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The Dead South: Chains & Stakes (Review)
Artist: | The Dead South |
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Album: | Chains & Stakes |
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Medium: | CD/LP/Download | |
Stil: | Bluegrass, Americana, Folk, Indie |
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Label: | DevilDuck Records | |
Spieldauer: | 29:50 | |
Erschienen: | 09.02.2024 | |
Website: | [Link] |
Bereits 2014 – also zu Beginn der internationalen Karriere des kanadischen Bluegrass-Folk-Ensembles THE DEAD SOUTH - gab es eine Kontroverse inhaltlicher Natur zu dem Song „Banjo Odyssey“, der mit einem beliebten Redneck-Klischee aufwartete und eine inzestuöse Beziehung zweier Charaktere implizierte. Schon damals sah sich die Band um den bärbeißigen Frontmann NATE HILTS genötigt, in einem Statement zu erklären, dass die oft auf zynisch/ironische Weise mit Hinterwäldler-Klischees spielenden Songs des Ensembles auf erdachten Geschichten basieren – und keinesfalls für bare Münze gehalten werden sollten. Daran sollte vielleicht anlässlich der Veröffentlichung des nunmehr vierten Albums „Chains & Stakes“ nochmal eindringlich erinnert werden, denn es ist schon bemerkenswert, über welchen Fundus an schrägen Charakteren und Szenerien THE DEAD SOUTH in ihrer neuesten Möderballaden-, Moritaten- und Folk-Sammlung verfügen.
Dabei gelingt es THE DEAD SOUTH immer wieder, den Eindruck zu erwecken, als seien diese Szenarien und Geschichten aus der gotischen Folkore, verstörenden Märchen oder zweifelhaften spirituellen Schriften entsprungen, während sie doch lediglich geschickt aus zahlreichen Inspirationsquellen zusammengesetzt wurden. Ein kluger Schachzug bezüglich der Glaubwürdigkeit ist dabei sicherlich, in Songs wie „Son Of Ambrose“, „The Cured Contessa“ oder „Father Jon“ konkrete Charaktere mit Namen und Backstory einzuführen. Auch die Idee, in Tracks wie „Blood On Your Mind“, „20 Mile Jump“ oder „A Little Devil“ aus der Ich-Perspektive zu erzählen (selbst aus dem Jenseits heraus), zahlt sich aus und macht die Sache authentisch – besonders dann, wenn der Erzähler in Tracks wie „20 Mile Jump“, „A Place I Hardly Know“ einräumt, dass der Alkohol-Abusus Schuld an manch fiebriger Phantasie ist. Kurzum: Wieder einmal machen THE DEAD SOUTH deutlich, dass sie ihren Projekt-Namen nicht umsonst tragen, denn Blut und Tod gibt es neben (symbolischen) Ketten oder Pflöcken wirklich genug auf dem vierten Album. Zusätzlich sind Anspielungen auf religiöse Eiferer und Szenarien sehr bedeutungsvoll, denn auf die haben es THE DEAD SOUTH besonders abgesehen.
Als NATE HILTS und DANNY KENYON 2012 das Projekt THE DEAD SOUTH als „Rockin' Stompin' Bluegrass-Band“ ins Leben riefen, mussten sie sich in das Metier Bluegrass einarbeiten, denn beide hatten zuvor in einer Rockband gespielt. Die hinzugekommenen Musiker COLTON CRAWFORD und SCOTT PRINGLE lernten extra Banjo bzw. Mandoline zu spielen – unverzichtbare Zutaten für eine Bluegrass-Band.
Es konnte also von vornherein nicht darum gehen, die in dieser Musikgattung übliche Fixierung auf instrumentelle Virtuosität und den Wettbewerbsgedanken in den Vordergrund zu stellen, sondern gemeinsam und mit dem Publikum Spaß zu haben.??Das führte einerseits dazu, dass ‚ernsthafte’ Bluegrass-Fans (die das Genre teilweise ja wirklich als Wissenschaft betrachten) die Musik von THE DEAD SOUTH nicht ernst nehmen wollten, dafür aber ganze Bevölkerungsschichten, die sich mit dieser Gattung bislang nicht beschäftigt hatten, durch die vier stets gut gelaunten und amüsanten Kanadier einen Zugang dazu finden konnten; was dann insbesondere den Erfolg in Europa erklärte, der nicht alleine darauf zurückzuführen ist, dass die Band auf dem deutschen Label DevilDuck zu Hause ist.
Und noch etwas brachte diese Konstellation mit sich: THE DEAD SOUTH verstanden sich nie als Puristen – ein Umstand, der insbesondere auf dem neuen Album interessante Früchte trägt. Denn nachdem THE DEAD SOUTH den live nach wie vor maßgeblichen Party-Gedanken mit dem zweiteiligen Projekt „Easy Listening For Jerks Pt. I & II“ (zwei Sammlungen von Cover-Versionen von Acts wie THE DOORS, SYSTEM OF A DOWN oder den COLD WAR KIDS) auf die Spitze getrieben hatten, geht es auf „Chains & Stakes“ erstaunlich gesittet, vielseitig und ernsthaft zu. Zumindest musikalisch gilt das, denn der rabenschwarze Humor, den NATE HILTS in seinen Lyrics zum Ausdruck bringt, steht dann wieder in einem interessanten Kontrast zur musikalischen Umsetzung.??Natürlich wissen HILTS & Co. immer noch einen soliden „Rockin' Stompin' Hoedown“ zu schätzen - zum Beispiel, wenn es wie beim „20 Mile Jump“ um den Alkohol geht - ansonsten aber steht „Chains & Stakes“ ganz im Zeichen der Vielseitigkeit. So beginnt die Scheibe mit einem klassischen Blues-Intro für die Mörderballade „Blood On The Mind“. Tracks wie „Yours To Keep“, „A Little Devil“ oder „Completly, Sweetly“ könnten in einem anderen Setting auch als Rocksongs durchgehen.
„Tiny Wooden Box“ und „Father John“ sind klassische Folk-Moritaten mit Appalachen-Flair.
Vor allen Dingen sind es aber die drei lyrischen Instrumentals „Where Has The Time Gone“, „Clemency“ und „Yore“, die als atmosphärische Zwischenspiele eingestreut sind, welche eine ganz neue ernsthafte Seite von THE DEAD SOUTH offenbaren; für die es nichtmal Worte braucht.
In „Clemency“ kommt dann sogar DANNY KENYONs Cello in seiner eigentlich Ausprägung als Streichinstrument zum Tragen. Ein Feature, dass die Band bislang eher vernachlässigte.
Als kleine Randnotiz wäre noch zu erwähnen, dass THE DEAD SOUTH das neue Material zwar wie gewohnt mit ihrem Produzentenkumpel Jimmy Nut eingespielt haben, aber weder in Kanada noch in den USA und schon gar nicht in Deutschland, sondern in Mexico-City. Zwar schlug sich das musikalisch bisher nicht nieder, ist aber Teil eines Masterplans, im Rahmen dessen sich die Band nun auch an die Eroberung des südamerikanischen Kontinents machen will.
FAZIT: Mit ihrem vierten regulären Studio-Longplayer „Chains & Stakes“ erweitern THE DEAD SOUTH ihr musikalisches Angebot deutlich, ohne dabei ganz auf ihre Masche als die musikalischen Anwälte hinterwäldlerisch/schratiger, trinkfreudiger, feierwütiger Charaktere zu verzichten. Da es den Jungs schon lange nicht mehr darum zu gehen braucht, mit ihrer Musik Puristen und Zweifler zu überzeugen, können sie sich den Luxus der musikalischen Diversifikation auch ohne weiteres leisten. Die zahlreichen Fans in den ständig größer werdenden Hallen in denen THE DEAD SOUTH inzwischen aufspielen, werden ihnen diese Entwicklung sicherlich danken.
- 1-3 Punkte: Grottenschlecht - Finger weg
- 4-6 Punkte: Streckenweise anhörbar, Kaufempfehlung nur für eingefleischte Fans
- 7-9 Punkte: Einige Lichtblicke, eher überdurchschnittlich, das gewisse Etwas fehlt
- 10-12 Punkte: Wirklich gutes Album, es gibt keine großen Kritikpunkte
- 13-14 Punkte: Einmalig gutes Album mit Zeug zum Klassiker, ragt deutlich aus der Masse
- 15 Punkte: Absolutes Meisterwerk - so was gibt´s höchstens einmal im Jahr
- Blood On The Mind
- Yours To Keep
- 20 Mile Jump
- Where Has The Time Gone
- A Little Devil
- Son Of Ambrose
- Clemency
- Completely, Sweetly
- A Place I Hardly Know
- The Cruel Contessa
- Tiny Wooden Box
- Yore
- Father John
- Gesang - Nate Hilts
- Good Company (2014) - 10/15 Punkten
- Sugar & Joy (2019) - 13/15 Punkten
- Served Live (2021)
- Easy Listening for Jerks, Pt. I & Easy Listening for Jerks, Pt. II (2022)
- Chains & Stakes (2024) - 12/15 Punkten
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