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Anyone's Daughter: Calw Live (Review)

Artist:

Anyone's Daughter

Anyone's Daughter: Calw Live
Album:

Calw Live

Medium: CD
Stil:

Melodic Progressive Kraut Rock

Label: Tempus Fugit
Spieldauer: CD1: 49:36 / CD2: 39:53
Erschienen: 20.05.2011
Website: [Link]

Neun Jahre dauerte es, bis der Auftritt ANYONE’S DAUGHTERs zu Hermann Hesses 125. Geburtstag in seiner Heimatstadt Calw als Doppel-CD veröffentlicht wurde. Naheliegend, dass die Band eingeladen wurde, ist doch eines ihrer zentralen Werke die Vertonung von Hesses Märchen „Piktors Verwandlungen“, das in seiner vollen Länge aufgeführt wurde. Mit niemand anderem als HEINZ RUDOLF KUNZE am Mikrofon. André Carswell der neue Sänger, mit dem damals gerade „Danger World“ eingespielt worden war, wäre als Interpret des Klassikers aller pubertierenden Jünglinge mit lockigem Haar und Sehnsucht im Herzen, vermutlich sprachlich etwas überfordert gewesen. Alleine seine groovigen, englischen Ansagen wirken im Zusammenhang mit diesem speziellen Auftritt etwas befremdlich („ANYONE’S DAUGHTER would like to thank the City of Kählf for […] Hörman Hesse".). Letztlich ist das ein Problem, dass das komplette „Danger World“-Album hat: Carswell ist ein respektabler Sänger, gibt den Songs aber einen Schub in Richtung Soul-Pop, dem die zugrundeliegende Musik nicht folgt und deshalb im Nirwana gefälligen Melodic-Rock-Pops mit nur einem Hauch Funk und einem kleinen Touch Progressive Rock landet. Nachzuhören vor allem auf der zweiten CD.

Doch zuerst stehen „Piktors Verwandlungen“ im Mittelpunkt. Eingeleitet wird das 36-minütige Opus durch Herrmann Hesses Gedicht „Buchstaben“. Vorgetragen von H.R. KUNZE („The Master Poet of Germany!“ Och nöö.). Verklausulierte Faschismus-Kritik hinter romantischer Verklärung der freien Geisteswelt. Am Ende Einsicht des wilden Mondmannes, der seine Un-welt hinter Buchstaben verlöschen sieht und gesundet. So glimpflich und simpel hat es sich in der Realität dann doch nicht erledigt… Danach: „Piktors Verwandlungen“.

Hier laufen ANYONE’S DAUGHTER zu großer progressiver Form im krautrockenden Gewand auf. Irgendwo, zwischen GROBSCHNITTs „Rockpommel‘s Land“ und GENESIS im Umbruch der mittleren Jahre, lassen sich die Schwaben nieder und mehren sich über eine gute halbe Stunde, durchaus leidenschaftlich, aus. KUNZE passt wesentlich besser ins Konzept als Carswell mit seinem bemüht beschwingten This–is-our-Song-of-Brotherhood-Mr.-Kunze-Is-In-The-House-Gestus.
Hesses Text ist eine adoleszente Schwärmerei voller Sehnsucht nach dem ewigen Wandeln und Werden sowie der Gefahr der Verführung. Die Macht der Phantasie verleiht dem kleinen Prinzen, äh Piktor, Flügel und lässt ihn sich verwandeln in was immer er will. Im Elfenbeinturm direkt neben dem Wolkenkuckucksheim eine gern geträumte Phantasmagorie. Nur erträglich, wenn man die Realität ausblendet. Das beherrschen ANYONE’S DAUGHTER und H.R. KUNZE ausgesprochen gut. Also Räucherstäbchen an, Mate-Tee aufgesetzt – verlängert womit auch immer – und highfidel Piktors Verwandlungen miterlebt. Perlender Progressiv-Rock, sanfter Jazz mit ganz leichtem Canterbury-meets-VANGELIS-Flair und ein bisschen deftiger Rock ergeben einen gut genießbaren Longtrack, mit dem Calw und Hermann Hesses Erben überaus zufrieden sein können.

CD2 hat ein paar kurze Instrumentalteile, die dem pathetischen Melodic-Pop zum Mitsingen ein bisschen Würze und Tiefe verleihen. Insgesamt zu saftloses Gedudel, um wirklich fesseln zu können. Als netter, hymnischer Pop auf der Fahrt zum wöchentlichen Einkauf aber goutierbar. Zum Abschluss versucht sich das Duo KUNZE und Carswell auf Deutsch und Englisch an JOHN LENNONs „Imagine“. Gewöhnungsbedürftig. Aber wie so oft im Leben und der Musik: es hätte schlimmer können. Na gut, besser auch.

FAZIT: Wer Hermann Hesses Texte mag, kann mit der ersten CD sehr glücklich werden. Wer, wie der Rezensent, Piktors Schöpfer in den Tiefen des Archivs pubertärer Verwirrungen abgelegt hat, darf sich an den langen, verspielten und trotzdem erdig rockenden Instrumentalparts erfreuen.
Die zweite CD ist ein netter Bonus von marginalem musikalischem Wert. Endet dazu ziemlich lieblos und abrupt, indem ein anonymer Conférencier kumpelhaft beschwört, dass Hermann Hesse zwar stolz auf’s Publikum wäre, man sich aber an einen Fahrplan halten müsse. Korrekt, Herr Schaffner! Unter Pfiffen wird ausgeblendet. Ziemlich unprofessioneller und überflüssiger Ausklang eines liebenswerten, aber nicht durchweg überzeugenden Albums.

Jochen König (Info) (Review 6796x gelesen, veröffentlicht am )

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  • 4-6 Punkte: Streckenweise anhörbar, Kaufempfehlung nur für eingefleischte Fans
  • 7-9 Punkte: Einige Lichtblicke, eher überdurchschnittlich, das gewisse Etwas fehlt
  • 10-12 Punkte: Wirklich gutes Album, es gibt keine großen Kritikpunkte
  • 13-14 Punkte: Einmalig gutes Album mit Zeug zum Klassiker, ragt deutlich aus der Masse
  • 15 Punkte: Absolutes Meisterwerk - so was gibt´s höchstens einmal im Jahr
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Tracklist:
  • CD 1:
  • Ansage 1
  • Swedish Nights
  • Between The Rooms
  • Buchstaben
  • Piktors Verwandlungen
  • CD 2:
  • Ansage II
  • Nina
  • Danger World
  • I'll Never Walk That Road Again
  • Helios
  • Wheel Of Fortune
  • Moria
  • Imagine

Besetzung:

Alle Reviews dieser Band:

Interviews:
  • keine Interviews
Kommentare
Robert
gepostet am: 20.01.2018

Joo, ich war dabei damals in Calw auf dem Marktplatz. Tausende von Leuten haben der Musik gelauscht, die sonst ein Nischendasein führt, im Publikum auch Mitglieder von Pur. Heinz Rodolf Kunze hat bei seinem meiner Kenntnis nach einzigen Auftritt mit AD seine Parts genauso überzeugend vorgetragen wie Harald Bareth im Original. Für mich ein zeitloses Dokument, dass keiner Benotung bedarf. P.S. Steppenwolf im Anschluss fand ich enttäuschend
(-1 bedeutet, ich gebe keine Wertung ab)
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