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Wojtek Mazolewski Quintet: Spirit To All (Review)

Artist:

Wojtek Mazolewski Quintet

Wojtek Mazolewski Quintet: Spirit To All
Album:

Spirit To All

Medium: CD
Stil:

Contemporary Jazz, Spirituelles

Label: Whirlwind Recordings
Spieldauer: 44:05
Erschienen: 24.09.2023
Website: [Link]

Da unsere Seite ein ganz besonderes Faible für die Musik aus dem Osten hat, die selbst nach 34 Jahren Mauerfall und das sich komplette Öffnen Osteuropas gen Westen noch immer viel zu wenig Beachtung findet, versuchen wir ständig auch auf östliche Musikentdeckungsreise zu gehen – in Vergangenheit wie Gegenwart. Dieses Mal reisten wir mit unseren Ohren wie schon so oft Richtung Polen – mitten hinein in das von vielen ebenso verschmähte Territorium des Jazz. Und dort entdeckten wir den großartigen Bassisten WOJTEK MAZOLEWSKI samt seines Quintetts (WMQ) mit ihrem aktuellen Album „Spirit To All“.
Ein seligmachender, aber doch kaum zu verwirklichender Wunsch in kriegerischen Zeiten, während sich der Geist bei vielen längst verflüchtigt zu haben scheint.

Dafür aber wohnt (nicht nur der musikalische) Geist „Spirit To All“ des begnadeten Jazz-(Kontra-)Bassisten und dem ihm begleitenden Quartett (Grand Piano, Schlagzeug, Trompete, Tenor Saxophon + Percussion) von Anfang bis Ende inne.

Jeder, der auf modernen Contemporary Jazz steht, wird von diesem Geist gefangen genommen werden, wozu besonders auch die ausgiebige Harmonie innerhalb der Musik beiträgt, bei der das relativ kurz gehaltene Stück „Harmony“ eine echte Schlüsselwirkung besitzt, die sogar von Mazolewski betont wird, wenn er mit seiner buddhistischen Grundhaltung feststellt: „Harmonie ist alles, was wir benötigen, um die besten Lösungen für unsere Zukunft zu finden“, weswegen WMQ hier ihre eigene „Harmony“-Variante als eine Befreiung dieses Gefühls zum Ausdruck bringen. Jeden Tag sollte „Harmony“ in allen Kriegsgebieten dieser Welt zum Einsatz kommen – vielleicht kapiert dann ja auch der letzte Honk mal, dass Kriege nie eine Lösung für Probleme, sondern nur eine Zuspitzung dieser sind. Okay, lassen wir das Schwelgen in Wunschdenken und Harmonie-Hoffnungen.

Allen sieben Stücken des Albums wohnt zugleich der LENNONsche Wunsch „Power To The People“ inne, der beim WMQ als Hoffnung auf die eigene Stärke und das einem innewohnenden Potenzial mal melodiös, dann wiederum mit Hang zur Kakophonie verwirklicht wird, wobei der Trompete in diesem Falle eine besondere Bedeutung eingeräumt wird.

Im Mittelpunkt der Musik steht allerdings, wie's der Albumtitel schon verheißt, die Spiritualität, die uns ansatzweise zugleich in indische oder afrikanische Klangwelten entführt (TRILOK GURTU oder SUN RA und das ART ENSEMBLE OF CHICAGO kommen einem hierbei in den Sinn!), wobei sich besonders intensiv das von allen fünf Musikern vorangetriebene perkussive Spiel (auch auf Klangschalen und Gongs) der unterschiedlichsten Schlaginstrumente beweist. Hinzu kommt ein Hang zur Progressivität und, neben den improvisatorischen Fähigkeiten, zur Harmonie, Spiritualität und Melodiösität. Ähnliches kennt der progressive Rockfreund auch von THE LONG HELLO, dem VAN DER GRAAF GENERATOR-Ableger (ohne Peter Hammill), der sich mit mehreren Alben – damals unter Federführung von DAVID JACKSON – anspruchsvoll und überraschend stark im Jazz erprobte.

Solche Parallelen hängen garantiert auch mit der Tatsache zusammen, dass Mazolewski ebenfalls federführend bei der polnischen Jazz-Band PINK FREUD (eine einfallsreiche Namedropping-Zusammensetzung aus PINK FLOYD und SIGMUND FREUD – also psychedelische Musik trifft auf psychedelische Philosophie) ist, die neben dem Jazz, Rock, Drum'n'Bass, auch mit experimenteller Elektronik hantieren. Diese Auswirkungen sind bei WMQ unüberhörbar, selbst wenn die Electronics komplett wegfallen und alle Instrumente auf rein akustischem Boden bleiben, dafür aber so einige psychedelische Momente zu entdecken sind, wie beispielsweise in „Ghost Town“ oder dem von Joan Didons Buch entlehntem Titel „The Year Of Magical Thinking“, den der Danziger Bassist selber als „spirituell, innerlich und manchmal psychedelisch“ bezeichnet, unüberhörbar sind.

Als polnischer Jazz-Bassist steht man zugleich auch immer vor der Herausforderung, sich mit anderen hoch angesehenen Jazz-Bassisten und ähnlich ausgerichteten Musikern der in Polen sehr weit verbreiteten Jazz-Szene vergleichen zu lassen. Einen Vergleich, den Mazolewski tatsächlich – auch durch seine unaufdringliche Art, sich nicht ständig mit seinem Instrument in den Vordergrund zu spielen – bestens standhält. Denn immerhin hat die polnische Jazz-Szene mit HELMUT NADOLSKI einen sehr bekannten Jazz-Kontrabassisten zu bieten, der besonders durch seine Zusammenarbeit mit dem Jazz-Rock-Genie und als Volksheld verehrten Ausnahmemusiker CZESLAW NIEMEN auf mehreren Alben maßgeblich mitwirkte und von sich reden machte. Ganz offensichtlich ist er wohl auch für WOJTEK MAZOLEWSKI eins seiner Vorbilder.

So wird NIEMENs „Katharsis“-Album, eine verspielt elektronische, psychedelische wie jazzige LP aus dem Jahr 1976, auch zum Anliegen des Bassisten aus Danzig, der seine zehnjährige Zusammenarbeit mit WMQ ebenfalls als eine Wiedergeburt – sprich: 'kathartische Manifestation' – versteht: „Es hat uns wieder zusammengebracht und den Sinn für Abenteuer wiedererweckt. Wir fühlen uns als Band wirklich wie wiedergeboren.“

Und wir dürfen diese Wiedergeburt – vorausgesetzt man befindet sich bereits auf dem musikalischen Level, wo einem der harmonische moderne Jazz bereits zum Ausdruck des eigenen Lebensgefühls geworden ist – in vollen Zügen und mit weit geöffneten Ohren und Geist genießen!

FAZIT: Mit seinem neusten Album „Spirit To All“ überschreitet der polnische Kontrabassist WOJTEK MAZOLEWSKI gemeinsam mit seinem Quintett WMQ die Grenzen zwischen Contemporary Jazz, Improvisation, Progressivem, Weltmusikalischem und Harmonischem – und belebt die sowieso sehr lebendige polnische Jazz-Szene mit einem echten Meisterwerk, das sich nicht etwa verstecken zu braucht, sondern auch den extrem starken Alben der Siebziger – auch dem eines NIEMEN in seiner 'Marionetki'-Phase mit Helmut Nadolski am Bass – Paroli bieten kann und zudem durch eine ausgeprägte perkussiv-einfallsreiche Musikalität aller fünf Musiker auffällt. Mazolewski betont deshalb: „In diesem Album geht es um spirituelle Bedürfnisse, um grenzenloses und liebevolles Verständnis, um mitfühlende Entwicklung.“ Das sollte man all den Hassenden, Kriegstreibenden, Menschenverachtenden und Intoleranten auf ihre Fahnen schreiben – doch die werden sicher keine Ohren und keinen Geist für „Spirit To All“ haben.

Thoralf Koß - Chefredakteur (Info) (Review 1450x gelesen, veröffentlicht am )

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Tracklist:
  • Spirit To All
  • Ghost Town
  • The Power Of The People
  • Slavic Spirits
  • Harmony
  • The Year Of Magical Thinking
  • My Heart

Besetzung:

  • Bass - Wojtek Mazolewski
  • Keys - Joanna Duda
  • Schlagzeug - Qba Janicki
  • Sonstige - Marek Pospieszalski (Tenorsaxophon, Percussion), Oskar Török (Trompete, Percussion), Wojtek Mazolewski, Joanna Duda, Qba Janicki (Percussion)

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