum und Wirklichkeit verschwimmen.
Und eines der besten Alben aller Zeiten sollte auch über einen der besten Opener aller Zeiten verfügen: '…And the Devil Cried' vereint alles in sich, wofür die jungen PSYCHOTIC WALTZ stehen: Buddy Lackeys exaltierter Gesang (in etwa wie Ian Anderson und Peter Gabriel auf dem Metal-Trip), halsbrecherische Riffs und mäandernde Melodien, sei es in Form ineinander verschlungener Gitarrenleads oder singbarer Solos.
Die peitschende Bridge samt thrashigem Schlagzeugspiel und das wiederkehrende Rhythmusmotiv steigern die Dramatik zusätzlich, ehe 'Halo of Thorns' eine kurze Ruhepause gewährt, um den Gesang ins Schlaglicht zu rücken. Die zähe Ausrichtung vor dem aggressiveren Ende gemahnt an Black Sabbath, die bei der Band auch später wiederholt anklangen. 'Another Prophet Song' ist ein kleines kompositorisches Meisterwerk, quasi zweigeteilt in nur fünfeinhalb Minuten mit etlichen Details (Synthesizer-Teppiche, unverzerrter Mittelteil, Percussion…) einigen der haarsträubendsten Wendungen, die Prog Metal vor seiner Konventionalisierung als Genre zu Gehör brachte.
Das rhythmisch orietierte 'Successor' taucht mit Dissonanzen und höchsten Gesangstönen in ein Gefühlswechselbad. 'In This Place', ähnlich sprunghaft und nervös, mutet in puncto Melodien leicht orientalisch an, die irre Solosektion wurde mit gesprochenen Worten unterlegt, die sich heute auch auf der Webseite der Gruppe wiederfinden ("A PSYCHOTIC WALTZ is a trip throughout time of the subconscious and conscious brain and can be an eclipse of time in somebody's mind…"). Es ist die sperrigste Nummer des Albums, im Anschluss erscheint keine Steigerung mehr möglich, ohne dass es ins Abstoßende umkippen würde.
Umso logischer wirkt das folgende 'I Remember' - ein trauriges Fanal für Frieden unter allen Menschen in Form einer klassischen Ballade, die Buddy Lackey logischerweise auch "meinem Lehrer" Ian Anderson widmet. Eine offensichtlichere Hommage an die britischen Folk-Prog-Ikonen Jethro Tull und ihren Kopf kann es kaum geben, wenn man sich den anklagenden Text, die Melodieführung und das virtuose Querflötenspiel des Sängers zu Gemüte führt. Das gespenstische Keyboard-Zwischenspiel 'Sleeping Dogs' nimmt dann Gitarrist Dan Rocks späteres Nebenprojekt Darkstar vorweg, wobei auch auf den nachfolgenden Alben ähnliche Elemente auftauchen, und fungiert praktisch als Intro der Vinyl-B-Seite.
Mit 'I of the Storm' beweisen PSYCHOTIC WALTZ am deutlichsten, dass abenteuerlustige Musik nicht zwangsläufig Temporekorde bricht. Die düstere Midtemponummer gehört zu den eingängigsten Momenten des Albums und nimmt den weiteren Duktus vorweg: Die getragene Ballade 'A PSYCHOTIC WALTZ' erinnert stark an das erwähnte Aslan-Demo und zählt zu den gesanglichen Sternstunden des Frontmanns (während der Klavierpassagen zu Anfang und gegen Ende denkt man sogar an Savatage), und das Gitarrensolo ist zum Niederknien geschmackvoll.
Brian McAlpin und Dan Rock übertreffen sich auch während des kürzesten aller Tracks selbst: 'Only in a Dream' geht rhythmisch vergleichsweise straight über die Bühne, wohingegen die Struktur den Rahmen alles Konventionellen sprengt. Das Demo-Highlight 'Spiral Tower' singt Lacky so abgedreht verspult, wie der Titel suggeriert, doch trotzdem oder gerade deshalb ist es die eingängigste Nummer von "A Social Grace" - Doom Prog im Grunde genommen und vielleicht der Hit schlechthin der Band. Das mit knapp 6:40 Minuten längste Stück 'Strange' changiert zwischen abgehackt synkopischen Segmenten und rollender Doublebass - eingedenk der zerdehnten Vocals neben 'Successor' das anstrengendste Stück, aber wegen seines unvorhersehbaren Endes zwingend.
Falls man bis jetzt noch nicht verstanden hat, wie außergewöhnlich alle Mitglieder von PSYCHOTIC WALTZ sind (Norm Leggio und Ward Evans bewähren sich allein schon deshalb, weil sie den Eskapaden der Gitarristen folgen), fasst das abschließende 'Nothing' noch einmal alle Vorzüge der Gruppe zusammen: jenseitige Gesangslinien, abwechselnd aus der Seele kreischende und sprechende Gitarren, Rhythmusmuster für die Choreografie eines Höllentanzes und… tatsächlich Humor in Form eines Zitatschnipsels aus "This is Spinal Tap".
FAZIT: Ob dies nun die ultimative Edition von "A Social Grace" ist oder nicht, PSYCHOTIC WALTZ' Debütalbum bleibt ein Klassiker des Progressive Metal und zeigt diese außergewöhnliche Band von ihrer unbändigsten Seite, aber schon in jungem Alter mit rasiermesserscharfem kompositorischen Verständnis gesegnet. Die A-Seite enthält das aggressivere Material, die B-Seite setzt Maßstäbe für labyrinthische Songstrukturen und zauberhafte Melodien. Und sie wussten genau was sie taten… "Wir versuchen, es so zu gestalten, dass man das Album nicht nach zwei Wochen leid ist", erklärte Ward Evans 1990 in einem Interview. "Wir wollen, dass du es nach einem Jahr immer noch hörst und sagst: 'Oh, das ist mir bisher gar nicht aufgefallen.'" Weit mehr als ein Jahr sollte vergehen, ohne dass der Reiz je verschwunden wäre.
- 1-3 Punkte: Grottenschlecht - Finger weg
- 4-6 Punkte: Streckenweise anhörbar, Kaufempfehlung nur für eingefleischte Fans
- 7-9 Punkte: Einige Lichtblicke, eher überdurchschnittlich, das gewisse Etwas fehlt
- 10-12 Punkte: Wirklich gutes Album, es gibt keine großen Kritikpunkte
- 13-14 Punkte: Einmalig gutes Album mit Zeug zum Klassiker, ragt deutlich aus der Masse
- 15 Punkte: Absolutes Meisterwerk - so was gibt´s höchstens einmal im Jahr
- 1] …And The Devil Cried
- 02] Halo Of Thorns
- 03] Another Prophet Song
- 04] Successor
- 05] In This Place
- 06] I Remember
- 07] Sleeping Dogs
- 08] I Of The Storm
- 09] A Psychotic Waltz
- 10] Only In A Dream
- 11] Spiral Tower
- 12] Strange
- 13] Nothing
- 01] …And The Devil Cried (Demo 1989)
- 02] Successor (Demo 1989)
- 03] Halo Of Thorns (Demo 1989)
- 04] I Of The Storm (Demo 1989)
- 05] Burn The Night (Rehearsal 1988)
- 06] I Of The Storm (Rehearsal 1988)
- 07] Halo Of Thorns (Rehearsal 1988)
- 08] Another Prophet Song (Rehearsal 1988)
- 09] Successor (Rehearsal 1988)
- 10] The Keeper (Rehearsal 1988)
- 11] Hanging On A String (Rehearsal 1988)
- 12] Back Again (Rehearsal 1988)
- 13] …And The Devil Cried (Instrumental Rehearsal 1988)
- 14] Only In A Dream (Instrumental Rehearsal 1988)
- 15] I Remember (Rehearsal 1988)
- Bass - Ward Evans
- Gesang - Buddy Lackey
- Gitarre - Brian McAlpin, Dan Rock
- Schlagzeug - Norm Leggio
- Sonstige - Buddy Lackey (Querflöte)
- A Social Grace (1990) - 14/15 Punkten
- Into the Everflow (1992) - 15/15 Punkten
- The God-Shaped Void (2020) - 12/15 Punkten
- A Social Grace (Re-issue 2024) (2024)
- Bleeding (Re-Issue 2024) (2024)
- Into The Everflow (Re-issue 2024) (2024)
- Mosquito (Re-issue 2024) (2024)
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