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Blind Guardian: Beyond The Red Mirror (Review)

Artist:

Blind Guardian

Blind Guardian: Beyond The Red Mirror
Album:

Beyond The Red Mirror

Medium: CD/LP/Download
Stil:

Heavy Metal

Label: Nuclear Blast
Spieldauer: 65:20
Erschienen: 30.01.2015
Website: [Link]

Wer wirklich wissen will, was es mit einem neuen Album auf sich hat, der verlässt sich natürlich nicht auf Onlineportale wie musikreviews.de oder gar auf Printmagazine, bei denen sich Redakteure in Vollzeitbeschäftigung ausschließlich mit Heavy Metal beschäftigen. Nein, die wahre Qualität eines Albums wird dort fachmännisch und eloquent analysiert, wo ausschließlich Komponisten und versierte Musiker auf vielhundertfache Semester Musikwissenschaft treffen: In Internet-Foren.

Ein paar Beispiele gefällig, was sich – alles selbstredend weit vor dem offiziellen Release von BLIND GUARDIANs zehntem Studioalbum „Beyond The Red Mirror“ geschrieben – in den bevorzugt von Grammy-Gewinnern und Musikproduzenten genutzten Foren findet?

- „Der ganze Orchesterquatsch ist komplett jenseits deren Möglichkeiten und gehört schnellstmöglich wieder vergraben. Hört euch mal eine John Williams-Orchestrierung an und dann mal das BG-Zeug. Das ist C-Jugend Krefeld gegen Championsleague, da ist das Spiel nach fünf Minuten chancenlos vorbei.“

- „alles beim alten: keine power, keine hymnen, keine gänsehaut. hört sie euch schön, ich brauch kein gefuddel einer satten band, die es nicht mehr kann/will“

- „Was regt Ihr Euch alle über den Sound auf? Der Song an sich ist scheiße und kann nix! Der Sound ist dabei wirklich nebensächlich!“

- „Habe den Opener grad gehört. Wasn das Bitte???? Rammstein?“

- „Ist das wirklich die Band, die ‚Tales...‘ und ‚Follow...‘ aufgenommen hat? Fürchterlich... sinnloses Gedudel, schrottige Gesangslinien, schmieriger Refrain und als Krönung komplett tot produziert.“

- „Anscheinend hat die Band kein Vertrauen mehr zu den eigenen Kompositionen, ansonsten müsste man die Songstrukturen nicht hinter dieser klebrigen Sound-Masse verstecken.“

- „Schon lange nicht mehr so einen völlig gesichtslosen, aufgeblähten , überproduzierten, völlig verschachtelten, nichtssagenden ausdruckslosen und langweiligen Müll gehört.“

- „Musikalische Vollrotzpisse im aufgeblähten nichtssagend Gewand.“

Dass hier und da ein paar Rechtschreibprobleme offenkundig werden, sollte man nicht zu hoch bewerten, da sicherlich das Anhören eines auf Youtube veröffentlichten Vorabsongs oder Studiotrailers kaum noch in den vollen Terminkalender (ein typischer Tag: 08.00 – Gitarrenstunde für John Petrucci über Skype geben, 10.15 – Brian May wegen Tantiemen für alte Queen-Songs anrufen, 12.30 – Mittagessen mit Jon Oliva [Arrangements für Trans-Siberian-Orchestra überarbeiten!], 15.00 – Briefing für Andy Sneap wegen neuer Studiotechnik, 20.00 – Bandprobe mit Meshuggah) passt. Aber, nehmen wir es einfach dankbar zur Kenntnis, dass man sich einfach mal die 25 Sekunden Zeit genommen hat, anhand eines einzigen, über Computer-Boxen gehörten Songs, ein über 65 Minuten langes, hochkomplexes Album in seiner Gänze erfassen, analysieren und bewerten zu können.

Ok, jetzt mal im Ernst.

Der größte Kritikpunkt an „Beyond The Red Mirror“ zuerst: Der Sound, zumindest der der Promo-MP3s, ist zumindest merkwürdig. Steril, kühl, komprimiert, wenig luftig. Insbesondere die Gitarren verströmen stellenweise eine unangenehme Leblosigkeit, die Drums klackern künstlich, die Becken sind streckenweise kaum mehr als ein permanentes Zischen. Etwas weniger High-Tech, dafür mehr Gefühl würde dem Album gut tun. Wenn dann, wie im Opener „The Ninth Wave“, noch elektronische Klänge dazukommen (die, das aber nur am Rande, nur ein komplett Ahnungsloser mit RAMMSTEIN in ein Boot setzen würde), braucht man als Traditionalist tatsächlich starke Nerven.

Aber: Es lohnt sich. „The Ninth Wave“, der neuneinhalb Minuten lange Opener und sperrigste Song des Albums, hat auch nach mehr als 30 Durchgängen nicht in Gänze gezündet, verfängt sich nach dem atmosphärischen Intro in ein paar Widerhaken, die sich einfach nicht lösen wollen. Das erledigen allerdings dann die anderen Songs des Albums deutlich schneller: „Twilight Of The Gods“, das vorab ausgekoppelt wurde und durchaus konträre Meinungen produzierte (s. o.), schlägt mit seinen vielen Stimmen einen Bogen zurück zu Alben wie „Imaginations From The Other Side“ – ein Eindruck, der sich im Laufe des Albums noch einige Male wiederholen wird. Was allerdings nicht heißt, dass „Beyond The Red Mirror“ der lange verschollene Nachfolger dieses Meilensteins ist – BLIND GUARDIAN wären nicht BLIND GUARDIAN, wenn sie sich nicht auch mit diesem Album zumindest ein Stück weit wieder neu erfunden hätten.

Musikalisch sind die Krefelder längst über jeden Zweifel erhaben, klingen wie keine zweite Band, schaffen es dabei, die anspruchsvollen Songstrukturen in jedem Song mit einem einprägsamen Refrain zu veredeln, der als Steigbügelhalter dient, das Album als Ganzes aufzunehmen. Jeder Song – vielleicht mit Ausnahme der spröden Piano-Ballade „Miracle Machines“ – glänzt mit überraschenden Wendungen und Drehungen, zieht in punkto Abwechslung stets ein fettes Ass aus dem Ärmel. An mancher Stelle („At The Edge Of Time“, „The Throne“) übertreibt man es allerdings mit dem Spuren-Massaker. Zwar mögen die Orchester-Arrangements qualitativ an der Spitze der Branche stehen, doch würden die Songs auch mit deutlich weniger Bombast (und Ballast) funktionieren. Glücklicherweise nehmen die Kompositionen immer wieder deutlich an Fahrt auf („Ashes Of Eternity“, das im Guardian-Kosmos fast schon straighte „The Holy Grail“ mit der deutlichsten „Imaginations“-Schlagseite), sollten so auch jedem alteingesessenen Fan überzeugen, der mit den teilweise (zu) überladenen und progressiv-verschachtelten Alben nach „Nightfall“ nicht mehr wirklich warm wurde.

Eines noch am Rand: Mit „Grand Parade“ beschließt ein weiterer Neuneinhalbminüter das Album, und warum es BLIND GUARDIAN hier schaffen, den Song durch und durch warm klingen zu lassen und den Rest nicht, bleibt komplett rätselhaft. Der Song strahlt eine Positivität aus, die an mancher Stelle zuvor statt der distanzierten Kühle und der schroffen Härte ebenfalls angebracht gewesen wäre.

FAZIT: Wie man „Beyond The Red Mirror“ im Gesamtkatalog der Band einsortieren muss, bleibt abzuwarten. Fest steht jedenfalls, dass BLIND GUARDIAN nicht mehr den Fehler begehen, ihre musikalischen Fähigkeiten zu sehr in den Vordergrund zu stellen. Mancher Part hätte auch auf früheren Alben bestens funktioniert – ohne dass die Fantasy Metaller dabei zu sehr ins Selbstzitat abdriften würden. Leicht gemacht haben es sich BLIND GUARDIAN in den letzten Jahren ohnehin nicht; statt langwieriger Songwriting- und Aufnahmeprozesse, die Kraft gekostet und Geld verschlungen haben, hätte man auch den einfacheren Weg gehen können und regelmäßig einen Mix aus „Nightfall In Middle-Earth“, „Imaginations From The Other Side“ und „Somewhere Far Beyond“ veröffentlichen können. Diese Alben bleiben, ebenso wie die frühe Schaffensphase der damaligen reinrassigen Speed Metaller, wohl auf ewig unerreicht. Das wäre auch gar nicht der Anspruch BLIND GUARDIANS – und man kann sich sicher sein: Wenn sie diesen Weg eingeschlagen hätten, würden die Einträge in den Internet-Foren dieser Welt kaum anders aussehen als heute.

Lothar Hausfeld (Info) (Review 12043x gelesen, veröffentlicht am )

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Wertung: 12 von 15 Punkten [?]
12 Punkte
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Tracklist:
  • The Ninth Wave
  • Twilight Of The Gods
  • Prophecies
  • At The Edge Of Time
  • Ashes Of Eternity
  • The Holy Grail
  • The Throne
  • Sacred Mind
  • Miracle Machine
  • Grand Parade

Besetzung:

Alle Reviews dieser Band:

Interviews:
Kommentare
Tom
gepostet am: 27.01.2015

Gradioses Review!
Tom
gepostet am: 27.01.2015

Aua, jetzt hab ich tatsächlich das "n" in "grandios" vergessen. Und nichtmal nen Grammy dafür gewonnen, damn...:)
Slayer6678
gepostet am: 28.01.2015

Vielen Dank für eine weitere Bestätigung meiner These, dass es für mich vermeintlich 'normalen' Musikkonsumenten, der Musik vornehmlich aus den offensichtlich falschen Gründen 'macht Spaß', 'bringt mich zum Zappeln/Wippen/Tanzen' und 'verschafft mir gute Gefühle' hört, nahezu aussichtslos ist, in den genannten 'Expertengremien' mehr als 10 Postings zu konsumieren, ohne eine dann rapide stärker werdende Übelkeit zu verspüren. Gibt es hierzu schon 'wissenschaftliche' Studien, vornehmlich aus dem Dunstkreis der angesprochenen Experten, die (da gehe ich nicht ganz mit der im Review geäußerten These konform) ja meistens nicht nur Koryphäen im Bereich der Musikwissenschaften sind, sondern darüber hinaus auch genial in vielen anderen Bereichen (Psychologie, Philosophie, korrektes Grillen und Darmhygiene seien hier nur stellvertretend genannt) sind?

Ansonsten: Tolles Review, ich werde mir das Album wohl auf jeden Fall intensiv zu Gemüte führen (müssen), um so etwas Archaisches wie eine 'eigene Meinung' dazu zu entwickeln. ;-)
Thomas
gepostet am: 30.01.2015

Interessante Review, wobei das Vorgeplänkel bis zu "Ok, jetzt mal im Ernst" einen hohen Schmunzelfaktor hat.
Thomas
gepostet am: 01.02.2015

User-Wertung:
14 Punkte

Blind Guardian Hmm nach ein paar Jahren Schaffenspause nun das neue Album,vorweg genommen ich hab mich drauf gefreut aber ich bin kein Blind Guardian Hardliner und bewerte somit einigermaßen objektiv obwohl das bei Musik eh immer schwer ist,entweder man mag sie oder halt nicht
Die Songs im einzelnen,es geht los mit"The ninth wave" interessantes Intro und dann die geniale Stimme von Hansi Küsch nicht so mein liebster Song der Cd,dannach die Single "Twilight of the Gods" wo eigentlich alles paßt,ein typischer Guardian Song eben,"Prophecies" sehr abwechslungsreiches Stück das prgresiv gestaltet ist geile Riffs,At The Edge Of Time episch genial, "Ashes Of Eternity" etwas power mäßiger auch sehr gelungen,The Holy Grail ein schnelles Stück mit progresiven Einflüssen das live bestimmt gut abgehen wird auch ohne Chor der wird von den Fans kommen,"Sacred Mind" sehr powermäßiges Stück das genial rüberkommt da dürften die Herzen der Fans von ganz früher höher schlagen,"Miracle Machine" eine Ballade die wohl dazu gehört schöner Gesang aber muß nicht umbedingt auf ein Album,"Grand Parade" dann der krönende Abschluß eines sehr guten Albums das bestimmt seinen Weg finden wird,Blind Guardian Fans werden es lieben und der Rewst dürfte auch Gefallen daran finden.Der erste Hammer des Jahres 2015!!!
Jonathan
gepostet am: 26.02.2015

User-Wertung:
14 Punkte

Das Album ist auf vielen Ebenen unangefochten - solch ein brillantes Werk habe ich das letztes mal von der Band Wintersun mit ihrem Album Time I gehört. Ein Kritikpunkt ist der Mix, der könnte wirklich besser sein.
Tim T.
gepostet am: 16.08.2015

Auch wenn ich jetzt die engstirnigen Fans vergraule, für mich haben Blind Guardian schon nach "Imaginations From The Other Side" verloren. Ihre Songs sind mir ungewohnt zu progressiv geraten und haben kaum noch Härte und Geschwindigkeit. Blind Guardian sind einfach für mich nur die ersten 4-5 Scheiben (allen voran "Follow The Blind" und "Tales From The Twilight World" sind für mich klasse Scheiben). "A Night At the Opera" ließ mich nochmal aufhorchen und nach langer Zeit komme ich auch mit "At the Edge of Time" zurecht, aber dieses Album bietet bis auf "Distant Memories" für mich gar nichts ... BG sollten zumindest wieder einen Schritt zurück gehen und sich in Werken wie die genannten Scheiben reinhören und dann paar angemeseenen Speednummern schreiben, dann wäre eine halbwegs gute Note für mich wieder drin. Lg
Tim X.
gepostet am: 06.11.2015

User-Wertung:
12 Punkte

Auch wenn ich jetzt die Die-Hard-Fans der ersten Stunde vergraule, aber mich haben Blind Guardian erst irgendwo nach "Imagionations ..." gewonnen, (vermutlich mit der Opera). Ich finde die heutigen Scheiben haben um einiges mehr Klasse und Kontraste und Abwechselung. Zu den nach wie vor herausragenden Refrains wird länger hingeleitet und eine stärkere Spannung aufgebaut, ausufernde Instrumentalpassagen kommen nicht nur in der dritten Strophe auf, klassische Instrumente bereichern das Klangbild. Lediglich die Produktion ist mir bei nicht schon seit jeher nicht gut und klar genug bei BG und das wo häufig sehr viel hineingeladen (manchmal überladen) Der Speed Metal, der einigen so fehlt, ist eigentlich nie komplett verschwunden (Da gibt es zB Holy Grail oder Tanelorn, Ride into Obsession vom letzten Album), er ist eben nur noch ein Element von vielen und nicht mehr so wichtig wie der Bombast). Dass Blind Guardian mehr als nur ein klein wenig progressiv geworden ist, ist wohl kein Zufall, wo doch Teile der Band den 70s Prog und die Klassik lieben (hab ich das richtig in Erinnerung?) und ich begrüße es, dass immer mal wieder große Namen ihren Weg in diese Richtung finden (wie bei Machine Heads The Blackening). Klar, die Fraktion „Schon lange nicht mehr so einen völlig gesichtslosen, aufgeblähten , überproduzierten, völlig verschachtelten, nichtssagenden ausdruckslosen und langweiligen Müll gehört.“ ist sicherlich lauter, weil wahrscheinlich unter extremen Kopfschmerzen leidend, wenn ein Song mal nicht nach 5 Minuten vorbei ist und mit was anderem als Strophe-Refrain daher kommt, aber ich denke manchen finden auch ganze neue Pfade. Hat bei mir ja auch geklappt. Ach fast hätte ich das neue Album vergessen. Find ich richtig gut, kommt für mich aber nicht an den Vorgänger ran, den ich, obwohl mein Hoheitsgebiet eher lupenreine progressive Werke sind, für eins der besten Alben aller Zeiten halte
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