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Konstantin Wecker: Ohne Warum - Live (Review)

Artist:

Konstantin Wecker

Konstantin Wecker: Ohne Warum - Live
Album:

Ohne Warum - Live

Medium: CD
Stil:

Deutsche Live-Liedermacher-Kunst

Label: Sturm und Klang Musikverlag/Aliive
Spieldauer: 66:23
Erschienen: 25.11.2016
Website: [Link]

Nachdem das Studio-Album „Ohne Warum“ von KONSTANTIN WECKER bei uns eine ausgezeichnete Kritik erhielt, gibt‘s nun endlich die Live-CD zur „Ohne Warum“-Tournee, die natürlich nach solchem Studio-Album hohe Erwartungen weckt. Und diese auch rundum erfüllt, wofür es viele Gründe gibt. Der erste liegt natürlich darin, dass Wecker nicht nur ein hervorragender Texter, Sänger und Pianist ist, sondern auch, wenn er mit kompletter Band auf der Bühne steht, eine unglaubliche Ausstrahlung hat.
Selbst wenn diese CD nur eine Audio- und keine DVD-Variante ist, so sieht man in dem umfangreichen Booklet auf der Vielzahl der Konzert-Bilder, welche Aura von ihm auf der Bühne ausgeht. Der Musiker Wecker erscheint einem sympathischer als der Mensch Wecker, der mit extrem linker Verbissenheit sich entweder politisch vereinnahmen oder hinter einen Karren spannen lässt, vor dem sich ein guter Künstler und Freigeist eigentlich hüten sollte. So führen auch seine verbissenen Kommentare unter seiner fb-Seite zu dem einen oder anderen (mitunter gerechtfertigten) Shit-Storm, da er sich viel zu oft auch auf „politisches“ Schwarz-Weiß-Denken einlässt. Vielleicht lernt Wecker noch, dass leider auch Nazis „Andersdenkende“ sind, mit denen man sich auseinandersetzen, aber nicht in puren Beleidigungen und Beschimpfungen ergehen darf, so lange sie ihre braune Grütze nicht mit Gewalt unter der Masse verteilen. Auch verbale Gewalt bringt nur verbale Gegengewalt hervor und macht diejenigen, die man eigentlich bekämpfen will, nur stärker.

Liest und hört man aber Weckers Texte, dann glaubt man tatsächlich, einen „anderen Wecker“ vor sich zu haben, der zwar Stellung bezieht und sich klar positioniert, aber nicht mit einem Haufen Pauschal-Urteilen oder Vorverurteilungen aufwartet. Die Kunst seiner Stimme und seines Stiftes machen ihn jedenfalls zu einem der besten deutschen Liedermacher, welchen die deutsche Musik-Szene jemals hervorgebracht hat, der selber behauptet: „Wahre Kunst entsteht ohne Berechnung, ohne Überlegung und vielleicht auch ohne Sinn. Sie ist einfach da.“

Über 100 Konzerte gehen diesen Aufnahmen voraus und kaum ist die oftmals ausverkaufte Tournee vorbei, schon liegt uns dieses Live-Album vor – eine gute Sache. Doch bereits der Beginn mit seinem 40 Jahre alten provokanten „Es ist schon in Ordnung“ erscheint seltsam, aber der Song ist für seine folgende Ansage wichtig, in der Wecker betont, dass er noch immer ein echter Anarcho ist – und gleich danach vergleicht er sich mit Novalis und schreibt dessen „Wenn nicht mehr Zahlen und...“ mit zwei eigenen Strophen fort. Schon da fragt man sich: „Was ist mit diesem Wecker nur los?“; „Anarcho oder Poet?“; „Schönheit oder Chaos?“; „Altersweisheit oder Kauzigkeit?“ - KONSTANTIN WECKER trägt nicht nur ein Gesicht, er setzt auch die eine oder andere Maske auf und man weiß nicht, wann man sein wahres Gesicht, wann man nur eine Maske sieht. Auch seine Lieder erwecken in Kombination mit seinen Ansagen diesen Eindruck – immer wieder taucht dabei ein todtraurig klingendes Cello auf, auch als Eröffnung des Konzerts. Akkordeon und Mandoline sowie jede Menge Percussion erklingen ebenfalls und natürlich bewegende Gitarren und das wichtigste Instrument: das Piano. Es ist schon ein grandioses Live-Sextett, welches da den Wecker begleitet und seinen Texten die musikalische Tiefe und grundsätzlich passende Emotion verleiht. Und wenn er sein Kind in „An meine Kinder“ darum bittet, niemals eine Uniform zu tragen, gibt es sogar Zwischenapplaus. In diesem Falle zum ersten, aber keinesfalls letzten Mal während dieses Konzerts – und man kann die Zeile aus den „Westfälischen Nachrichten“ zu einem seiner Konzerte getrost unterschreiben, wenn sie titelt: „Romantiker mit Herz für Versager“. Vielleicht liegt es daran, dass Wecker auch sein eigenes Versagen nicht verheimlicht, sondern immer wieder mal thematisiert. Als wirkliches Vorbild ist er nach all seinem Gesungenen, aber anders Getanen, nicht geeignet, aber als einer, der das ausspricht, was Andere nicht hören wollen, durchaus. Wecker ist leidenschaftlicher Pazifist, ein wahrer – und wenn er von GEORG HEYM „Der Krieg“ vorträgt, dann nimmt man ihm jedes Wort des expressionistischen Lyrikers genauso ab, als wären es seine eigenen.
Aber auch wenn er für Hans-Peter Dürr „Gefrorenes Licht“ singt, dann spürt man diese Trauer mit jeder Note, jedem Wort. Wenn dann aber mit „Ohne Warum“ kraftvoll und bluesig sowie mit Soli der Musiker das Album endet, dann schöpft man mit einem Atemzug auch wieder die Kraft für all das, was uns nach solch einem Konzert noch in unserem Alltagswahn erwartet: „Sunder warumbe – ohne Warum!“

Nach Novalis und Heym wartet auch noch ein dritter Dichter, den Wecker vertont, während des Konzerts auf uns: BRECHT mit „Vom Glück des Gebens“ - vielleicht gerade so kurz vor Weihnachten ein immens wichtiges Stück. Und setzt man die Lyrik von KONSTANTIN WECKER diesen Dichtern entgegen, dann muss man unumwunden zugeben, dass sie ein ganz ähnliches Niveau besitzen. Und irgendwie dürfen wir fast behaupten, dass nach dem Tod eines LEONARD COHEN – für den der Text wichtiger als die Musik war – wir unseren deutschen Cohen noch haben und ihn hegen und pflegen und öfters auch mal verzeihen sollten. Dieses Konzert ist trotz einiger konträrer Ansagen, wie beispielsweise zu Frauke Petry, die komplett überflüssig sind, besonders dann, wenn man ihr zum Vorwurf macht, „Die Gedanken sind frei“ am Piano gesungen zu haben, ein großartiger Beweis für die Ausnahmestellung von KONSTANTIN WECKER, an dessen Lyrik und Live-Aura nunmehr vielleicht noch ein REINHARD MEY heranreicht. Aber dann war‘s das für Deutschland auch schon.

FAZIT: Wenn KONSTANTIN WECKER Konzerte gibt, dann sind sie ein emotionales, aufrüttelndes Ereignis, das war vor vielen Jahren genauso, wie es noch heute ist. Im Falle von „Ohne Warum – Live“ dürfen wir 20 Stücke aus seinem aktuellen Programm zu seinem aktuellen Album „Ohne Warum“ live von Konserve hören. Doch selbst hier spürt man die Faszination, die von diesem Ausnahme-Texter-Komponisten-Musiker von der Bühne ausgeht und wozu der „Südkurier“ schreibt: „KONSTANTIN WECKER zeigt beim Konzert seine musikalisch-poetische Kraft“!
Hier ist er unerreichbar, wenn er aber von der Bühne herabsteigt, macht er sich leider noch viel zu oft zu einem vereinnahmten, verbissenen Links-Anarcho statt zu dem pazifistischen Freigeist, für den ihn dieser Kritiker jedenfalls schon immer hochachtungsvoll bewunderte.

Thoralf Koß - Chefredakteur (Info) (Review 4113x gelesen, veröffentlicht am )

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  • 15 Punkte: Absolutes Meisterwerk - so was gibt´s höchstens einmal im Jahr
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Tracklist:
  • Es ist schon in Ordnung
  • = Ansage: Begrüßung =
  • Novalis
  • Vaterland
  • An meine Kinder
  • Eins mit deinem Traum
  • = Ansage: Georg Heym =
  • Der Krieg
  • Fast ein Held
  • Wenn unsere Brüder kommen
  • = Ansage: Frau Petry singt =
  • Die Gedanken sind frei
  • Heiliger Tanz
  • Auf der Suche nach dem Wunderbaren
  • Gefrorenes Licht (für Hans-Peter Dürr)
  • = Ansage: Denk mit dem Herzen =
  • Ich habe einen Traum
  • Vom Glück des Lebens
  • = Ansage: Angelus Silesius =
  • Ohne Warum (Sunder Warumbe)

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